

Auch die Kommunikation mit Patienten und Kollegen will gelernt sein: Ein nationales Mustercurriculum Kommunikation soll künftig die Lernziele für die ärztliche Gesprächsführung an den einzelnen Fakultäten vorgeben.
Ein Arzt muss einem Vater erklären, dass sein Sohn einen Tumor hat. Er setzt an: „Ja, also, wir haben bei Ihrem Sohn eine Kernspintomographie gemacht, um zu schauen, was in seinem Kopf los ist, denn er hat ja diese neurologischen Aussetzer. Wir haben dabei gesehen, dass er einen Tumor hat.“ Ein Klopfen an der Tür unterbricht ihn, eine Schwester steckt den Kopf in das Zimmer, ruft den Arzt heraus. „Entschuldigen Sie“, murmelt dieser Richtung Vater und geht heraus. Wenige Augenblicke ist er zurück und fragt: „Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, beim Tumor. Nun, ich bin da jetzt kein Experte und würde mich erst noch mal mit einem Kollegen besprechen. Aber ich kann Ihnen schon einmal die Bilder zeigen, schauen Sie mal hier.“ Das Telefon klingelt. Der Arzt nimmt ab, spricht kurz und sagt: „Entschuldigen Sie, heute ist so viel los, alle wollen gleichzeitig etwas von mir. So, nun aber wieder zu Ihnen und dem Tumor.“
Mit Videoszenen wie dieser erntet Prof. Dr. med. Wolfgang Kölfen viele Lacher – beziehungsweise Kopfschütteln. Denn viele Ärzte wissen: So überspitzt die inszenierten Szenen auch sein mögen, so viel Wahrheit steckt auch darin. Ähnliche Situationen spielen sich in Krankenhäusern und Praxen täglich ab. Der Kinder- und Jugendarzt Kölfen ist Chefarzt an den Städtischen Kliniken Mönchengladbach. Seit Jahren beschäftigt er sich mit ärztlicher Kommunikation, nicht nur im eigenen ärztlichen Alltag, sondern auch als Referent und Buchautor. Auf Einladung der Marburger-Bund-Stiftung hielt er im Mai in Berlin ein Seminar über professionelle ärztliche Kommunikation.
Die Gründe, warum ein Arztgespräch schwierig sein kann, sind für viele schnell benannt: Zeitmangel. Schlechte Honorierung. Schwierige Patienten. Fordernde Angehörige. Doch für Kölfen gehört dazu noch mehr. Er setzt noch einen anderen Punkt auf die Liste: schlechte ärztliche Gesprächsführung. „Der Sender ist verantwortlich, nicht der Empfänger“, betont er. Es ist eine allgemein bekannte Weisheit der Kommunikationstheorie, die in der Medizin genauso gilt. Für den ärztlichen Arbeitsalltag heißt das: Der Perspektivwechsel auf die Sicht des Patienten erleichtert die Kommunikation – und bringt viel ein. „Wenn Sie ein Gespräch so gut führen können, dass Sie es nicht wiederholen müssen, haben Sie viel gewonnen“, sagt Kölfen. Was genau er damit meint? Mehr Zeit, höhere Zufriedenheit und Freude an der Arbeit.
Dies sind genau die Punkte, die angehenden Ärzten besonders wichtig sind. Im Medizinstudium hat das Thema Kommunikation bereits seit einigen Jahren eine Art Renaissance erlebt. Seit der Änderung der Approbationsordnung 2012 ist die Gesprächsführung offiziell Gegenstand der ärztlichen Ausbildung und Prüfung. „Alle medizinischen Fakultäten bauen in ihre Curricula mittlerweile Kommunikationstrainings ein. Praktisch geprüft wird Kommunikation jedoch selten“, erklärt Prof. Dr. med. Jana Jünger, Oberärztin an der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik am Universitätsklinikum Heidelberg, gegenüber Medizin Studieren. Dabei ist die Hochschullehrerin überzeugt: „Kommunikation ist ebenso erlernbar wie Empathie.“ Aber: „Kommunikation ist mehr als nur ,nett sein‘.“ In den Curricula müssten deshalb auch die fachspezifischen Herausforderungen gelehrt werden, wie zum Beispiel das Einordnen von Risiken, die gemeinsame Entscheidungsfindung, das Überbringen schlechter Prognosen oder der Umgang mit Suizidalität.
Bereits 2001 hat Jünger an der Uniklinik Heidelberg ein Kommunikations- und Interaktionstraining für Medizinstudierende (Medi-KIT) entwickelt. Jetzt koordiniert sie eine Projektgruppe mit 480 Vertretern aller 36 medizinischen Fakultäten und vielen medizinischen Fachgesellschaften, die gemeinsam ein nationales Mustercurriculum Kommunikation zusammenstellen. „Basis sind dabei die Herangehensweisen, die sich am besten in der Lehre und Prüfung an den einzelnen Fakultäten bewährt haben“, erläutert sie. Das Mustercurriculum baut auf den Lernzielen für Ärztliche Gesprächsführung des Nationalen Kompetenzorientierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) auf, der auf dem diesjährigen Medizinischen Fakultätentag im Juni in Kiel verabschiedet wurde. Das Projekt wird vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Trotzdem sieht Jünger noch einige Defizite: An vielen Fakultäten fehlten trainierte Tutoren und Dozenten, die das Fach Ärztliche Kommunikation auch prüfen können. Mit dem Start einer gemeinsamen Summerschool ab Juli 2015 soll Abhilfe geschaffen werden.
Handlungsbedarf sah auch der diesjährige 118. Deutsche Ärztetag in Frankfurt/Main. Das Ärzteparlament griff im Mai das Thema „Kommunikation“ mit einem eigenen Tagesordnungspunkt auf – ein Fakt, der für Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, sehr wichtig ist: „Gute Kommunikation spart Zeit und vermeidet Missverständnisse durch Verständlichkeit von Anfang an“, erklärt er. Eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation setzt für ihn die Hinwendung des Arztes zum Patienten und seine Orientierung an dessen Bedürfnissen voraus. „Dazu müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen und die Versorgungsabläufe genügend Zeit für Gespräche hergeben“, sagt er. Für die Kommunikation mit den Vertretern anderer Gesundheitsberufe sei ein gegenseitiges Verständnis und gegenseitige Wertschätzung bedeutsam. Seine Grundregel: „Man muss einander kennen und einander achten.“
Für Henke ist es zudem sehr erfreulich, dass an vielen medizinischen Fakultäten mittlerweile geeignete Lehr- und Prüfungsformate für kommunikative Kompetenzen etabliert wurden. „Wir hoffen, dass diese Formate künftig flächendeckend und in der Routine angeboten werden.“ Aber damit nicht genug: „Auf der Grundlage des Studiums sollten die kommunikativen Kompetenzen in der Weiter- und Fortbildung fachspezifisch vertieft werden“, betont der Arzt. ■
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