Oxford – Die Beschränkung von Versammlungen auf weniger als 10 Personen und die Schließung von Bildungseinrichtungen waren während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie die wirksamsten nicht-pharmazeutischen Maßnahmen, um die Übertragung von SARS-CoV-2 zu stoppen. Die Verhängung von Ausgangssperren haben nach Modellberechnungen in Science (2020; DOI: 10.1126/science.abd9338) dagegen nur eine geringe Zusatzwirkung erzielt.
Im Frühjahr ist es den meisten Ländern gelungen, die erste Welle der Pandemie zu brechen. Dabei haben die einzelnen Länder unterschiedliche sogenannte nicht-pharmazeutische Maßnahmen (NPI) ergriffen. Mathematiker der Universität Oxford haben die zeitversetzt ergriffenen Maßnahmen in 41 Ländern (überwiegend aus Europa) mit den Erkrankungszahlen in Verbindung gesetzt, um die Auswirkungen von 7 verschiedenen NPI zu berechnen.
Das war natürlich nur bedingt möglich. So haben die meisten Länder Universitäten und Schulen geschlossen, sodass diese beiden NPI nicht zu trennen waren. Es gab auch Faktoren, die in den Berechnungen nicht berücksichtigt werden konnten. Dazu zählten etwa das Tragen von Masken oder die physische Distanz zu Mitmenschen, die stark von der Eigeninitiative und sicherlich auch von kulturellen Gewohnheiten abhängen.
Jan Brauner von der OATML-Arbeitsgruppe („Oxford Applied and Theoretical Machine Learning“) weist darauf hin, dass sich die Ergebnisse nur bedingt als Richtlinie für die derzeitige zweite Welle eignen, sie zeigen jedoch, dass sich die Wirkung der NPI deutlich unterscheiden kann.
Die stärksten Auswirkungen hatte die Beschränkung von Versammlungen auf weniger als 10 Personen. Diese Maßnahme hat die Reproduktionszahl des Virus (Rt) um 42 % (95-%-Konfidenzintervall 17 bis 60 %) gesenkt. Bei einer Beschränkung auf 100 Personen oder weniger ging die Rt um 34 % (12 bis 52 %) zurück. Wenn nur Veranstaltungen von 1.000 Personen oder weniger verboten wurden, sank die Rt nur um 23 % (0 bis 40 %).
Den zweitgrößten Einfluss hatte nach den Berechnungen von Brauner die Schließung von Schulen und Universitäten. Die Rt ging um 38 % (16 bis 54 %) zurück. Die Schließung von Geschäften mit einem hohen Face-to-Face-Risiko (etwa Restaurants, Bars, Nachtclubs, Kinos und Fitness-Center) senkte den Rt-Wert um 18 %, wobei die Effektivität bei einem 95-%-Konfidenzintervall von –8 bis 40 % nicht sicher belegt ist.
Dies gilt auch für die Schließung aller nicht-essenziellen Geschäfte, die den Rt-Wert um 27 % (-3 bis 49 %) senkten. Ausgangssperren („Stay-at-home order“) hatten für sich genommen die geringste Auswirkung auf die Epidemie. Der Rt-Wert sank nach den Berechnungen von Brauner nur um 13 % (–5 bis 31 %).
In allen Ländern wurden mehrere Maßnahmen gleichzeitig ergriffen. Zusammengenommen haben sie den Rt-Wert um 77 % gesenkt. Das hat ausgereicht den R-Wert unter 1 zu senken. Den Berechnungen liegt ein natürlicher R-Wert (das ist die Basisreproduktionszahl von SARS-CoV-2 ohne jegliche Maßnahmen) von 3,3 zugrunde.
Nach den Berechnungen von Brauner könnten 3 Maßnahmen ausreichen, um die zweite Welle zu brechen. Dies wären die Schließung von Schulen und Universitäten, die Schließung von Geschäften mit einem hohen Face-to-Face-Risiko und die Beschränkung von Versammlungen auf weniger als 10 Personen. © rme/aerzteblatt.de
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