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Politik

Wirbel um Krankenkassenklagen wegen Krankenhaus­abrechnungen geht weiter

Freitag, 16. November 2018

/emiliau, stockadobecom

Berlin – Die Klagewelle der Krankenkassen um Behandlungskosten nimmt immer größere Ausmaße an. Wie heute bekannt wurde, wurden auch beim Hamburger Sozialgericht in der vergangenen Woche mehrere Tausend Klagen gegen Kranken­häuser eingereicht. Damit wollten sie sich etwaige Erstattungsansprüche gegenüber den Kliniken sichern, teilte ein Sprecher des Sozialgerichtes Hamburg heute mit.

Die Krankenkassen fordern demnach in diesen Verfahren Rückzahlung von Vergü­tungen, die sie in den Jahren 2016 und davor für stationäre Behandlungen ihrer Mitglieder aus ihrer Sicht zu viel gezahlt haben. Es seien fast 3.000 derartige Klagen eingegangen, sagte der Sprecher. Die Zahl der Fälle sei jedoch weit größer, weil es sich um viele Sammelklagen mit zum Teil mehreren Hundert Abrechnungsfällen handele. Zum Vergleich: 2017 gingen insgesamt knapp 9.000 Klagen beim Sozialgericht ein. Bereits gestern wurde bekannt, dass in Bayern mehr als 14.000 Fälle, in Rheinland-Pfalz rund 15.000 Fälle bei den Sozialgerichten eingegangen waren.

Angesichts der Klagewelle der Krankenkassen um Behandlungskosten haben heute sowohl Vertreter der Kliniken als auch Krankenkassen ihr Vorgehen verteidigt. Der Klageweg sei in einem Rechtsstaat nicht verwerflich, teilte heute zum Beispiel die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland mit. Man müsse zum einen die Versorgung der Patienten im Auge haben und zum anderen verantwortungsvoll mit Versichertenbeiträgen umgehen.

Die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz hatte zuvor den Kassen rechtswidriges Verhalten vorgeworfen. Mit den Tausenden Klagen und indem sie laufende Rechnungen nicht bezahlten, verstießen sie „massiv gegen die Treuepflicht der Krankenkassen gegenüber ihren Vertragspartnern“. „Diese Vorgehensweise halten Krankenhäuser nicht lange durch“, warnte der Vorsitzende der Gesellschaft, Bernd Decker. Die Kliniken hätten einen Anspruch darauf, dass erbrachte Leistungen „zeitnah“ bezahlt würden.

Hintergrund des Streits ist das vergangene Woche vom Bundestag beschlossene Pflegepersonal-Stärkungsgesetz. Darin war die Verjährungsfrist für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung geleisteter Vergütungen von vier auf zwei Jahre verkürzt worden. Zugleich mussten die Krankenkassen Rückzahlungs­ansprüche aus der Zeit bis einschließlich 2016 noch kurzfristig bis zum 9. November erheben, um sie nicht zu verlieren.

Mit hinein spielt auch ein Urteil des Bundessozialgerichts vom Juni, wonach Kliniken bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten strenge Vorgaben einhalten müssen, etwa ein Zeitlimit für den Transport in eine Spezialklinik, um eine erhöhte Fallpauschale berechnen zu können.

Rheinland-Pfalz' Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) hatte angekündigt, binnen zwei Wochen alle Beteiligten zu einem runden Tisch einzuladen. Das begrüßte Decker von der Krankenhausgesellschaft, die nach eigenen Angaben die Interessen von 100 Krankenhäusern im Land vertritt.

Auch die AOK sieht in dem runden Tisch den „richtigen Weg“. Sie verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts. „Die gesetzliche Krankenversicherung ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts zwingend gehalten, die Rechtsprechung des obersten Bundesgerichts umzusetzen.“ Die Krankenhäuser stellten alleine auf die Erlössituation ab, daraus werde dann eine „Versorgungsproblematik“ hergeleitet. Bedauerlich sei, dass dies wiederum zu einer „Kurzschlussreaktion der Politik“ geführt habe. Die Kassen seien dadurch in eine Situation gebracht worden, innerhalb weniger Tage reagieren zu müssen, um nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt betont, dass das Bundessozialgericht nicht den Willen des Gesetzgebers umgesetzt habe. Dessen Urteil sollte mit der Fristverkürzung korrigiert, Krankenhäuser vor Belastungen geschützt und Sozialgerichte entlastet werden. Sollte sich herausstellen, dass die Zahl der Klagen zu einer erheblichen Belastung der Sozialgerichte führe, wolle man „geeignete Maßnahmen prüfen, um die Wirksamkeit der Regelung zu verbessern“, teilte eine Sprecherin von Spahn heute auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes mit.

© dpa/aerzteblatt.de

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