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Bethesda/Maryland – Die absichtliche Infektion mit einem gentechnisch veränderten Adenovirus, das auf seiner Oberfläche das Hämagglutininprotein von Influenzaviren trägt, hat in einer Phase-1-Studie einen Immunschutz gegen Grippeviren erzielt, der nach der Publikation im Journal of Clinical Investigation (2021; DOI: 10.1172/JCI140794) über mehrere Jahre anhielt.
Die derzeitigen Impfstoffviren, die umständlich in Hühnerembryonen gezüchtet und danach inaktiviert werden, erzielen bei der Grippe nur eine begrenzte Wirkung, die zudem in der Regel nur für eine Saison anhält. Eine Alternative könnten rekombinante Viren ein, die sich relativ schnell produzieren lassen und zudem nur in geringer Menge verimpft werden müssten, wenn sie anders als die derzeitigen Viren replikationsfähig wären.
Die Firma Emergent Biosolutions Inc. aus Gaithersburg/Maryland experimentiert mit Adenoviren, von denen viele für den Menschen harmlos sind. Das Adenovirus Typ 4 (Ad4) beispielsweise kann sich auf den Schleimhäuten der Atemwege vermehren, es gelangt allerdings niemals in den Kreislauf und löst anders als Grippeviren auch keine Pneumonie aus.
Adenoviren lassen sich mit Genen anderer Viren bestücken, deren Proteine sie dann produzieren. Das Virus Ad4-H5-Vtn, das ein Team um Mark Connors vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Bethesda/Maryland untersucht hat, ist beispielsweise mit dem Gen für Hämagglutinin ausgestattet, mit dem Grippeviren an den Zellen der Atemwege binden. Antikörper gegen Hämagglutinine sind das Ziel aller Grippeimpfstoffe. Je höher die Menge der Antikörper (Titer) desto besser die Schutzwirkung.
Das Virus Ad4-H5-Vtn hat jetzt in einer Phase-1-Studie hohe Antikörpertiter erreicht, die zudem über einen längeren Zeitraum gebildet wurden. Die starke Immunreaktion wurde durch die absichtliche Infektion der Atemwege mit dem Adenovirus erzielt (Im Gegensatz zu einigen adenovirusbasierten Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 ist Ad4-H5-Vtn replikationsfähig).
Das Virus breitet sich für einige Zeit in den oberen Atemwegen aus, bis das Immunsystem eine ausreichende adaptive Immunantwort aufgebaut hat mit B-Zellen, die Antikörper produzieren, und T-Zellen, die infizierte Zellen zerstören. Da Ad4-H5-Vtn auf ihrer Oberfläche Hämagglutinine haben, richtet sich die Immunantwort auch gegen die Grippeviren.
Die Forscher haben den Impfstoff in den Phase-1-Studien bei 28 Studienteilnehmern intranasal gegeben und bei 25 Teilnehmern bei einem Rachenabstrich appliziert. Die übrigen 10 Teilnehmer nahmen den Impfstoff über eine Kapsel oral zu sich.
Die stärkste Wirkung wurde in den ersten beiden Gruppen erzielt. Der Antikörpertiter stieg auf über 1:1.000, was deutlich über der Schwelle von 1:50 liegt, die bei konventionellen Impfstoffen zu 50 % vor einer Grippe schützen (Die Forscher haben allerdings nicht untersucht, ob die Probanden tatsächlich vor einer Influenza gefeit waren).
Die Antikörpertiter blieben 3 bis 5 Jahre erhöht. Sollte der Immunschutz so lange anhalten, wäre dies ein weiterer Vorteil gegenüber den derzeitigen Impfstoffen. Da die Impfstoffviren sich auf der Schleimhaut vermehren, werden nur geringe Dosierungen benötigt, was laut Connors die Produktion von Impfstoffen beschleunigen könnte. Dass der Immunschutz über die IgA-Antikörper auch die Schleimhaut abdeckt, könnte die Schutzwirkung zusätzlich erhöhen.
Der Einsatz von replikationsfähigen Viren hat aber auch Nachteile. Diese sind zwar harmlos – das US-Militär hat zeitweise Soldaten damit geimpft, ohne dass Komplikationen bemerkt wurden. Geimpfte Personen könnten die Viren jedoch auf andere Menschen übertragen, was bei genetischveränderten Viren zu ethischen Einwänden führen könnte.
Die Dauer der Infektion war laut Connors jedoch auf 2 bis 4 Wochen beschränkt, und die Viren aus den Abstrichen waren nur am 1. Tag in der Lage, Zellkulturen (und damit im Prinzip auch andere Menschen) zu infizieren. © rme/aerzteblatt.de
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