Politik
Korrekturen bei Heil- und Hilfsmittelausschreibungen geplant
Freitag, 30. November 2018
Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) will auf bestehende Probleme bei Ausschreibungen von Heil- und Hilfsmitteln reagieren. An das Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) soll ein Heil- und Hilfsmittelpaket mit Änderungen angehängt werden, wie gut informierte Kreise heute dem Deutschen Ärzteblatt bestätigten. Die Änderungsanträge befänden sich in Arbeit, hieß es.
Bereits beim Homecare-Management-Kongress des Bundesverbands Medizintechnik (BVMed), hatte Andreas Brandhorst, verantwortlicher Referatsleiter für den Hilfsmittelbereich im BMG, erklärt, bei Ausschreibungen müssten Unklarheiten konkretisiert werden. „Baustellen“ sieht Brandhorst vor allem bei der Klarstellung zur Zulässigkeit von Zweckmäßigkeitserwägungen im Zusammenhang mit Ausschreibungen zur Hilfsmittelversorgung sowie in der Konkretisierung von Versorgungen mit einem hohen Dienstleistungsanteil und der angemessenen Berücksichtigung von qualitativen Aspekten in Ausschreibungen.
Insgesamt machte Brandhorst „fünf gesetzliche Stellschrauben für die Qualität der Hilfsmittelversorgung“ aus. Dazu gehöre das Hilfsmittelverzeichnis, das Vertragsrecht, die Präqualifizierung, das Vertragscontrolling sowie die Beratung und Information der Versicherten. Noch im März hatte das BMG keinen Regelungsbedarf gesehen, aber angekündigt, die Entwicklung bei Heil- und Hilfsmittelausschreibungen im Augen zu behalten.
Auf dem BVMed-Kongress zeigte sich, dass auch Abgeordnete der Bundestagsfraktionen von Union, SPD, Grünen und FDP Handlungsbedarf sehen. Roy Kühne (CDU) warf den Krankenkassen, die noch Ausschreibungen in dienstleistungsintensiven Bereichen durchführen, vor, „seit zwei Jahren über rote Ampeln“ zu fahren. Das Heil- und Hilfsmittelgesetz (HHVG) selbst bezeichnete er als gut, es hapere an der Umsetzung.
Fortschritt, aber ...
Die SPD-Abgeordnete Martina Stamm-Fibich sagte, erforderlich sei in der Hilfsmittelversorgung ein angemessenes Dreieck aus Qualität, Preis und Dienstleistung. „Den Willen, den wir als Gesetzgeber hatten, den sehe ich noch nicht erfüllt“, erklärte sie. Einige Krankenkassen wollten wohl nicht richtig verstehen, dass der Gesetzgeber eine bessere Qualität sehen wolle. Grundsätzlich sieht sie das HHVG aber als Erfolg.
Auch Maria Klein-Schmeink (Grüne) betrachtet das HHVG grundsätzlich als Fortschritt. „Einige Elemente stiften Hoffnung, vor allem bei den Standards für dienstleistungsintensive Hilfsmittel“, so Klein-Schmeink. Aber es müsse nachgebessert werden. Das betreffe auch die Frage, welche Versorgungen als dienstleistungsintensiv gelten. Hier bedürfe es weiterer Konkretisierung.
Der FDP-Abgeordnete Wieland Schinnenburg bemängelt, dass in der Hilfsmittelversorgung „grundsätzlich einiges falsch“ laufe. Es dürfe nicht nur um den Preis gehen, sondern auch um Service und Versorgungsqualität. Der Patient müsse mehr Wahlfreiheit haben. Krankenkassen dürften auch nicht den Eindruck erwecken, als ob sie die Interessen der Patienten vertreten und die Patienten vor Leistungserbringern schützen müssten. Er sprach sich in einigen Hilfsmittelbereichen für Festpreise aus.
Antje Domscheit vom Bundesversicherungsamt (BVA) monierte, in der Praxis werde das Gebot, „in der Regel“ nicht mehr auszuschreiben, von den Krankenkassen nach wie vor nicht umgesetzt. „Viele Krankenkassen akzeptieren noch nicht, dass sie in der Vertragspraxis nicht mehr so frei sind wie früher. Krankenkassen sollten die Vorgaben des Gesetzgebers endlich akzeptieren“, stellte Domscheit klar. So sollten die Stomaversorgung, Versorgungen auch von Kindern mit lebenserhaltenden Beatmungsgeräten und Versorgungen mit CPAP-Geräten nicht mehr ausgeschrieben werden.
aerzteblatt.de
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Detlev Parow, Hilfsmittelexperte der DAK-Gesundheit, verteidigte die Vorgehensweise der Krankenkasse. Bei der Stomaversorgung gebe es etwa aus Sicht der DAK nicht bei allen Versichertengruppen einen hohen Dienstleistungsanteil. Ausschreibungen seien eine Option, Versorgungsverträge zu schließen, sagte er. Der rechtliche Rahmen und die aktuellen Grundsatzfragen würden aber für die Kasse vergabe-, sozial- und verwaltungsrechtliche Risiken bergen. Es gebe zahlreiche vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren, Klagen, aufsichtsrechtliche Verfahren sowie Verzögerungen und Untersagung der Vertragsabschlüsse.
BVA und DAK-Gesundheit streiten – wie auch BVA und andere Krankenkasssen – seit Anfang März über Ausschreibungen für die Stomaversorgung vor Gericht. Erst kürzlich hatte das Landessozialgericht (LSG) Hamburg der DAK-Gesundheit in einem Eilentscheid recht gegeben (Az.: L1 KR 34/18 KL ER). In der Eilentscheidung begründen die Richter die Entscheidung für die DAK-Gesundheit damit, dass der Rechtsbegriff „hoher Dienstleistungsanteil“ im Gesetz nicht genau bestimmt sei.
Aufgrund dieser Unklarheit erkenne das Gericht allenfalls eine abweichende Rechtsauffassung von BVA und DAK-Gesundheit in der Frage der Zweckmäßigkeit, jedoch keinen Verstoß der Krankenkasse, hieß es. Das BVA hatte argumentiert, dass die Stomaversorgung mit einem hohen Dienstleistungsanteil verbunden und daher nicht ausschreibungsfähig sei. Ein BVA-Sprecher erklärte dem Deutschen Ärzteblatt vorgestern, man sei weiterhin der Auffassung, „dass die Stoma Versorgung einen hohen Dienstleistungsanteil beinhaltet“. Die DAK-Gesundheit dürfe jedoch den Zuschlag erteilen. Die qualitätsmäßige Ausgestaltung der Versorgung bleibe abzuwarten.
Die DAK-Gesundheit betonte, sie sei der Auffassung, dass die Stoma-Ausschreibung der geltenden Rechtslage entspricht. „Dies wurde nun vom LSG Hamburg bestätigt“, erklärte ein Sprecher der Krankenkasse auf Nachfrage. Er betonte, die geplanten Qualitäts-, (Dienst-)Leistungs- und Serviceanforderungen der DAK-Gesundheit lägen „über den Vorgaben des Hilfsmittelverzeichnisses und damit deutlich über dem gesetzlichen Standard. © may/aerzteblatt.de

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