Medizin
Neues Antibiotikum kuriert unkomplizierte Gonorrhö mit einer Tablette
Freitag, 9. November 2018
Birmingham/Alabama – Die Einmalgabe von Zoliflodacin, einem neuen oral verfügbaren Antibiotikum mit einem von Fluorchinolonen abweichenden Wirkungsmechanismus, hat in einer Phase-2-Studie im New England Journal of Medicine (2018; 379: 1846-1850) die meisten unkomplizierten Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae bei einer guten Verträglichkeit kuriert.
N. gonorrhoeae hat in den letzten Jahren eine Reihe von Resistenzen erworben, die die Behandlung der sexuell übertragenen Infektionen deutlich erschwert haben. Penicilline und Tetrazykline sind weitgehend wirkungslos, auch Fluorchinolone werden nicht mehr empfohlen. Zuletzt sind auch die minimalen Hemmkonzentrationen bei Cefixim gestiegen. Auch gegen das mittlerweile in Kombination mit Azithromycin eingesetzte Cephalosporin Ceftriaxon, das wegen fehlender oraler Verfügbarkeit intramuskulär verabreicht werden muss, sind erste Resistenzen aufgetreten.
Extensivresistente Stämme von N. gonorrhoeae könnten den „Tripper“ auch bei jungen Menschen zu einer kaum noch beherrschbaren Erkrankung machen. Neue Antibiotika werden dringend benötigt, zumal die Zahl der Gonorrhö-Erkrankungen weltweit gestiegen ist, seit eine HIV-Infektion kein tödliches Risiko mehr darstellt und wieder häufiger auf „Safer Sex“ verzichtet wird.
Das Antibiotikum Zoliflodacin, das die US-Firma Entasis Therapeutics aus Waltham bei Boston entwickelt hat, könnte hier eine wichtige Lücke schließen. Zoliflodacin hemmt die Typ-2-Topoisomerase der Bakterien auf andere Weise als Fluorchinolone, was eine rasche Entwicklung von Resistenzen verhindern könnte. Es hat in vitro eine gute Wirkung gegen N. gonorrhoeae (aber auch gegen Chlamydia trachomatis, Chlamydophila pneumonia, Mycoplasma genitalium und Ureaplasma-Spezies) gezeigt.
Zwischen November 2014 und Dezember 2015 wurde das neue Antibiotikum in einer „Open Label“-Studie an 5 US-Zentren erprobt. Teilnehmer waren 167 Männer und 12 Frauen im Alter von 18 bis 55 Jahren, die Anzeichen und Symptome einer urogenitalen Gonorrhö hatten, bei denen eine unbehandelte urogenitale Gonorrhö bestand oder die in den vorangegangenen 14 Tagen sexuelle Kontakte mit einer an Gonorrhö erkrankten Person hatten. Bei 141 Teilnehmern war wenigstens ein Abstrich von Urethra/Zervix, Rachen oder Rektum positiv.
Die Teilnehmer wurden auf eine Behandlung mit einer einzelnen oralen Dosis von 2 oder 3 Gramm Zoliflodacin oder auf eine intramuskuläre Dosis von 500 mg Ceftriaxon randomisiert. Wie das Team um Edward Hook von der Universität von Alabama in Birmingham berichtet, wurde im Urogenitalbereich mit der 2-g-Dosis von Zoliflodacin bei 55 von 57 Patienten (96 %) und mit der 3-g-Dosis bei 54 von 56 Patienten (96 %) eine mikrobiologische Ausheilung erzielt. Die intramuskuläre Gabe von Ceftriaxon kurierte die urogenitale Infektion bei allen 28 Patienten (100 %).
Die rektalen Infektionen wurden bei allen 12 Patienten kuriert, die 2 g oder 3 g Zoliflodacin eingenommen hatten, ebenso bei den 3 Patienten, die mit Ceftriaxon behandelt wurden.
Die Ergebnisse bei den Pharynx-Infektionen waren etwas schlechter: Die 2-g-Dosis von Zoliflodacin erreichte bei 4 von 8 Patienten (50 %) eine mikrobiologische Ausheilung. In der höheren Dosis von 3 g Zoliflodacin wurde dies bei 9 von 11 Patienten (82 %) erreicht. Ceftriaxon war bei allen 4 Teilnehmern (100 %) wirksam.
Die Verträglichkeit des neuen Antibiotikums scheint gut zu sein. Insgesamt wurden 84 unerwünschte Ereignisse berichtet: 24 in der Gruppe, die 2 g Zoliflodacin erhielt, 37 in der Gruppe, die 3 g Zoliflodacin erhielt, und 23 in der Gruppe, die mit Ceftriaxon behandelt wurde. Nach Einschätzung der Forscher waren insgesamt 21 unerwünschte Ereignisse auf Zoliflodacin zurückzuführen. Die meisten Nebenwirkungen betrafen den Gastrointestinaltrakt.
Zoliflodacin hat aufgrund der Ergebnisse von der US-Arzneimittelbehörde FDA eine „Fast Track“-Kennzeichnung erhalten, die ein beschleunigtes Zulassungsverfahren verspricht. Voraussetzung ist ein günstiger Ausgang der Phase-3-Studie, die der Hersteller im nächsten Jahr in den Niederlanden, Südafrika, Thailand und den USA beginnen will.
Das US National Institute of Allergy and Infectious Diseases, das die klinische Entwicklung des neuen Wirkstoffs sponsert, hat im März mit begleitenden Tests zur Pharmakokinetik begonnen. Im September wurde eine Phase-1-Studie zu den Auswirkungen von Zoliflodacin auf die Herzfunktion begonnen, ein, wie es heißt, Standardtest bei neuen Wirkstoffen dieser Art. © rme/aerzteblatt.de
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