Medizin
Leicht erhöhter Blutdruck vor dem 40. Lebensjahr steigert Herz-Kreislauf-Risiko
Mittwoch, 7. November 2018
Durham/North Carolina und Seoul – Haben die umstrittenen US-Leitlinien, die die Grenze für einen behandlungsbedürftigen Blutdruck auf 130/80 mmHg herabgesetzt haben, doch eine Berechtigung? 2 prospektive Kohortenstudien im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2018; 320: 1774-1782 und 1783-1792) kommen zu dem Ergebnis, dass ein nur leicht erhöhter Blutdruck bei jüngeren Menschen das Risiko auf spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen signifikant erhöht.
Die Leitlinie zur Behandlung der arteriellen Hypertonie, die das American College of Cardiology (ACC) und die American Heart Association (AHA) im letzten Jahr herausgegeben haben, betrifft vor allem jüngere US-Amerikaner. Der Anstieg des Blutdrucks beginnt nämlich bei den meisten Menschen (in westlichen Ländern) bereits vor dem 40. Lebensjahr. Viele erreichen den Grenzwert von 130/80 mmHg, ab dem die Leitlinie ACC/AHA-2017 eine medikamentöse Therapie empfiehlt (sofern das 10-Jahres-Risiko auf ein Herz-Kreislauf-Ereignis größer als 10 % ist). ACC/AHA-2017 hat laut Schätzungen in der Altersgruppe der unter 40-Jährigen die Zahl der behandlungsbedürftigen Hypertoniker verdreifacht.
Gerade wegen dieser „Medizinalisierung“ jüngerer Erwachsener sind die Empfehlungen unter Experten umstritten. Die European Society of Cardiology und die European Society of Hypertension (ESC/ESH) haben sich den US-Leitlinien nicht angeschlossen. Für sie besteht weiterhin erst ab einem Blutdruck von 140/90 mmHg eine behandlungsbedürftige Hypertonie.
2 prospektive Kohortenstudien haben jetzt untersucht, ob ein erhöhter Blutdruck bei jüngeren Menschen das Risiko auf spätere Herz-Kreislauf-Ereignisse erhöht. Yuichiro Yano von der Duke University in Durham/North Carolina und Mitarbeiter haben die Daten der CARDIA-Kohorte (Coronary Artery Risk Development in Young Adults) ausgewertet, die seit 1985 eine Gruppe von 4.851 Amerikanern afrikanischer und europäischer Herkunft begleitet. 1.194 Teilnehmer im Alter von durchschnittlich 35 Jahren hatten zu Beginn der Studie einen Blutdruck zwischen 130 und 139 mmHg systolisch oder 80 und 89 mmHg diastolisch. Sie erfüllten damit die Kriterien für eine arterielle Hypertonie vom Stadium 1 nach ACC/AHA-2017.
zum Thema
- Abstract der US-Studie in JAMA
- Abstract der Studie aus Südkorea in JAMA
- Pressemitteilung der Boston University School of Medicine
- Pressemitteilung des Duke University Medical Center
- Leitlinie ACC/AHA-2017
Deutsches Ärzteblatt print
- Europäische Hypertonie-Leitlinie 2018: Ein Spiegel der schwierigen Datenlage
- Arterielle Hypertonie: Das Leid mit den Leitlinien
- US-Hypertonie-Leitlinie: Ermessen steht vor Grenzwerten
aerzteblatt.de
In den folgenden 18,8 Jahren kam es in dieser Gruppe zwar nur zu 64 kardiovaskulären Ereignissen (Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall/transitorische ischämische Attacke oder periphere Verschlusskrankheit). Die Inzidenzrate war mit 2,74 pro 1.000 Personenjahre jedoch höher als bei den Teilnehmern mit einem normalem Blutdruck (1,37 Ereignisse pro 1.000 Personenjahre). Yano ermittelt eine Hazard Ratio von 1,67, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,01 bis 2,77 signifikant war.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt ein Team um Sang Min Park von der Nationalen Universität in Seoul. Die Forscher werteten die Daten von fast 2,5 Millionen Südkoreanern aus, die an den dort obligatorischen Check-Up-Untersuchungen teilgenommen hatten. Von diesen hatten 938.908 im Alter von durchschnittlich 32 Jahren eine arterielle Hypertonie im Stadium 1 nach ACC/AHA-2017. Wie in der US-Kohorte kam es bei diesen Personen in den folgenden 10 Jahren etwas häufiger zu Herz-Kreislauf-Ereignissen. Park ermittelt für Männer eine Hazard-Ratio von 1,25 (1,21-1,28) und für Frauen eine Hazard-Ratio von 1,27 (1,21-1,34). Auch diese Ergebnisse aus einem Land von der anderen Seite des Globus bestätigt im Prinzip die neue US-Leitlinie.
Die beiden Studien zeigen allerdings nur, dass ein leicht erhöhter Blutdruck bei jungen Erwachsenen bereits das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht. Unbeantwortet ist, ob eine medikamentöse Behandlung das Risiko senkt. Die meisten randomisierten Studien zur Hypertoniebehandlung wurden bei älteren Menschen durchgeführt, die ein höheres Risiko haben, und die Ergebnisse zeigen, dass die Behandlung das Risiko senkt, aber nicht vollständig aufhebt.
Der Nutzen einer medikamentösen Therapie könnte deshalb bei jüngeren Menschen geringer ausfallen als bei älteren Menschen oder bei Menschen mit einer Hypertonie vom Stadium 2. Der Editorialist Vasan Ramachandran von der Boston University School of Medicine gibt zu bedenken, dass nur wenige Menschen im Alter unter 40 Jahren, die sich meistens noch topfit fühlen, bereit sein dürften, mit einer lebenslangen medikamentösen Behandlung zu beginnen. © rme/aerzteblatt.de
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