Seehofer: Asylpaket bringt keine „Sonderlasten“

Berlin/Brüssel – Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die Vorschläge der EU-Kommission für eine Reform der europäischen Migrations- und Asylpolitik gegen Kritik aus der eigenen Bundestagsfraktion verteidigt.
Es sei selbstverständlich, dass eine nationale Regierung sich nicht komplett in den Vorschlägen aus Brüssel wiederfinde, sagte der CSU-Politiker gestern am Rande von Beratungen mit den anderen EU-Innenministern.
„Aber meine Fraktion wie die ganze Bundesregierung können sich darauf verlassen, dass wir schon darauf achten, dass es hier keine Sonderlasten für die Bundesrepublik Deutschland gibt.“
Die Innenminister berieten gestern das erste Mal über die neuen Vorschläge. Wegen der Coronapandemie fand die Konferenz nur per Video statt. Seehofer, der wegen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft noch bis Ende des Jahres die Verhandlungen leitet, zeigte sich anschließend optimistisch, dass eine Reform gelingen kann.
„Die Chancen sind hoch“, sagte er. „Insgesamt ist der Wille da, und zwar ein starker Wille, gemeinsam auf diesem Feld als Europäische Union voranzukommen.“ Auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sprach von einer „ermutigenden Diskussion“. Es gebe keine unüberwindbaren Hindernisse.
Die EU-Staaten streiten seit Jahren über die Asylpolitik – vor allem darüber, ob und wie Migranten verteilt werden sollen. Die Vorschläge der EU-Kommission sehen vor, dass Länder wie Griechenland und Italien insbesondere mit stärkerem Grenzschutz sowie mit Hilfe bei der Rückführung abgelehnter Schutzsuchender entlastet werden. Zugleich will die Behörde, dass alle Staaten einen Beitrag leisten.
Länder, die sich der Aufnahme von Migranten verweigern, sollen etwa für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber zuständig sein. Eine verpflichtende Verteilung von Migranten, die für manche Staaten ein rotes Tuch ist, soll es nur in absoluten Ausnahmen geben.
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) hatte vor Verschlechterungen für Deutschland gewarnt – etwa, weil der Kreis von Menschen, die beim Familiennachzug nach Europa nachkommen dürften, ausgedehnt werden soll. Weil Deutschland besonders viele Menschen aufgenommen habe, „würde der von der Kommission geplante erweiterte Familienbegriff vor allem uns stärker belasten“, sagte Frei der Welt.
Auch mit Blick auf die Sekundärmigration – also das Weiterziehen Schutzsuchender von einem EU-Land ins nächste – würden Deutschlands Interessen nicht hinreichend berücksichtigt.
Seehofer beschwichtigte nun: „Natürlich schauen wir auf die Sekundärmigration.“ Dies sei eines der Hauptprobleme. Zudem schaue man darauf, „dass es nicht zu einer unkontrollierten Familienzusammenführung“ komme. „Aber deshalb muss man jetzt nicht das ganze Paket in Bausch und Bogen in Frage stellen.“ Er warnte: „Am schlechtesten wäre, wenn wir zu keiner Lösung kommen, und zwar für alle, auch für Deutschland.“
Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) geht nicht davon aus, dass deutlich mehr Angehörige nachkommen. „Die Einbeziehung der Geschwister in die ,Kernfamilie' durch den Neuentwurf der sogenannten Dublin-Verordnung hat keine zwingende rechtliche Änderung der deutschen Situation zum Geschwisternachzug zur Folge“, sagte die Expertin Ulrike Schwarz.
Seehofer strebt an, dass bei einem Innenministertreffen Anfang Dezember zumindest bei den heiklen Fragen eine politische Einigung erzielt wird. Im November solle ein zusätzliches Ministertreffen eingeschoben werden.
Mittelmeerstaaten wie Italien oder Malta, in denen Migranten häufig in Europa ankommen, wollten nicht „auf den Flüchtlingen sitzenbleiben“, sagte Seehofer. Andere Länder – etwa Visegrad-Staaten wie Tschechien und Ungarn – hätten wiederum „etwas Distanz zur verpflichtenden Solidarität“.
Diese Positionen müssten nun in bilateralen Gesprächen zusammengebracht werden. Seehofer sprach von einem „gewaltigen Werk“, das zustande gebracht werden solle. Zugleich betonte er, dass durch eine Vorprüfung an den EU-Außengrenzen die Zahl jener Menschen, die in Europa bleiben dürften, deutlich reduziert werde. Dadurch würden auch Probleme wie sekundäre Migration, die Verteilung oder die Solidarität geringer.
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