Politik
Nach verspäteter Kassenablehnung Operation auch im Ausland möglich
Dienstag, 11. September 2018
Kassel – Wenn Krankenkassen einen Leistungsantrag nicht fristgerecht entscheiden, können sich Versicherte die Leistung auch im Ausland beschaffen. Das hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) heute in Kassel im Fall einer Operation zur Hautstraffung in der Türkei entschieden (Az: B 1 KR 1/18 R).
Der Kläger hatte massiv an Gewicht verloren. Bei seiner Krankenkasse beantragte er daher, die Kosten für eine Hautstraffung an Brust und Bauch zu übernehmen. Dies lehnte die Kasse erst nach mehr als sechs Wochen ab. Daraufhin unterzog sich der Versicherte einer Operation zur Hautstraffung in der Türkei. Der Eingriff ist dort erheblich günstiger als in Deutschland. Mit seiner Klage verlangte er Erstattung der Kosten von 4.200 Euro.
Hintergrund ist, dass nach den gesetzlichen Vorgaben eine Krankenkasse über Leistungsanträge innerhalb von drei Wochen entscheiden muss. Wird der Medizinische Dienst mit einem Gutachten beauftragt, verlängert sich die Frist auf fünf Wochen. Werden diese Fristen versäumt, gilt der Antrag als „fiktiv genehmigt“. Der Kläger argumentierte, dies sei hier der Fall. Demgegenüber meinte die Krankenkasse, trotz des Fristversäumnisses hätte sie nur die Kosten für eine Operation in Deutschland tragen müssen.
Nach Niederlagen in den Instanzen gab das Bundessoziagericht nun dem Patienten recht. Die Ärzte des Versicherten hätten die Behandlung befürwortet, und die Operation in der Türkei habe der beantragten Leistung entsprochen. Nach mehr als fünf Wochen sei diese „fiktiv genehmigt“ und die Ablehnung daher rechtswidrig gewesen.
Nach einer rechtswidrigen Ablehnung könne sich ein Versicherter die beantragte Leistung aber ohnehin nicht mehr innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beschaffen. Daher sei er nicht an die zugelassenen Leistungserbringer gebunden. Auch eine Operation im Ausland sei dann zulässig.
Nicht zu entscheiden hatte das BSG, ob in solchen Fällen die Kostenerstattung auf den Betrag gedeckelt ist, den der Eingriff bei einer Vertragsklinik in Deutschland gekostet hätte. © afp/may/aerzteblatt.de

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