Politik
Krankenkassen lehnen verstärkt Kostenerstattung von Psychotherapien in Privatpraxen ab
Mittwoch, 17. Oktober 2018
Berlin – Die Kostenerstattung von Psychotherapien bei approbierten Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die in Privatpraxen arbeiten wird von Krankenkassen verstärkt abgelehnt. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Versorgungsstudie von zehn Landespsychotherapeutenkammern, die gestern bei einer Pressekonferenz der Psychotherapeutenkammer Berlin vorgestellt wurde.
Die Bewilligungsquote von Anträgen auf Kostenerstattung sank danach innerhalb eines Jahres von 81 Prozent (2016) auf 47 Prozent (1. Quartal 2018) ab. Im Falle der Bewilligung sank der Umfang der genehmigten Therapiesitzungen durchschnittlich um 25 Prozent. „Durch die restriktive Handhabung der Kostenerstattung für außervertragliche Psychotherapien verknappen die Kassen die ohnehin unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten für gesetzlich Krankenversicherte“, kritisierte Michael Krenz, Präsident der Berliner Kammer.
Die Studie basiert auf einer Online-Mitgliederbefragung im 1. Quartal 2018 mit einem Rücklauf von 2.417 Teilnehmern. Hochgerechnet arbeiten nach Angaben der Studienautoren gegenwärtig zwischen 5.500 und 6.000 meist junge Psychotherapeuten im Rahmen der Kostenerstattung.
Viele davon warten auf eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Genaue Daten zur Anzahl der Psychotherapien im Rahmen der Kostenerstattung gibt es nicht mehr: nach Angaben des GKV-Spitzenverbands, weil „das Konto in der amtlichen Statistik zur Kostenerstattung bei Psychotherapie ab 2013 eingestellt wurde“.
Psychotherapeuten berichten von falschen Ablehnungsgründen
„Viele Ablehnungen wurden von den Krankenkassen falsch begründet“, kritisieren die Studienautoren Katrin Jeschke, Psychotherapeutenkammer Berlin, und Rüdiger Nübling, Landepsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg. So berichten unter anderem 56 Prozent der Befragten, den Patienten sei von den Krankenkassen mitgeteilt worden, Kostenerstattung sei nicht mehr erlaubt. 82 Prozent berichten von Ablehnungen, die mit der Einführung der Vermittlung der Terminservicestellen (TSS) seit April 2017 in die psychotherapeutische Sprechstunde und Akutbehandlung begründet wurden.
„Fakt ist, dass der gesetzliche Anspruch auf Kostenerstattung unverändert geblieben ist, wenn der Versicherte keinen Psychotherapieplatz bei einem Vertragspsychotherapeuten findet“, sagte Jeschke. Paragraf § 13 Absatz 3, Sozialgesetzbuch V (SGB V) besagt: „Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (….) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.“
Terminservicestellen ändern Sachlage nicht
„Die Einführung der Vermittlung der Terminservicestellen in Sprechstunde und Akutbehandlung hat an den Versorgungsproblemen nichts geändert“, erläuterte Nübling. Er verwies auf die Wartezeitenstudie der Bundespsychotherapeutenkammer von 2018, nach der Versicherte im Durchschnitt fünf Monate auf den Beginn einer Psychotherapie warten müssen.
Bei Antragsablehnung nannten die Krankenkassen laut der Studie den Versicherten Behandlungsalternativen. Klinikambulanzen (27 Prozent) standen dabei an erster Stelle, gefolgt von stationären Maßnahmen wie Psychosomatischer Reha, stationärer Psychiatrie (24 Prozent) oder dem Rat, sich an einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu wenden. „Die ersten beiden Alternativvorschläge sind deutlich teurer als eine ambulante Psychotherapie und konterkarieren zudem die Vorgabe ambulant vor stationär“, kritisierte Nübling.
Bedarfsplanung am regionalen Versorgungsbedarf ausrichten
„Der Gesetzgeber muss gewährleisten, dass gemäß § 13 Absatz 3 SGB V die Kostenerstattung für Psychotherapie in Privatpraxen weiterhin bewilligt wird“, erklärte der Berliner Kammerpräsident Krenz. „Wir fordern eine an den regionalen Versorgungsbedarfen ausgerichtete Bedarfsplanung, die sich am konkreten Behandlungsbedarf der Patienten orientiert“, betonte Heike Peper, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hamburg bei der Pressekonferenz. Chronifizierungen psychischer Störungen müssten vermieden werden.
„Es ist ein Unding, dass obwohl monatelange Wartezeiten auf Psychotherapie bestehen, der Weg der Kostenerstattung von Krankenkassen weitgehend abgelehnt wird“, kritisierte Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90 /Die Grünen. Die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass Versicherte zu ihrem Recht kommen und „nicht aus Gründen der Kostenersparnis“ von ihren Krankkassen abgewiesen werden, forderte sie.
„Lange Wartezeiten auf einen Termin beim Psychotherapeuten sind für Patienten ärgerlich und unter Umständen problematisch. Kern des Wartezeitenproblems ist, dass viele Psychotherapeuten nur Teilzeit für die GKV arbeiten, aber eine ganze Kassenzulassung besetzen“, sagte Ann Marini, stellvertretende Pressesprecherin des GKV-Spitzenverbandes auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts.
Es sei die Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen, die ambulante Versorgung sicherzustellen. Wo ihnen dies nicht gut gelinge, seien die TSS eine Hilfe für Patienten. „Die Versicherten haben nun einen verbrieften Anspruch darauf, innerhalb von vier Wochen nach Erstkontakt einen Termin für die psychotherapeutische Sprechstunde, die Akutbehandlung und auch die probatorische Sitzung zu erhalten“, erklärte Marini. © PB/aerzteblatt.de

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