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London – Eine Tuberkuloseimpfung mit der BCG-Vakzine, die in vielen ärmeren Ländern üblich ist, hat in einer randomisierten Studie in Uganda Neugeborene auch vor anderen Infektionen geschützt, was die Forscher in Lancet Infectious Diseases (2021; DOI: 10.1016/S1473-3099(20)30653-8) auf eine epigenetische Reprogrammierung zurückführen.
Die Idee, dass Impfungen Säuglinge nicht nur vor den Erkrankungen schützen, gegen die die Vakzine gerichtet ist, ist nicht neu. So war aufgefallen, dass in Regionen, in denen gegen Masern, Polio oder Tuberkulose geimpft wird, die Sterblichkeit auch an anderen Infektionserkrankungen zurückgeht. Die Forschung führt dies auf eine unspezifische Aktivierung des Immunsystems zurück. Ein endgültiger Beweis durch eine größere randomisierte Studie stand jedoch noch aus.
Britische Forscher haben in den letzten Jahren in Uganda 560 Neugeborene auf eine sofortige BCG-Impfung oder auf eine Verschiebung der Impfung auf die 6. Lebenswoche randomisiert. Uganda gehört zu den Ländern, in denen alle Säuglinge gegen Tuberkulose geimpft werden, weil die Erkrankung dort noch weit verbreitet ist. Gleichzeitig sind Infektionskrankheiten in den ersten Lebenswochen dort sehr häufig. Es bestanden deshalb gute Chancen, eine unspezifische Schutzwirkung nachzuweisen. Dies sollte auch gelingen.
Wie Sarah Prentice von der London School of Hygiene & Tropical Medicine und Mitarbeiter einer Klinik in Uganda berichten, erkrankten in der Gruppe, die gleich nach der Geburt geimpft wurde, 98 Säuglinge in den ersten 6 Wochen an einer ärztlich bestätigten Infektion (außer Tuberkulose) gegenüber 129 Säuglingen in der Gruppe, die die BCG-Impfung erst später erhielt. Die Hazard Ratio von 0,71 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,53 bis 0,95 signifikant.
Interessanterweise scheint der Vorteil bei Jungen (Hazard Ratio 0,57; 0,36 bis 0,89) stärker zu sein als bei Mädchen (Hazard Ratio 0,87; 0,59 bis 1,27). Die stärkste Schutzwirkung bestand bei Frühgeburten (Geburtsgewicht unter 2.500 Gramm) mit einer Hazard Ratio von 0,10 (0,01 bis 0,75), was einen Rückgang um 90 % bedeuten würde (der angesichts des weiten Konfidenzintervalls aber auch geringer ausfallen könnte).
Die Forscher haben auch untersucht, welche Veränderungen im Immunsystem für die unspezifische Schutzwirkung verantwortlich sein könnten. Eine frühere Studie aus den Niederlanden hatte auf eine veränderte epigenetische Programmierung hingewiesen. Die britischen Forscher können dies jetzt bestätigen. Die DNA-Methylierung war an einer Stelle verändert, die die Genaktivität für die Produktion mehrerer Zytokine der angeborenen Immunantwort steuern. Dies könnte bedeuten, dass das Immunsystem der Säuglinge nach einer Infektion schneller reagiert und die Erreger besser abwehren kann.
Die Studie hat einen Bezug zu SARS-CoV-2. Im letzten Jahr hatten Forscher aus den Niederlanden vorgeschlagen, mangels eines effektiven Impfstoffes gefährdete Menschen mit BCG zu impfen, um dadurch das Abwehrsystem gegen SARS-CoV-2 zu stärken. Da es inzwischen effektive Impfstoffe gibt, ist die Idee wieder in den Hintergrund geraten. © rme/aerzteblatt.de
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