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Yokohama/Japan – Ein Gentest könnte in Zukunft vorhersagen, ob ein Patient ein Medikament verträgt oder ob mit einer schweren Leberschädigung gerechnet werden muss. Die Grundlagen für den „polygenen Risikoscore“ wurden jetzt in Nature Medicine (2020; DOI: 10.1038/s41591-020-1023-0) vorgestellt.
Eine arzneimittelinduzierte Hepatotoxizität („drug-induced liver injury“, DILI) gehört zu den am meisten gefürchteten Arzneimittelnebenwirkungen. Das Risiko kann, weil es oft nur wenige Patienten betrifft, in klinischen Studien leicht übersehen werden. In der Vergangenheit mussten häufiger Medikamente vom Markt genommen werden, weil es zu schweren Leberschäden kam.
Das jüngste Beispiel ist der Progesteron-Rezeptor-Modulator Ulipristal, der bei längerer Einnahme zu schweren Leberschäden geführt hat und deshalb seit März nicht mehr eingesetzt werden darf. Die Europäische Arzneimittel-Agentur hat der Europäischen Kommission dieser Tage zu einem Verbot geraten.
Ein anderes Beispiel ist das Antidiabetikum Fasiglifam, dessen klinische Entwicklung im Jahr 2014 gestoppt wurde, nachdem es bei einigen Patienten in der Phase 3-Studie überraschenderweise zu schweren Leberschäden gekommen war.
Ein Grund für die schwere Vorhersehbarkeit sind die komplexen Stoffwechselwege in der Leber, die sehr stark genetischen Einfüssen unterliegen. Ein Team um Takanori Takebe von der Städtischen Universität Yokohama/Japan hat jetzt einen „polygenen Risikoscore“ entwickelt, der die Vorhersage einer DILI erleichtern soll.
Der Score wurde durch die erneute Analyse von hunderten genomweiter Assoziationsstudien (GWAS) entwickelt. In diesen Studien waren etwa 20.000 Genvarianten entdeckt worden, die das Risiko einer DILI beeinflussen.
Die Forscher haben den „polygenen Risikoscore“ an mehr als einem Dutzend Medikamenten getestet: Er war dort in der Lage, zu erkennen, ob bei einem Patienten nach der Behandlung mit Cyclosporin, Bosentan, Troglitazon, Diclofenac, Flutamid, Ketoconazol, Carbamazepin, Amoxicillin-Clavulanat, Methapyrilen, Tacrin, Paracetamol oder Tolcapon das Risiko auf eine Leberschädigung erhöht ist.
Ärzte können den Test, falls er denn zugelassen würde, nutzen, um Patienten mit einem höheren Risiko für Leberschäden zu identifizieren, bevor sie die Medikamente verschreiben. Die Ergebnisse des Tests könnten den Arzt veranlassen, die Dosierung zu ändern oder häufigere Nachuntersuchungen durchzuführen, um frühe Anzeichen von Leberschäden zu erkennen, oder ganz auf die Medikamente zu verzichten.
Die Tests könnten die Arzneimittelentwicklung sicherer machen. Denkbar wäre auch, dass Mittel wie Ulipristal weiter eingesetzt oder Fasiglifam zugelassen würden, wenn es möglich wäre, mit einem „polygenen Risikoscore“ die Patienten zu identifizieren, die die Mittel nicht einnehmen dürfen, weil sie ihrer Leber schaden. © rme/aerzteblatt.de
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