Politik
Viele Flüchtlinge sind schwer traumatisiert
Dienstag, 30. Oktober 2018
Berlin – Rund drei Viertel der in Deutschland lebenden Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan sind nach Gewalterlebnissen traumatisiert. Das zeigt eine Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido), die heute veröffentlicht wurde.
Für die Analyse befragte das AOK-Institut bundesweit 2.021 Asylbewerber aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Aus diesen Ländern stammten mehr als die Hälfte aller Erstasylanträge zwischen Januar 2015 und Mai 2018. In diesem Jahr zählte das Statistikportal Statista 33.778 Asylanträge aus Syrien, 12.544 aus dem Irak und 7.667 aus Afghanistan. Alle Befragten waren mindestens 18 Jahre alt, bis zu zwei Jahre in Deutschland und lebten noch in Aufnahmeeinrichtungen.
In der Befragung gaben 74,7 Prozent der Schutzsuchenden aus den drei Ländern an, Gewalt in unterschiedlichen Formen persönlich erlebt zu haben. Frauen und Männer waren in etwa gleich betroffen. 60 Prozent der Befragten, die Angaben zu traumatischen Ereignissen gemacht haben, nannten Kriegserlebnisse, 40 Prozent Angriffe durch Militär oder Bewaffnete. Nur weniger als ein Viertel (22,5 Prozent) der Befragten hat keine dieser traumatischen Erfahrungen selbst erlebt.
Mehrfachtraumatisierungen sind dagegen häufig: 16,3 Prozent aller Befragungsteilnehmer gaben nur ein traumatisches Erlebnis an, 15,1 Prozent berichten von zwei Traumata und 12,5 Prozent geben drei Traumata an. 30,7 Prozent berichteten über mehr als drei traumatische Erlebnisse.
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Im Vergleich zu Asylbewerbern, denen diese Erfahrungen erspart geblieben sind, berichteten die Traumatisierten mehr als doppelt so häufig über körperliche und psychische Beschwerden. Dabei traten vor allem psychische Beschwerden wie Mutlosigkeit, Traurigkeit, Bedrückung (42,7 Prozent) und Nervosität, Unruhe (42,9 Prozent) auf. Erst danach folgten körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen (36,6 Prozent) oder Kopfschmerzen (36,4 Prozent).
„Geflüchtete müssen bei der Aufarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse angemessen unterstützt werden“, erklärte der stellvertretende Wido-Geschäftsführer Helmut Schröder. Dabei könnten auf Traumabehandlung spezialisierte Einrichtungen sowie Therapeuten helfen.
Zwei Drittel gingen zum Arzt
Das Wido erfasst mit seiner Befragung auch, wie die Geflüchteten die medizinische Versorgung in Deutschland erleben oder in Anspruch genommen haben. So haben zwei Drittel in den vergangenen sechs Monaten einen Arzt aufgesucht (68,3 Prozent), überwiegend wegen allgemeiner Gesundheits- und Vorsorgeuntersuchungen sowie akuter leichter Erkrankungen.
In der Arztpraxis oder im Krankenhaus stellen sprachliche Barrieren eine große Herausforderung dar. Mehr als jeder zweite Geflüchtete (56 Prozent) berichtet über große Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen. Ähnlich hoch (51 Prozent) ist der Anteil derer, die nicht wissen, welche Gesundheitsangebote ihnen überhaupt zur Verfügung stehen.
Aus Sicht des Wido sollten Schutzsuchende ab dem ersten Tag in Deutschland einen umfassenden Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten. Zudem müssten bürokratische und sprachliche Hemmnisse abgebaut sowie psychotherapeutische Angebote in der Traumabehandlung vorgehalten werden. Dabei seien insbesondere sprachliche Barrieren mitzuberücksichtigen. Hilfreich könnte es sein, geflüchtete Ärzte und Psychotherapeuten möglichst gezielt ins deutsche Gesundheitssystem einzugliedern, so das Wido.
„Neben einem sicheren Aufenthaltsstatus, einer passenden Unterkunft, sinngebender Beschäftigung und Freizeitangeboten kann Geflüchteten ein niedrigschwelliger Zugang zum Gesundheitssystem helfen, ihre gesundheitlichen Probleme besser zu bewältigen,“ erklärte Schröder. © afp/kna/may/aerzteblatt.de

Auf Trauma-Depressionen kann man kein Pflaster kleben
Heilungserfolgen ??? Tatsächlich hilft oft schon zuhören, Anteilnahme. Heilen kann man m.E. diese
seelischen Wunden nicht, aber bei vielen wächst im Laufe der Zeit Gras drüber, freilich mit dem Risiko,
dass es jederzeit wieder aufbrechen kann. Nach vorne schauen und die Zukunft erarbeiten, das könnte
für viele dieser Flüchtlinge die beste Hilfe sein - und raus aus den Massenquartieren der Erstaufnahme.

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