Brain Fog nach COVID-19: Großangelegte Studie bringt Licht in den „Gehirnnebel“

Budapest – Seit der COVID-19-Pandemie mehren sich Berichte von Menschen, die über Brain Fog klagen. Aber was genau steckt hinter den geistigen Einbußen?
Laut einer groß angelegten Studie, deren Ergebnisse beim Jahreskongress der European Academy of Neurology in Budapest, Ungarn, vorgestellt werden, prägen vor allem Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme den „Gehirnnebel“, der darüber hinaus eng mit Migräne und Long COVID assoziiert ist (Abstract EPR-251).
Für die Studie beschrieben 25.796 Menschen ihre Symptome und Begleiterkrankungen, ihren Lebensstil und funktionelle Defizite. Die Datenerfassung erfolgte über die für diesen Zweck validierte Smartphone-App Mindstep. Alle Autoren der Studie sind oder waren bei dem Unternehmen Mindset Technologies angestellt.
Von den Teilnehmenden der digitalen Befragung gaben 28,2 % an, an Brain Fog zu leiden. Die von Brain Fog betroffenen Personen waren im Schnitt 35,7 Jahre alt und etwas häufiger Frauen als Männer.
Mehrere Faktoren begünstigen die Entstehung von Brain Fog
Die Auswertung des digitalen Datensatzes ergab, dass folgende Faktoren mit Brain Fog assoziiert waren:
höheres Alter (35,7 vs. 32,8 Jahre)
weibliches Geschlecht (OR 1,2)
Angststörungen, Depressionen, schlechtere Kognition, Migräne, Long COVID (OR 3,8)
Gehirnerschütterungen (OR 2,4)
Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder aufmerksam zu bleiben (OR 3,3)
Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen (OR 2,2)
weniger Bewegung
geringere Schlafqualität
Die beiden Hauptsymptome seien Konzentrationsschwierigkeiten und Probleme, Gesprächen zu folgen, gewesen, schreiben die Autoren im Kongressabstract. Darüber hinaus war Brain Fog mit einer objektiv schlechteren kognitiven Leistung sowie einem höheren Niveau an Angststörungen, Depressionen und Migräne assoziiert.
Schwer zu definierender Begriff
„Als Neurologen und Wissenschaftler stellen wir fest, dass unsere Patienten den Begriff Brain Fog auf unterschiedliche Art und Weise benutzen, um ihre Schwierigkeiten mit bestimmten Aufgaben zu beschreiben“, erklärt Erstautor Ali Alim-Marvasti vom Queen Square Institute of Neurology am University College London in einer Pressemitteilung.
Die Studie stellt den Versuch dar, Brain Fog systematisch zu beschreiben, eine Herausforderung, die bisher noch nicht gemeistert wurde. Als weitgehend akzeptiert gilt mittlerweile nur, dass Brain Fog intermittierend auftritt und eine weite Spanne der Bevölkerung treffen kann, auch junge Menschen.
Den Autoren um Alim-Marvasti zufolge ist die beste Definition für Brain Fog, die in der Literatur zu finden ist, die folgende: Brain Fog ist eine Interaktion physiologischer, kognitiver und perzeptueller Faktoren, die die Fähigkeit, Information leicht und schnell zu verarbeiten, verringert.
Enge Verbindung mit Migräne und Long COVID
„Das stimmt mit unseren Daten überein“, sagt Alim-Marvasti. „Unsere Schlussfolgerung ist, dass Brain Fog am besten definiert wird als Schwierigkeit, sich zu fokussieren und zu konzentrieren, und dies kann Alltagsaktivitäten wie die Erledigung von Schreibarbeiten, Vorausplanen oder Kopfrechnen beeinträchtigen. Das waren die am häufigsten mit Brain Fog assoziierten Symptome.“
Die Forschungsgruppe erkannte auch, dass eine enge Verbindung zwischen Brain Fog und Migräne, Gehirnerschütterungen und Long COVID besteht. „Es bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß der Mechanismus hinter diesen zu Brain Fog beitragenden Erkrankungen möglicherweise mit anderen Erkrankungen überlappt, etwa neurodegenerativen Erkrankungen, die bekanntermaßen durch bestimmte Infektionen und Entzündungsreaktionen beschleunigt werden“, so der Studienautor.
Ist die Gefahr nach COVID-19 wirklich größer als nach anderen Infektionen?
Da der Begriff Brain Fog vor allem in der COVID-19-Pandemie Bekanntheit erlangt habe, sei es nicht überraschend, dass die stärkste Assoziation tatsächlich mit Long COVID bestanden habe, fügte Alim-Marvasti hinzu.
Auch Angststörungen und Depressionen waren mit Brain Fog assoziiert, aber in geringerem Ausmaß. „Es wäre interessant zu wissen, ob COVID-19 im Besonderen zu Brain Fog beiträgt, oder – wie wir vermuten –, viele Infektionen zu Brain Fog führen können.“
Kommen künftig noch weitere prospektive Daten hinzu, ließe sich ein Algorithmus entwickeln, mit dem sich Menschen mit hohem Risiko für Brain Fog identifizieren ließen, so die Autoren in ihrem Abstract.
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