Medizin
Omikron-Variante: Zuverlässigkeit der Antigenschnelltest auf dem Prüfstand
Mittwoch, 22. Juni 2022
Stanford – Antigenschnelltests sind zum Screening auf Infektionen mit der Omikron-Variante BA.1 von SARS-CoV-2 offenbar nur bedingt geeignet. Laut einer US-amerikanischen Studie (JAMA Network Open 2022, DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.17234) liegt das vor allem an einer unzureichenden Sensitivität bei asymptomatischen Infektionen.
Angesichts aktuell wieder steigender Zahlen der SARS-CoV-2-Infektionen und der Ausbreitung neuer Omikron-Varianten gelangt die Zuverlässigkeit der Antigenschnelltests zum Nachweis diverser SARS-CoV-2-Varianten wieder vermehrt in den Fokus.
Der in der US-Studie verwendete Test (BinaxNOW; Abbott) zeigt mit mehr als 99 % eine hohe Spezifität, aber mit 63 % eine eher unzureichende Sensitivität, fasst das US-amerikanische Team um den korrespondierenden Autor Calvin E. Hwang von der Klinik für orthopädische Chirurgie an der Stanford University School of Medicine die Ergebnisse zusammen.
Dieser Schnelltest ist in Deutschland beziehungsweise in Europa nicht verfügbar, zumindest nicht unter diesem Namen. Darauf weist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auf Anfrage des Deutschen Ärzteblatts (DÄ) hin.
Sportstudentinnen und -studenten führen Selbsttest durch
Die Arbeitsgruppe schloss 723 Sportstudentinnen und -studenten ein, die im Zeitraum vom 1. bis 11. Januar 2022 an die Universität in Stanford aus den Weihnachtsferien zurückkehrten. Voraussetzung war, dass sie keine SARS-CoV-2-Infektion in den 90 Tagen davor hatten. Die Sportler führten innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Rückkehr an die Universität einen Antigenschnelltest durch.
Unter den Teilnehmenden, von denen 98 % entweder 2 Dosen eines mRNA-Impfstoffs oder 1 Dosis des Johnson & Johnson-Vakzins erhalten hatten, wiesen 46 (6,4 %) ein positives Testergebnis auf. Darunter fanden sich 35 (76,1 %) mit einer symptomatischen Infektion, von denen wiederum bei 12 innerhalb von 24 Stunden ein positives RT-PCR-Testergebnis vorlag.
Einen positiven RT-PCR-Test bei einem negativen Schnelltest hatten 27 der Studierenden. Insgesamt ließ sich somit bei 73 von 723 Personen (10,1 %) eine SARS-CoV-2-Infektion nachweisen.
Nachweis gelingt bei symptomatischen Infektionen besser
Von diesen 73 SARS-CoV-2-Infektionen waren 46 mittels des Schnelltests erkannt worden. Das ergab eine Sensitivität von 63 % für den Schnelltest (95-%-Konfidenzintervall [KI] 51,9-74,1 %). Nur bei einem positiven Schnelltest fiel der dazugehörige RT-PCR-Test negativ aus. Die Spezifität betrug mit 1 falsch positiven Test unter 650 tatsächlich negativen Fällen 99,8% (95-%-KI 99,5-100 %).
Unter den symptomatischen Studierenden hatte der Schnelltest eine Sensitivität von 77,8 % (95-%-KI 65,6-89,9 %). Bei den asymptomatischen Personen lag die Sensitivität bei 39,2 % (95-%-KI 21,2-57,4 %).
Die Teilnehmenden mit einem positiven Schnell- und einem positiven RT-PCR-Test wiesen einen signifikant (p < 0,001) niedrigeren medianen Ct-Wert auf als die Studierenden mit einem negativen Schnell- und einem positiven RT-PCR-Test: 24,6 (Interquartilabstand [IQR] 22,3-32,3) versus 35,0 (IQR 29,8-36,6).
Innerhalb der Gruppe mit einem positiven RT-PCR-Test hatten symptomatische Personen einen deutlich (p = 0,004) niedrigeren medianen Ct-Wert als asymptomatische: 24,7 (IQR 22,4-31,9) versus 33,6 (IQR 29,3-35,7).
In 95,7 % der positiven Fälle (44 von 46) konnte die Omikron-Variante BA.1 identifiziert werden. Bei 4 weiteren Proben reichte die Viruslast für eine Analyse nicht aus.
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Die in der Studie festgestellte Sensitivität des Tests gegenüber der Omikron-Variante sei nicht überraschend, sagte Andreas Osterman vom Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Ludwig Maximilians-Universität München dem DÄ.
Das PEI hebt ebenfalls hervor, dass die Veröffentlichung die bisherigen Befunde zur Sensitivität von Antigenschnelltests bestätige. Vor allem bei symptomatischen Personen mit einer hohen Viruslast bei einem CT-Wert < 25 würden die Infektionen erkannt. Die Sensitivität von fast 78 % sei in dieser Patientengruppe zufriedenstellend.
Zudem zeigten die Ergebnisse, dass die zum Zeitpunkt der Studiendurchführung prävalente Omikron-Variante offensichtlich verlässlich nachgewiesen wird, so das PEI weiter. Die Antigenschnelltests seien demnach geeignet, die Verbreitung des Virus zu verhindern. Für die Diagnose einer Infektion kämen sie jedoch nicht infrage.
Limitierend ist laut PEI zum einen, dass es sich bei dem Test um einen Selbsttest mit entsprechend höherer Variabilität bei Probenentnahme und Ablesung handelt. Die Probenahme für den RT-PCR-Test zur Bestätigung erfolgte innerhalb von 24 Stunden nach dem Antigentest. „Eine rapide Virusvermehrung in diesem Zeitfenster könnte zu zwischenzeitlich positivem Ergebnis auch im Antigentest führen.“
Zum anderen seien die Probenzahlen relativ gering, das heißt die Berechnungen beruhten auf kleinen Kohorten, die große Konfidenzintervalle bedingen. Die Kohorte besteht darüber hinaus nur aus jungen Probanden – Studierenden – erwähnt Osterman einschränkend, sie soll jedoch als repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung gelten. Dennoch hält er die Studie für einen weiteren Baustein in der Bewertung der Schnelltests.
Der Mediziner betont: „Nach wie vor bleibt es wichtig für die Pandemiebekämpfung, die doch sehr heterogene Qualität und Aussagekraft der auf dem deutschen Markt erhältlichen SARS-CoV-2-Antigenschnelltests auch im Hinblick auf neue Varianten weiter zu untersuchen. Detaillierte Studien unabhängiger Institutionen, die die Leistungsfähigkeit dieser Tests bei neuauftretenden Varianten klinisch und laborbasiert wissenschaftlich beurteilen, werden auch in Zukunft unverzichtbar sein.“ © aks/aerzteblatt.de

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