MEDIZIN: Die Übersicht
Aortenklappenersatz mit pulmonalem Autograft - Ross-Operation
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Schlüsselwörter: Aortenklappenersatz, pulmonaler Autograft, Ross-Operation, Antikoagulation
Aortic Valve Replacement with a Pulmonary Autograft
Shortcomings of commonly used aortic valve prostheses are thrombotic and thromboembolic events,
anticoagulation related hemorrhage, valvular degeneration, hemodynamic restrictions, endocarditis, and valve
noise. Aortic valve replacement with a pulmonary autograft (Ross operation) gains
increasing interest as a promising alternative. Advantages of the Ross procedure are optimal hemodynamics with
full exercise capacity, outstanding durability and unrestricted life style with excellent rehabilitation.
Anticoagulants are not necessary. Potential problems are the rare occurrence of aortic regurgitation which can be
reduced significantly with increasing surgical experience, and the possible degeneration of the homograft in the
right ventricular outflow tract. For final judgement of this operative technique results of ongoing clinical studies
will be essential.
Key words: Aortic valve prostheses, pulmonary autograft, Ross operation, anticoagulation
Der Herzklappenersatz mit den derzeit handelsüblichen mechanischen und biologischen Prothesen führt zu einer
verbesserten Hämodynamik, Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung. Alle Ersatzventile weisen jedoch
Probleme wie Klappendegeneration, Reoperation, thrombotische und thromboembolische Ereignisse,
hämorrhagische Komplikationen unter oraler Antikoagulantientherapie, hämodynamische Unzulänglichkeiten,
Klappeninfektion und Geräuschentwicklung auf (Tabelle 1). Die autologe Pulmonalklappe erfüllt die
Qualitätskriterien eines idealen Ersatzventils. Sie ist mit der gesunden Aortenklappe hinsichtlich Morphologie,
Hämodynamik, Kompatibilität, Vitalität, Sterilität, Wachstumsfähigkeit, Geräuschlosigkeit, Antithrombogenität
und Lebensdauer vergleichbar. Die pulmonale Autograft-Operation, auch Ross-Operation genannt, bezeichnet
ein chirurgisches Verfahren, das den Ersatz der Aortenklappe durch die autologe Pulmonalklappe sowie die
dadurch notwendig gewordene Rekonstruktion der rechtsventrikulären Ausflußbahn mit einer Leichenklappe
(Homograft) beinhaltet. Bedenken gegen die Ross-Operation beziehen sich hauptsächlich auf die Tatsache, daß
eine "Ein-Klappenerkrankung" durch einen "Zwei-Klappenersatz" mit entsprechend erhöhtem Risiko korrigiert
wird. Diese Arbeit will auch anhand eigener Ergebnisse über die verschiedenen Aspekte der Ross-Operation
informieren.
Geschichtlicher Überblick
Im Jahr 1960 implantierte Lower (18) im Tierversuch die Pulmonalklappe in die Aorta ascendens und 1966
Pillsbury (24) in die Aortenwurzel. Ein Jahr später gelang Ross (27) der erste klinische Aortenklappenersatz mit
einer autologen Pulmonalklappe. Aufgrund der Komplexität dieser Operation einerseits und der sich andererseits rasch entwickelnden, einfach zu implantierenden mechanischen
Ersatzventile und Bioprothesen fand die Ross-Operation zunächst keine weitere Verbreitung. Erst durch die Publikationen exzellenter klinischer Ergebnisse Anfang der 90er Jahre (28, 34) und die immer deutlicher
werdenden Nachteile der herkömmlichen Ersatzventile gewann dieses Verfahren zunehmende Attraktivität, so
daß 1993 für die Ross-Operation ein internationales Register eingerichtet wurde (22). Seit 1987 ist weltweit ein
exponentieller Anstieg der Operationszahlen von anfangs 30 Eingriffen pro Jahr auf über 600 im Jahr 1996
zu verzeichnen. Die Gesamtzahl der Ross-Operationen betrug bis Mitte 1997 etwa 3 000 Operationen in 122
Zentren (23).
Indikationen und Kontraindikationen
Zur Zeit gilt als generell akzeptierte Indikation die isolierte Aortenklappenpathologie bei jungen Patienten im
Alter zwischen 11 und 50 Jahren (17). Insbesondere profitieren von dieser Operationsmethode Patienten mit
einer Kontraindikation zur oralen Antikoagulation, aktive Menschen mit sportlichen Ambitionen, Kinder
aufgrund des Wachstumspotentials des Autografts (6) und Frauen mit Kinderwunsch. Weiterhin scheint sich die
Ross-Operation besonders bei einer auf die Aortenklappe begrenzten Endokarditis zu bewähren (14).
