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Berlin – Der nicht invasive Pränataltest (NIPT) soll künftig in Ausnahmefällen zur Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Eine verpflichtende Information für Versicherte, die das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erstellt hat, gerät vor dem finalen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Versicherteninformation unter Beschuss.
Diese Versicherteninformationen, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen, bestehen aus einem Flyer und einer Broschüre. Ziel ist es darüber, Schwangere neutral über die NIPT aufzuklären. In der Broschüre heißt es etwa, dass die NIPT „nicht zu den allgemein empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft“ gehört.
Der Test werde auch nur dann von den Krankenkassen bezahlt, wenn Schwangere und Arzt gemeinsam entschieden hätten, dass der Test für die Schwangere sinnvoll sei. Das hänge vor allem von der persönlichen Situation ab. Aufgelistet und erläutert sind darüber hinaus zudem etwa Zusammenhänge zur Häufigkeit der Trisomien und Details zum Test.
So heißt es zum Beispiel blau hervorgehoben: „Wichtig ist: Mit einem NIPT werden nur einzelne genetische Veränderungen untersucht. Ob das ungeborene Kind insgesamt gesund ist, kann der Test nicht erkennen.“
Der G-BA bestätigte dem Deutschen Ärzteblatt, dass ein Entwurf für die Versicherteninformation vom IQWiG seit Anfang Januar dieses Jahres vorliegt. Auf dieser Basis liefen nun die Beratungen für einen abschließenden Beschluss. Wann genau der G-BA die Versicherteninformation beschließen werde, sei derzeit noch nicht zu sagen, so eine Sprecherin.
Sie wies darauf hin, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den finalen G-BA-Beschluss zur Versichernteninformation dann noch als Rechtsaufsicht prüfen müsse. Dafür habe es zwei Monate Zeit. Bei einer Nichtbeanstandung durch das BMG könne der Beschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht werden und in Kraft treten. Auch für diesen Schritt seien nochmals mehrere Wochen einzurechnen. Der bereits getroffene, grundsätzliche Beschluss zur Anwendung der NIPT vom September 2019 sei bereits vom BMG positiv geprüft worden, hieß es vom G-BA.
Danach müssten Ärzteschaft und Krankenkassen im Bewertungsausschuss prüfen, ob eine Abrechnungsziffer beschlossen oder angepasst werden muss. Für diesen Schritt haben Krankenkassen und Ärzte bis zu sechs Monate Zeit. Erst wenn die Abrechnungsziffer vorliegt, kann die neue Leistung für gesetzlich versicherte Frauen erbracht und abgerechnet werden.
Kritik an dem Entwurf der Versicherteninformationen kommt aktuell von einem Bündnis von Behindertenorganisationen, die sich erneut grundsätzlich gegen die beschlossene Anerkennung der NIPT als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aussprechen.
Sie schreiben in einem Brief an den G-BA, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, die zentral erarbeiteten Informationstexte, auf deren Basis sich Schwangere für oder gegen einen Test entscheiden sollen, seien nicht neutral formuliert.
„Die Versicherteninformation, die nach den Regularien des G-BA der neutralen Information der Schwangeren dienen soll, wird laut einer Untersuchung des IQWiG nicht als neutral verstanden, sondern als Empfehlung für den Test im Rahmen der Vorsorge“, heißt es darin. Träger der Initiative ist der Kölner Verein „mittendrin“, Mitunterzeichner sind unter anderen die Diakonie Württemberg und die Bundesvereinigung Lebenshilfe.
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Das Bündnis fordert den G-BA insgesamt auf, das komplette Verfahren zu stoppen. Entscheidende Widersprüche bei der Anwendung der Tests sowie die damit verbundenen ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen seien nicht angemessen diskutiert worden.
Das Bündnis kritisiert, die pränatalen Bluttests könnten bei einer Kassenanerkennung zu einer Standarduntersuchung für nahezu alle Schwangeren werden. Dies widerspreche der vereinbarten Beschränkung auf Risikoschwangerschaften.
Zudem bemängeln die Kritiker, die Tests seien nicht zuverlässig, weil es zu einer hohen Anzahl falsch-positiver Testergebnisse komme. Statt der Kassenzulassung sei eine umfassende Bundestagsdebatte über die pränatalen Tests nötig, so die Forderung der Organisationen.
Der G-BA hatte bereits im September 2019 grünes Licht für die NIPT gegeben. Die Tests sollten aber nur „in begründeten Einzelfällen bei Schwangerschaften mit besonderen Risiken“ durchgeführt werden, hieß es von dem Gremium damals.
Ein generelles Screnning sei damit nicht verbunden, wurde bei der damaligen, emotionalen Debatte im Plenum des G-BA betont. Voraussetzung für eine Kostenübernahme sei demnach auch eine vorherige intensive ärztliche Beratung. Die Tests sind in Deutschland seit 2012 verfügbar.
In der Diskussion im September 2019 äußerten mehrere G-BA-Mitglieder die Hoffnung, dass die Mitglieder des Bundestages den folgenden Monaten bis zur Veröffentlichung der Versicherteninformationen eine gesellschaftliche wie parlamentarische Debatte zum Nutzen der NIPT anstoßen.
Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken wies bereits damals Vorwürfe zurück, der G-BA überhole mit der Entscheidung den Gesetzgeber. Nach einer ersten Orientierungsdebatte zum Thema im April 2019 habe der Bundestag keinen weiteren Zeitplan vorgelegt.
Außerdem schrieb Hecken an die Kritik von einzelnen Abgeordneten im Parlament, dass der Beschluss „keine irreversiblen Fakten", schaffe, da er ohne Leistungsansprüche und ohne Prüfung durch die Rechtsaufsicht dem „Deutschen Bundestag alle Handlungsoptionen offen“ halte. © may/bee/kna/aerzteblatt.de
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