Politik
Qualitätssicherung: IQM-Kliniken wollen Risikoadjustierung einführen
Freitag, 2. November 2018
Berlin – Anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens haben die Mitglieder der Initiative Qualitätsmedizin (IQM) angekündigt, die Qualitätssicherung in ihren Krankenhäusern weiterentwickeln zu wollen, zum Beispiel in den Bereichen Risikoadjustierung und Zweitmeinung. „Bei besonders komplexen Krankheitsverläufen können die Ergebnisse mehr durch unterschiedliche Erkrankungsschwere und Risiken bedingt sein als durch Qualitätsunterschiede bei der Behandlung“, erklärte Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden und Mitglied des IQM-Vorstands. „Da nun veröffentlichte Behandlungsergebnisse zunehmend für Klinikvergleiche genutzt werden, müssen wir diese Risiken berücksichtigen und die veröffentlichten Kennzahlen entsprechend adjustieren.“
„Wir wollen das Thema Risikoadjustierung jetzt aktiv angehen und laden am 1. Februar 2019 alle Interessierten nach Berlin ein, um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie eine Risikoadjustierung gelingen kann und wie wir unsere Qualitätsindikatoren dann entsprechend weiterentwickeln können“, ergänzte der Geschäftsführer Medizin der Helios Health GmbH und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats IQM, Ralf Kuhlen.
Indikationsqualität durch Zweitmeinung stärken
Darüber hinaus wollen die IQM-Mitglieder ein Zweitmeinungsverfahren bei planbaren Eingriffen in den Mitgliedskliniken auf den Weg bringen. „Die Überprüfung der Indikationsqualität ist ein essenzieller Punkt der Qualitätsmessung in der Medizin, der aber nur ganz schwer mit einfachen Kennzahlen messbar ist“, betonte Peter Scriba, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates sowohl der Bundesärztekammer als auch von IQM. „Hier bietet die Zweitmeinung in Kombination mit den Peer Reviews eine exzellente Chance, die Indikation wie auch die Verfahrensauswahl abzusichern.“ Die Unabhängigkeit des Zweitmeiners soll bei IQM dadurch gewährleistet werden, dass er in einer anderen Mitgliedsklinik arbeitet.
„Wenn wir Patienten innerhalb der IQM-Mitglieder einen Zweitmeinungsgeber anbieten können, sorgen wir mit der bei IQM vorhandenen Trägervielfalt für eine unabhängige Zweitmeinung und setzen für IQM insgesamt als Qualitätsgemeinschaft ein äußerst positives Signal“, meinte der CEO der Helios Health GmbH und Vorstandspräsident von IQM, Franceso de Meo.
Die Patientenmeinung einbeziehen
„Zudem wollen wir künftig mehr die Meinung der Patienten mit einbeziehen“, erklärte Kuhlen. „Die Mortalitätsrate als Endpunkt zu nehmen, ist bei einer Hüft-OP nicht immer sinnvoll. Denn wenn ein Patient eine Hüft-OP überlebt, ist das ja nicht notwendigerweise ein Qualitätsbeweis. Deshalb wollen wir unsere Patienten fragen, wie das Ergebnis der Behandlung von ihnen wahrgenommen wird: Können sie wieder laufen, sind sie schmerzfrei, können sie wieder zur Arbeit gehen?“
IQM wurde im Jahr 2008 von den Helios-Kliniken, den Johannitern, der Medizinischen Hochschule Hannover, den Maltesern, den SRH-Kliniken, dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken, dem Universitätsspital Basel und der Ärztekammer Berlin gegründet. Als weitere Gründungsinitiatoren kamen 2019 zudem die Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Damp Holding AG, die Gesundheit Nordhessen Holding AG, das Klinikum Saarbrücken, das Klinikum St. Elisabeth Straubing und die Ludwig-Maximilians-Universität München dazu. Aus den 84 Mitgliedskliniken der Gründungsphase sind mittlerweile 475 Kliniken aus Deutschland und der Schweiz geworden.
Ziel von IQM ist es, anhand von Qualitätsindikatoren, die aus Routinedaten gewonnen werden, Auffälligkeiten in der Versorgung zu erkennen und diesen mithilfe von Peer-Review-Verfahren auf den Grund zu gehen.
Jonitz: IQM ist ein Vorzeigemodell
Der Präsident der Ärztekammer Berlin, Günther Jonitz, kritisierte, dass die Vorgaben des Gesetzgebers, zum Beispiel im Bereich der Krankenhausfinanzierung, die Patientenversorgung teurer und schlechter statt billiger und besser machten. „Dagegen müssen wir uns auf der Arbeitsebene wehren“, sagte Jonitz und bezeichnete IQM in diesem Zusammenhang als „Vorzeigemodell“. Wichtig sei dabei insbesondere der Kontakt vor Ort, denn nur durch solche Peer Reviews bestehe die Chance, dass sich in den Kliniken etwas verbessere. Die politischen Rahmenbedingungen hingegen seien eher qualitätsfeindlich.
Zudem kritisierte Jonitz, dass die Politik das Thema Qualität derzeit zur Strukturbereinigung im stationären Bereich missbrauche. Die kleinen Krankenhäuser müssten zur Schließung bewegt werden, habe ihm ein Politiker erzählt. Das sei nicht durch die DRGs gelungen. Deshalb solle es jetzt über die Qualität funktionieren. Mit dem Krankenhaus-Strukturgesetz hatte die Regierung 2016 auf den Weg gebracht, dass Krankenhäuser Abschläge zahlen müssen oder durch die Bundesländer aus dem Krankenhausplan herausgenommen werden können, wenn sie schlechte Qualität erbringen.
Verbesserungspotenziale bei der Dokumentation
Die Peer Reviewer von IQM werden auf der Basis eines Curriculums der Bundesärztekammer ausgebildet. Allein in diesem Jahr seien über 200 Peer-Review-Verfahren durchgeführt worden, erklärte der Leiter des Fachausschusses Peer Review, Jochen Strauß. Insgesamt gebe es mittlerweile fast 900 ausgebildete Reviewer.
In der Ausbildung „üben wir mit den Reviewern zum Beispiel die Gesprächskultur, denn es kann passieren, dass sie in den Krankenhäusern auf Angst oder auch auf Aggressionspotenzial stoßen“, sagte Strauß. „Sie lernen zu deeskalieren und Gesprächs- und Verhaltenskultur in die Kliniken zu bringen, damit offen und neutral über Fehler gesprochen werden kann.“ Je präziser die Fragestellung vor dem Peer Review sei, desto wahrscheinlicher sei es, dass man am Ende auch ein Ergebnis erziele.
Verbesserungspotenziale ergeben die Reviews Strauß zufolge vor allem im Bereich der Dokumentation sowie bei der interdisziplinären Zusammenarbeit und dem Antibiotikamanagement. © fos/aerzteblatt.de

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