Medizin
US-Gynäkologen überschätzen den Nutzen der Eierstockkrebsfrüherkennung
Dienstag, 18. Dezember 2018
Berlin – Knapp 60 % der US-amerikanischen Gynäkologen empfehlen eine Eierstockkrebsfrüherkennung, obwohl deren Nutzen nicht belegt ist. Das zeigt eine Onlinestudie in Scientific Reports des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) mit mehr als 400 Gynäkologen in den USA (2018; doi: 10.1038/s41598-018-35585-z).
2 große randomisierte kontrollierte klinische Studien kamen in den zurückliegenden Jahren zu dem Schluss, dass die Eierstockkrebsfrüherkennung mittels Ultraschall oder Bluttests kein zusätzliches Leben rettet, aber zu einer unnötigen Eierstockentnahme bei gesunden Frauen führen kann. Aus diesem Grund würde die Früherkennung von medizinischen Fachgesellschaften nicht empfohlen, heißt es in einer Pressemitteilung des MPIB. Ihre Onlinestudie mit 401 US-amerikanischen Gynäkologen zeigte nicht nur, dass mehr als die Hälfte die Früherkennung dennoch empfehlen. Die Mehrzahl der Befragten kannte den tatsächlichen Nutzen beziehungsweise Schaden der Früherkennung nicht. Eine umfassende Aufklärung der Patienten könnten sie demnach nicht leisten, schlussfolgern die Autoren der Studie.
Ein Grund für die falsche Vorstellung der Effektivität von Krebsfrüherkennungen sei, dass viele Ärzte in ihrer Ausbildung nur unzureichend auf die Interpretation der Statistiken für die Nutzen- und Schadenbeschreibung vorbereitet würden, sagt Erstautorin Odette Wegwarth, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des MPIB und verweist auf diverse Studien, die auch mit deutschen Gynäkologen durchgeführt wurden (Patient Education and Counseling 2011, Current HIV Research 2015).
Nur knapp die Hälfte revidieren ihre falsche Einschätzung
Im Rahmen der Studie untersuchten die Wissenschaftler zudem, ob die Ärzte ihre fehlerhafte Nutzen- beziehungsweise Schadeneinschätzung revidierten, nachdem sie die aktuelle Evidenz in einer leicht verständlichen Form präsentiert bekamen. Ein Großteil der Gynäkologen überschätzte den Nutzen und unterschätzte den Schaden der Früherkennung. Je nach Frage waren dies 45 bis zu 97 % der Befragten.
Die Fehleinschätzung war besonders bei jenen knapp 60 % der Teilnehmer ausgeprägt, die die Früherkennung routinemäßig empfahlen. Das Präsentieren einer evidenzbasierten, leicht verständlichen Faktenbox führte dazu, dass 52 % ihre fehlerhaften Schätzungen revidierten; 48 % jedoch nicht. „Alle erreichen wir mit einer transparenten Darstellung offenkundig nicht. Die Gründe hierfür gilt es, weiter zu erforschen“, sagt Wegwarth.
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Dass die Studie mit US-amerikanischen Gynäkologen durchgeführt wurde, bedeutet für die Autoren nicht, dass die Problematik nur auf das amerikanische Gesundheitssystem begrenzt ist. „Wir haben eine fundierte Studienlage dazu, dass auch deutsche Ärzte und Ärztinnen einen mangelhaften Kenntnisstand haben, wenn es um screeningbezogene Statistik und die Effektivität von Früherkennungen geht. Eine Stärkung der evidenzbasierten Medizin in der Praxis ist deshalb nur erreichbar, wenn wir Ärzte bereits in der Ausbildung auf den Umgang mit Statistik vorbereiten“, sagt Wegwarth. © idw/gie/aerzteblatt.de
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