Medizin
Opioide bei chronischen Nichtkrebs-Schmerzen nur begrenzt wirksam
Donnerstag, 20. Dezember 2018
Hamilton/Ontario – Die Effektivität von Opiaten in der Schmerztherapie wird von vielen Ärzten überschätzt. Bei Patienten mit chronischen Schmerzen, die nicht durch Krebserkrankungen ausgelöst werden, kommt es laut einer Metaanalyse im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2018; 320: 2448-2460) nur zu einer geringen Linderung der Schmerzen und einer leichten Verbesserung der körperlichen Lebensqualität.
In den USA soll es derzeit 11 bis 12 Millionen Opiatsüchtige geben. Viele haben ihre ersten „Drogenerfahrungen“ durch ein Schmerzmittelrezept gemacht, das ihnen der Arzt ausgestellt hat. Die Ausweitung der Indikation der suchterzeugenden Morphinderivate, die lange Zeit für Krebspatienten reserviert waren, auf andere Schmerzpatienten, gilt als wichtige Ursache der derzeitigen Opioidkrise.
Das Problem besteht darin, dass Opioide häufig für Schmerzerkrankungen verordnet werden, bei denen die Wirkung gering ist. Dies sind vor allem Patienten mit chronischen Schmerzen, die nicht durch eine Krebserkrankung ausgelöst werden.
Ein Team um Jason Busse von der Michael G. DeGroote School of Medicine in Hamilton/Ontario hat in einer Metaanalyse die Ergebnisse aus 96 randomisierten klinischen Studien mit 26.169 Schmerzpatienten zusammengefasst.
Ergebnis: Die Opioide zeigten einzig auf die Schmerzintensität und die körperlichen Funktionen als Bestandteil der Lebensqualität eine signifikante Wirkung. Die Vorteile gegenüber Placebo waren jedoch gering. Bei der Schmerzintensität betrug der Unterschied nur 0,69 cm von 10 cm auf einer visuellen Analogskala. Einen Vorteil von 1 cm, der als klinisch relevant eingestuft wird, erreichten nur 11,9 % der Patienten (95-%-Konfidenzintervall 9,7 bis 14,1 %). Das bedeutet, dass nur etwa jeder achte Patient eine bessere Schmerzlinderung erfuhr als unter einem Placebo.
Bei der körperlichen Funktion, die über den Fragebogen SF-36 zur Lebensqualität ermittelt wird, betrug der Vorteil gegenüber Placebo nur 2,04 von insgesamt 100 Punkten. Eine Verbesserung um 5 Punkte, die als klinisch relevant eingestuft wird, erreichten nur 8,5 % der Patienten (5,9 bis 11,2 %). Nur jeder elfte Patient erzielte damit eine Verbesserung der körperlichen Funktion. Für die anderen Komponenten der Lebensqualität wie emotionale Funktion, Rollenfunktion oder soziale Funktion wurden in den Studien keine signifikanten Vorteile durch Opioide gefunden.
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In den Studien war ein breites Spektrum an Opioiddosen (von 7,5 mg bis 242,7 mg orales Morphin-Äquivalent) eingesetzt worden. Laut Busse wurde kein Hinweis gefunden, dass eine höhere Dosis eine bessere Wirkung erzielt.
Wie erwartet steigerten die Opioide die Zahl der Patienten, bei denen es zum Erbrechen kam, von 2,3 % in der Placebo-Gruppe auf 5,9 % in der Opioid-Gruppe.
Für den Editorialisten Michael Ashburn vom Penn Pain Medicine Center in Philadelphia zeigen die Ergebnisse, dass die meisten Nichtkrebs-Patienten, denen Opioide zur Behandlung von chronischen Schmerzen verschrieben werden, von diesen Medikamenten nicht profitieren. Viele Ärzte würden möglicherweise auf die fehlende Wirkung mit einer Dosissteigerung reagieren, anstatt die Verwendung des Arzneimittels zu überdenken.
Ein Grund für die häufige Verordnung könnte nach Einschätzung von Ashburn eine gewisse Bequemlichkeit der Therapeuten sein. Ein Opioidrezept auszustellen, dauere nur wenige Minuten. Für die Beratung zu anderen nichtmedikamentösen Methoden der Schmerzlinderung wie Physiotherapie, kognitive Verhaltenstherapie, achtsame Meditation, Yoga oder Tai Chi nähmen sich viele Ärzte offenbar nicht die Zeit, kritisiert Ashburn. © rme/aerzteblatt.de
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