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Gesundheits­ministerium will molekulare Surveillance von Virusmutanten regeln

Mittwoch, 6. Januar 2021

/zsuriel, stock.adobe.com

Berlin – Nachdem die neue Coronavirus-Mutante B.1.1.7. sporadisch auch Deutschland erreicht hat, soll nun durch regelmäßige Sequenzierungen von SARS-CoV-2-positiven Proben die mögliche Ausbreitung weiter verfolgt werden. Dafür wird das ­­(BMG) in den kommenden Wochen eine neue Verordnung erlassen, die diese verstärkte Sequenzierung regeln soll.

So geht es aus den Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenz von gestern hervor. Zunächst gelte es, das weitere Eintragen dieser mutierten Viren aus dem Ausland einzudämmen und ihre Verbreitung innerhalb der Bevölkerung durch „priorisierte Nachverfolgung“ und strengere Kontrollen der Qu­arantäne zu be­gren­zen, heißt es in dem Beschluss.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bestätigte heute, dass sein Ministerium diese Ver­ord­nung erlassen werde. Grundlage dafür sei das Bevölkerungsschutzgesetz, das dem BMG hier weitere Be­fugnisse gebe. In dem Beschluss solle geregelt werden, wie viele Genome sequenziert und welche La­bore dafür zuständig sind.

In Deutschland sollen künftig verstärkt SARS-CoV-2-Genome sequenziert werden, um Mutationen wie B.1.1.7. künftig frühzeitiger zu entdecken. Laut der Webseite des deutschen Konsiliarlabores für Corona­vi­ren an der Berliner Charité wurden in Deutschland seit Beginn der Pandemie rund 2.000 Genome von spezialisierten Laboren aus einzelnen SARS-CoV-2-Proben aus Deutschland entschlüsselt. Zum Vergleich: In Großbritannien wurden mittlerweile mehr als 120.000 Virusproben sequenziert.

Die vollständigen Gensequenzen werden stetig in internationale Datenbanken eingespeist, wie die der Global Initiative on Sharing All Influenza Data (GISAID). Zusätzlich pflegt die Charité eine bundesweite Datenbank über alle bisher in Deutschland gefundenen Varianten.

Bislang wurden die zu sequenzierenden Proben einzeln beispielsweise an das Konsiliarlabor für Corona­viren an der Charité oder andere universitäre Labore sowie das Robert-Koch-Institut (RKI) versendet, um dort die Gensequenz analysieren zu lassen.

Solche Gensequenzierungen seien Routine in virologischen Laboratorien, erklärte Michael Müller, Erster Vorsitzender der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM). Das Verfahren werde beispielsweise in der Hepatitis- oder HIV-Differenzialdiagnostik seit Jahren eingesetzt.

Doch bisher gebe es keine einheitlichen Prozesse für eine flächendeckende sogenannte „molekulare Surveillance“ von SARS-CoV-2. Daher begrüßt Müller die geplante BMG-Verordnung. Der Labormediziner erwarte unter anderem Regelungen dazu, welcher Anteil aller positiven Proben nun re­gelhaft sequenziert werden soll. Darüber hinaus brauche es eine klare Definition, wer nach welchen Kriterien die zu untersuchenden Proben auswählen soll.

Wann Sequenzierungen sinnvoll sind

B.1.1.7. trägt 17 Mutationen, von denen acht das Gen des Spike Proteins betreffen. Die diagnostische Leistung der PCR-Tests werde dadurch nur teilweise beeinflusst, da immer mehrere verschiedene Virus­gene untersucht würden, wenn das Genom von SARS-CoV-2 amplifiziert wird, sagte Müller von der ALM auf Nachfrage.

Eventuell könne es jedoch dazu kommen, dass manche Antigentests, die das Spike Protein nachweisen, die neue Variante nicht erkennen könnten, vermutet er. Studien dazu seien ihm noch nicht bekannt. Die Hersteller der Tests seien sicherlich ebenfalls bemüht, ihre Tests für B.1.1.7. zu validieren. Zudem würden zukünftige Ringversuche der Labore auch die Antigen-Labortests auf ihre Genauigkeit untersuchen.

Es könne also sinnvoll sein, Proben von Patienten zu sequenzieren, die einen falsch-negativen Antigen­test bei positivem PCR-Test in bestimmten Konstellationen aufwiesen, so Müller. Dazu gehören beispiels­weise unterschiedliche ct-Werte bei der Amplifikation verschiedener Genloci in ein und derselben Probe.

Neben dem Konsiliarlabor der Charité, dem RKI und anderen Universitätslaboren hätten auch mehrere Labore der ALM hierfür die notwendigen personellen wie technischen Kapazitäten. Wie viele Labore ge­nau die zeitaufwendige Sequenzierung leisten könnten und wie viele Sequenzierungen sie wöchentlich durchführen könnten, sei nicht genau zu beziffern, da es dazu keine Datenerhebung gebe, so Müller weiter.

Die Sequenzierung würde jedoch nicht mit der PCR-Diagnostik konkurrieren, da hierfür unterschiedliche Geräte benutzt würden. Der ALM-Vorsitzende sei aber sehr zuversichtlich, dass die Kapazitäten ausrei­chen.

Britische Forscher des COVID-19 Genomics Consortium (COG-UK) haben bisher mehr als 120.000 SARS-CoV-2-Genome identifiziert. Im Dezember fanden sie die neue Variante von SARS-CoV-2 und benannten sie offiziell als GISAID Klade GR, Linie B.1.1.7. oder als Variant Of Concern 202012/01 (VOC). Die Zahlen stehen dabei für die erste „besorgniserregende Variante“ im Dezember 2020. © jff/bee/aerzteblatt.de

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