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Berlin – Die Europäische Union (EU) plant eine neue Verordnung zur Herausgabe von elektronisch gespeicherten Daten an Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten – wie etwa Staatsanwaltschaften. Das kann auch Ärzte und deren Patientendaten betreffen.
Die Bundesärztekammer (BÄK) mahnt nun in einem Schreiben an die Bundesministerien für Gesundheit sowie Justiz dringend Änderungen an der Verordnung an. Der Brief von BÄK-Präsident Klaus Reinhardt, der auch an die Ständige Vertretung Deutschlands bei der EU sowie die Berichterstatter im Europäischen Parlament gegangen ist, liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Demnach besteht laut BÄK durch die geplante „Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherheitsanordnungen (COM(2018)225)“ in der vorgeschlagenen Form die Gefahr, dass Patienteninformationen, die nach Paragraf 53 Strafprozessordnung geschützt sind, erlangt und in Strafverfahren verwendet werden.
Wie die BÄK betont, könnte ein „Herausgabeverlangen“ somit Informationen zu ärztlichen Eingriffen betreffen, die im EU-Land, das die Daten anfordert, strafbar sind. Das könne etwa unter bestimmten Umständen zum Beispiel für Schwangerschaftsabbrüche gelten, heißt es.
Zwar soll nach dem Verordnungsentwurf die ausstellende Behörde im Regelfall die Daten direkt vom Kunden des Diensteanbieters, also der Gesundheitseinrichtung wie etwa eine Arztpraxis, anfordern. Diese könnte sich dann auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.
Allerdings soll es auch die Möglichkeit geben, die Daten direkt vom Diensteanbieter anzufordern, wie die BÄK betont. Die Gesundheitseinrichtungen würden dann gar nicht mehr gefragt und könnten sich auch nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Dieser Weg ermöglicht es dann laut BÄK, dass das Arzt-Patienten-Geheimnis unterlaufen werden kann.
„Was als Ausnahmefall gedacht ist, droht in der Praxis zum Regelfall zu werden, da keine klaren und abschließenden Bedingungen für die direkte Anordnung gegenüber dem Diensteanbieter vorgesehen sind“, moniert die BÄK. Zudem sei eine Anordnung gegenüber dem Diensteanbieter aus behördlicher Sicht schneller und erfolgversprechender, da mit einem Einspruch nicht zu rechnen sei.
Die in der Verordnung vorgesehenen Mechanismen zum Schutz des Berufsgeheimnisses hält die BÄK für „unzureichend“. Grund sei, dass klare Kriterien für die Anwendung fehlten. Die Verordnung ist aus Sicht der BÄK geeignet, das Vertrauen in die Arzt-Patienten-Beziehung zu schädigen.
„Patientinnen, Patienten und Angehörige der Heilberufe müssen befürchten, sensible Daten dem behördlichen Zugriff noch besser verfügbar zu machen, wenn sie digitale Angebote im Gesundheitsbereich wie elektronische Patientenakten oder Instrumente im Zusammenhang mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraum nutzen“, schreibt die BÄK. Die Akzeptanz solcher digitaler Lösungen, die man grundsätzlich unterstützen, stehe auf dem Spiel.
Die BÄK mahnt an, dass gesicherte Netzwerke und Infrastrukturen, die im öffentlichen Auftrag für die Speicherung oder den Austausch von Patientendaten für Angehörige der Gesundheitsberufe, Patienten, staatliche Gesundheitssysteme oder Krankenversicherungen konzipiert worden sind, von der neuen Verordnung nicht umfasst sein sollten.
Seit Anfang 2021 versuchen der BÄK zufolge Europäisches Parlament und EU-Rat, in „Trilog“-Verhandlungen einen Kompromiss über den Vorschlag zu erzielen. Der Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2020 enthält wesentliche Verbesserungen, gegen die es jedoch im EU-Rat erhebliche Widerstände mehrerer Mitgliedstaaten gibt. Die BÄK hat Ärzteorganisationen und Verbände dazu aufgerufen, sie bei ihrem Anliegen zu unterstützen. © may/aerzteblatt.de
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