Medizin
Folsäure kann Präeklampsie in internationaler Studie nicht verhindern
Mittwoch, 19. September 2018
Ottowa/Kanada – Die Hoffnung, dass eine hochdosierte Behandlung mit Folsäure in der Schwangerschaft einer Präeklampsie vorbeugen kann, hat sich in einer internationalen randomisierten Studie nicht erfüllt, wie die jetzt im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2018; 362: k3478) veröffentlichten Ergebnisse zeigen.
Weltweit sterben jedes Jahr 35.000 Mütter an den Folgen einer Präeklampsie, die bei 3 bis 5 % aller Schwangerschaften auftritt. Die Erkrankung ist vermutlich die Folge einer frühen Entwicklungsstörung der Plazenta. Epidemiologische Studien hatten darauf hingedeutet, dass hochdosierte Vitamine, darunter vor allem Folsäure, einer Präeklampsie vorbeugen könnten. So waren in der „Ottawa and Kingston (OaK) Birth Cohort“ Frauen, die hochdosiert Folsäuretabletten eingenommen hatten, zu 2 Dritteln seltener an einer Präeklampsie erkrankt.
Da epidemiologische Beobachtungen den Nutzen einer Therapie nicht belegen können, wurde 2011 eine randomisierte klinische Studie begonnen. An 70 Zentren in 5 Ländern (Argentinien, Australien, Großbritannien, Kanada und Jamaika) nahmen 2.464 Frauen mit hohem Präeklampsierisiko ab der 8. und 16. Schwangerschaftswoche bis zur Geburt täglich entweder 4,0 mg Folsäure oder ein Placebo ein. Allen Teilnehmern der Studie wurde die Einnahme von Vitaminpräparaten einschließlich Folsäure in einer Dosis bis zu 1,1 mg erlaubt.
Primärer Endpunkt war eine Präeklampsie, definiert als ein diastolischer Blutdruck von 90 mmHg oder höher und eine Proteinurie ab der 20. Schwangerschaftswoche. Die Erwartungen waren angesichts der Ergebnisse der OaK-Studie sicherlich hoch gesteckt. Doch die vom Team um Mark Walker vom Ottawa Hospital vorgestellten Ergebnisse sind ernüchternd. Von den 1.144 Frauen des Interventionsarms erkrankten 169 (14,8 %) trotz der Einnahme von Folsäure an einer Präeklampsie, während in der Placebogruppe nur 156 von 1.157 (13,5 %) erkrankten. Die Behandlung hatte demnach sogar zu einem tendenziellen Anstieg geführt. Das relative Risiko von 1,10 bliebt jedoch mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,90 bis 1,34 glücklicherweise nicht signifikant.
Glücklicherweise deshalb, weil Schwangeren heute aus anderen Gründen zur Einnahme von Folsäure geraten wird. Das Vitamin kann einer Spina bifida oder anderen Neuralrohrdefekten vorbeugen. Die Dosis liegt normalerweise bei 0,4 bis 1,0 mg, Frauen mit einem erhöhten Risiko wird jedoch mitunter zu 4,0 bis 5,0 mg täglich geraten. Die Behandlung erfolgt allerdings nur „perikonzeptionell“ mit einem Beginn am besten vor der Befruchtung bis zur 8. Schwangerschaftswoche. Eine spätere Einnahme ist sinnlos, da die Neuralrohrdefekte in der frühen Schwangerschaft in der Phase der Embryogenese entstehen.
Walker rät aufgrund der jetzigen Ergebnisse von einer längeren Einnahme ab, auch wenn die Behandlung mit Folsäure sich als gut verträglich und sicher erwiesen hat. Die Schwangeren klagten weder vermehrt über Nebenwirkungen noch ist es zu vermehrten Komplikationen bei Mutter und Neugeborenen gekommen. Die Forscher wollen die Babys vorsichtshalber bis zum Alter von 6 Jahren nachbeobachten, um negative Auswirkungen auf die Gesundheit und die neurokognitive Entwicklung auszuschließen. © rme/aerzteblatt.de
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