/PixieMe, stockadobecom
Berlin – Die Schadensfälle bei klinischen und außerklinischen Geburten durch freiberufliche Hebammen schwankten zwischen 2004 und 2014 zwischen sechs und 31 Fällen pro Jahr. Im Mittel wurden rund 20 Geburtsschäden pro Jahr an die Berufshaftpflicht freiberuflicher Hebammen gemeldet worden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag unter Berufung auf Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor. Die Antwort liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Genauere Zahlen zu Schadensfällen bei Geburten gibt es der Bundesregierung zufolge nicht. Das gelte sowohl für angestellte Hebammen in Krankenhäusern, als auch für Schäden bei Hausgeburten. Zur Einordnung: Zwischen 2004 und 2014 wurden in Deutschland rund 7,6 Millionen Kinder geboren.
Mehr Kooperation, mehr Personal notwendig
„Geburtsschäden sind glücklicherweise selten, könnten aber häufiger vermieden werden“, erklärte Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen im Bundestag, die die Kleine Anfrage gestellt hatte. Sie macht Stellschrauben für die Prävention von Geburtsschäden in einer besseren Kommunikation zwischen den Berufsgruppen und ausreichend Personal aus. „Das sind genau die Strukturverbesserungen, die generell die Geburtshilfe für alle Frauen verbessern würden. Doch Gesundheitsminister Spahn fehlt es offensichtlich an dem Willen, diese Strukturprobleme endlich zu beheben“, sagte sie.
Kappert-Gonther fordert ein nationales Aktionsprogramm zur Verhinderung von Geburtsschäden. Darin müssten zum Beispiel Leitlinien für die Geburtshilfe, Kommunikationsregeln und Personalschlüssel festgelegt werden. Ein solches Programm sollte auch die Einführung eines Geburtsschädenregisters umfassen. „Das BMG muss endlich schlüssige Konzepte zur Reform der Hebammenausbildung vorlegen“, so die Grünen-Politikerin.
Die Bundesregierung verwies hingegen darauf, dass es nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, für die Datenerhebung zu sorgen. So sei die Einführung eines Geburtsschadensregisters bereits im Zuge der Haftungsbegrenzung bei Hebammen diskutiert worden, schreibt Thomas Gebhart, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Allerdings bestehe keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das BMG habe „keine Aufsicht“ über die Angehörigen von Gesundheitsberufen wie Hebammen oder Ärzten und Krankenhäuser. „Hier sind ausschließlich die Länder zuständig“, so Gebhardt.
zum Thema
Deutsches Ärzteblatt print
aerzteblatt.de
Verbesserungsbedarf in der Geburtshilfe sieht die Bundesregierung wie Kappert-Gonther zwar auch bei der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe. Der interprofessionellen Zusammenarbeit in der Geburtshilfe komme eine wichtige Bedeutung zu, heißt es in der Antwort. In der Pflicht stünden allerdings die Akteure im Gesundheitswesen. Die Verbesserung der Zusammenarbeit wie die Durchführung interdisziplinärer und intersektoraler Fallbesprechungen liege in der Organisationshoheit der Krankenhäuser.
Bei der vielfach in die Kritik geratene Höhe und den Anstieg der Prämien für Haftpflichtversicherungen bei Ärzten und Hebammen in der Geburtshifle, sieht die Bundesregierung keinen Korrekturbedarf, wie die Antwort weiter zeigt. Man beobachte die jeweilige Entwicklung der Haftpflichtversicherung im Gesundheitswesen, schreibt das Ministerium.
Belegärztliche Leistungen seien derzeit im Bewertungsausschuss Thema. Die Finanzierungsgrundlage der Geburtshilfe durch Belegärzte zu überprüfen, sei Teil des Koalitionsvertrags von Union und SPD. Bei den Hebammen habe die Große Koalition bereits reagiert. So habe es Vergütungsanhebungen gegeben. Auch seien Regresse der Kranken- und Pflegekassen gegen Hebammen in bestimmten Fällen ausgeschlossen worden. Diese habe zu einer deutlichen Verbesserung der Situation der freiberuflichen Hebammen geführt, schreibt Gebhardt.
Anstieg um sieben, sechs und fünf Prozent
Er betonte, die Prämiensteigerungen seien zuletzt „verhältnismäßig niedrig“ ausgefallen. Den Angaben zufolge seien die Prämien zum 1. Juli 2018 um sieben Prozent auf 8.173 Euro pro Jahr angehoben worden. Zum 1. Juli 2019 sei eine Erhöhung um sechs Prozent auf 8.664 Euro geplant. Am 1. Juli 2020 werde die Haftpflicht um weitere fünf Prozent teurer und koste dann 9.097 Euro pro Jahr, wie das BMG mitteilt. Die Haftpflichtsumme habe sich zum 1. Juli 2018 auf zehn Millionen Euro erhöht.
Wie die Bundesregierung weiter schreibt, ist der Kostenanstieg bei den Prämien auf die Kostenentwicklung bei der Regulierung der Schadensfälle zurückzuführen. „Diese ist maßgeblich vom medizinisch-technischen Fortschritt und der Rechtsprechungspraxis der Gerichte in Haftungsfällen abhängig“, heißt es weiter. Einen Haftungsfonds, wie ihn unter anderem die Linke fordert, lehnt die Bundesregierung weiter ab. Das würde von den Grundprinzipien des deutschen Haftungsrechts abweichen, wonach derjenige, der einen Schaden schuldhaft verursache, auch für seine Kompensation individuell verantwortlich sei. © may/aerzteblatt.de
Leserkommentare
Um Artikel, Nachrichten oder Blogs kommentieren zu können, müssen Sie registriert sein. Sind sie bereits für den Newsletter oder den Stellenmarkt registriert, können Sie sich hier direkt anmelden.