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Politik

Künstliche Intelligenz: Unterstützung für bessere ärztliche Entscheidungen

Dienstag, 20. November 2018

/sudok1, stockadobecom

Berlin – Digitalisierung, Automatisierung und Standardisierung bestimmen längst auch die Arbeit im Labor und verändern die Rolle des Arztes. Für die Diagnostik habe die Digitalisierung ein „unfassbar großes“ Potenzial, erklärte Michael Müller, 1. Vor­sitzender des Verbandes der Akkreditierten Labore in der Medizin gestern bei einer Diskussionsveranstaltung des Verbandes in Berlin. Dies gelte vor allem im Hinblick auf die Kommunikation zwischen verschiedenen Einrichtungen und auf der Basis von Standardisierung und strukturierten Daten. Davon könnten die elektronischen Systeme und insbesondere auch das Labor profitieren.

Müller erläuterte das am Beispiel Blutkrebsdiagnostik: Derzeit müsse das Labor einige Tausend Mal am Tag Blutproben auf Leukämieverdacht hin untersuchen. „Vor 15 Jahren haben wir das auch an einem Blutbildmessgerät untersucht, meistens per Hand“, erläuterte der Laborarzt. „Anhand des Geräteausdrucks konnten wir uns etwa 20 bis 25 Eigenschaften von Zellen angucken und haben gegrübelt: Kann das bösartig sein oder nicht. In Zweifelsfällen haben wir einen Blutausstrich gemacht, diesen gefärbt und anschließend mikroskopiert.“

Heute könne mit künstlicher Intelligenz (KI) etwa das Doppelte der Eigenschaften dieser Zellen erkannt und in medizinisch orientierte Algorithmen eingegeben werden. Dadurch lasse sich die Sicherheit der Diagnose deutlich besser absichern. „Wir können mehrere Tausende Male am Tag für die Patienten die Frage besser beantworten, ob es sich um Blutkrebs handelt.“ Die digitale Bildmorphologie trage dazu bei, die Eigenschaften der Blutzellen besser zu erkennen, doch „am Ende sind es immer Menschen, die die Plausibilisierung machen“, betonte er.

Ethisch-moralische Betrachtung notwendig

„Digitalisierung und die Nutzung und Anwendung von KI-basierten Systemen sind da. Sie werden implementiert und ausgerollt, und sie werden unser Leben und auch das Leben eines Arztes und die Arzt-Patienten-Beziehung verändern“, meinte Stephan Hofmeister, Stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Allerdings sei eine sorgfältige ethisch-moralische Betrachtung dieser Technologien eine Grundvoraussetzung, bevor sie bedenkenlos eingesetzt werden könnten. „Ob wir mithilfe von Algorithmen das Arzt-Patienten-Gespräch nachbauen sollten, und ob wir es überhaupt können“, sei allerdings zu diskutieren. Das anamnestische Gespräch, die Therapie und die Begleitung eines Patienten seien „ein hochkomplexes Geschehen, in dem jeder Arzt anderes handelt und jeder Patient anders reagiert“, so Hofmeister.

Unterstützung der KI integral in die ärztliche Arbeit einbinden

Algorithmen seien Kernarbeit ärztlicher Tätigkeit, etwa die Anamnese und die Befunderhebung zur Diagnose, erläuterte er. Es sei wichtig, dass Maschinen diese ärztliche Tätigkeit unterstützten, aber: „Medizin braucht aber den Menschen für das Nichtgesagte und das Nichtoffenbare“, betonte er.

Das Primat des Machbaren und hier „das angeblich Machbare der Nachahmung der Arzt-Patienten-Beziehung“ seien ein Irrweg. Möglicherweise könne die KI etwa anhand von Fotos mit einer höheren Treffsicherheit ein Melanom identifizieren, aber „die Diagnose stellt nachher der Pathologe.“ Zudem müsse diese Unterstützung durch KI integral in die ärztliche Arbeit eingebunden sein, forderte der KBV-Vorstand.

Symptomkonstellationen und medizinische Daten werden immer komplexer. Laut Ewelina Türk, Leiterin der medizinischen Wissensmodellierung bei Ada Health, die die App-basierte Gesundheitshelferin „Ada“ entwickelt hat, kann das menschliche Gehirn diese Komplexität nicht mehr erfassen.

Die KI-basierte App könne das „rationale Denken eines Menschen“ unterstützen. Das System sei nicht aus Daten, sondern aus Wissen aufgebaut, das Ärzte generiert und in eine maschinenlesbare Form gebracht hätten. Inzwischen seien mehr als acht Millionen Assessments (Anamnesen) weltweit durchgeführt worden, berichtete Türk. Diese werden halbautomatisiert verwendet, um die Wissensmodelle permanent weiter zu verbessern.

Vorstrukturierte Informationen für den Arzt

„Ada stellt keine Diagnosen, sondern liefert vorstrukturierte Informationen, damit der Arzt bessere Entscheidungen treffen kann“, betonte die Expertin. Innerhalb der nächsten fünf Jahre werde es sehr viele Länder geben, die „Ada“ als integralen Bestandteil der Gesundheitsversorgung nutzen werden, prognostizierte sie. Es gehe dabei nicht nur darum, dort Ärzte zu unterstützen, wo es Ärzte gebe, sondern Ada sei vor allem auch in Regionen, etwa in Entwicklungsländern, hilfreich, in denen die Menschen keinen Arzt konsultieren können.

Das vor sieben Jahren gestartete Unternehmen Ada Health finanziert sich bislang über private Investoren. Ziel sei es, die Vordiagnose, das Assessment, weiterhin gratis anzubieten, erläuterte Türk. In Kooperation mit Krankenkassen könnten ihr zufolge jedoch weitere KI-basierte Optionen und gesundheitsbezogene Navigationsfunktionen ins Spiel gebracht werden, so etwa der Verweis auf Behandler, die auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert sind, oder auf Onlineprogramme, etwa um Rückenschmerzen zu behandeln. Noch Ende November will das Unternehmen erste kassenfinanzierte Anwendungen vorstellen. © KBr/aerzteblatt.de

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