Mit zunehmenden Erkenntnissen erweitert sich in Zentren mit umfangreichen Erfahrungen auch das
Indikationsspektrum. So stellen eine simultane Mehrklappenoperation (15) oder zusätzliche Eingriffe wie eine
antiarrhythmische Operation (Maze-Operation), eine limitierte Bypasschirurgie, ein Notfalleingriff, die
Korrektur eines Aorta-ascendens-Aneurysmas (15) oder eine Reoperation nach Klappenersatz oder -korrektur
(25) keine Kontraindikationen mehr dar. Auch besteht eine Altersgrenze nur noch insoweit, als die RossOperation nicht durchgeführt werden sollte, wenn die allgemeine Lebenserwartung mit großer
Wahrscheinlichkeit unter derjenigen einer Bioprothese liegt (19). Neonaten (26, 29) und aktive Patienten in der
siebten Lebensdekade können gleichermaßen von einer Ross-Operation profitieren. Als klare Kontraindikationen
gelten anatomische und strukturelle Defekte der Pulmonalklappe, Bindegewebserkrankungen wie das MarfanSyndrom, eine schwere koronare Herzkrankheit, ein reduzierter Allgemeinzustand, eine stark eingeschränkte
Ventrikelfunktion oder Verkalkungen im Bereich der Koronarostien sowie insbesondere aktive Erkrankungen
aus dem rheumatischen Formenkreis. Eine Aortenringdilatation stellt keine Kontraindikation dar, da der
Aortenklappenring plastisch auf die gewünschte Größe reduziert werden kann (7).
Chirurgische Technik
In moderater Perfusionshypothermie von 28 bis 30 °C und künstlichem Herzstillstand wird über eine kurze
Inzision oberhalb der Kommissuren die Pulmonalklappe auf ihre Verwendungsfähigkeit untersucht.
Anschließend erfolgt unter besonderer Berücksichtigung des Koronararterienhauptstammes und des ersten
Septumastes des Ramus interventricularis anterior die Exzision der Pulmonalklappe (Abbildung 1). Der Einbau
der autologen Pulmonalklappe in Aortenposition kann prinzipiell in drei verschiedenen Techniken vorgenommen
werden: als freistehender Aortenwurzelersatz mit Reimplantation der Koronararterien (Abbildung 2), in
Subkoronartechnik (Abbildung 3) oder als Wurzelinklusion (Abbildung 4). In den letzten Jahren wird
vornehmlich die Technik der freistehenden Wurzeltransposition angewendet. Sie bietet den Vorteil, daß die
funktionelle Integrität des Autografts am wenigsten durch die Operation beeinflußt werden kann.
Größenunterschiede des Pulmonal- und Aortenklappenringes sollten durch Aortenklappenringerweiterungs- und
-einengungsplastiken annähernd ausgeglichen werden. Der rechtsventrikuläre Ausflußtrakt wird durch
Implantation einer pulmonalen Leichenklappe von ähnlicher Größe wie der Aortenklappenringdurchmesser
wiederhergestellt.
Patienten- und Operationsdaten
Von Februar 1990 bis August 1997 wurden von den Autoren insgesamt 84 Patienten der Ross-Operation
unterzogen. Die Patienten erhielten postoperativ keine orale Antikoagulantientherapie, sofern keine
anderweitigen Indikationen hierfür auftraten. Das mittlere Alter der 19 weiblichen und 65 männlichen Patienten
betrug 51 6 15 Jahre (Spannweite 15 bis 71 Jahre). Ätiologisch konnten folgende Grunderkrankungen ermittelt
werden: degenerative Veränderungen der Aortenklappe in 70 Prozent (n = 59), Zustand nach rheumatischen
Prozessen in 17 Prozent (n = 14), Zustand nach abgelaufener Endokarditis in 8 Prozent (n = 7) und akute
Endokarditis in 5 Prozent (n = 4). Am häufigsten (n = 59, 70 Prozent) wurde die subkoronare Operationstechnik
angewendet, gefolgt von der Wurzelinklusion (n = 15, 18 Prozent) und dem totalen Wurzelersatz (n = 10, 12
Prozent). Zusätzlich wurden folgende simultane Eingriffe durchgeführt: Mitralklappenrekonstruktion (n = 5),
Korrektur eines Aorta-ascendens-Aneurysmas (n = 3), aorto-koronare Bypass-Operation (n = 3), Anuloplastie
des Aortenklappenringes (n = 8) und die antiarrhythmische Maze-Operation (n = 2). Der klinische Schweregrad
konnte präoperativ gemäß der Klassifizierung der New York Heart Association (NYHA) folgendermaßen
eingeteilt werden: NYHA I: zwei Patienten (2 Prozent), NYHA II: 30 Patienten (36 Prozent), NYHA III: 42
Patienten (50 Prozent) und NYHA IV: 10 Patienten (12 Prozent). Die mittlere Aortenabklemmzeit betrug 137 6
12 min und die mittlere Bypasszeit 194 6 35 min. Die Patientendaten aus dem internationalen Ross-Register
unterschieden sich bis auf das im Register aufgeführte, signifikant niedrigere mittlere Patientenalter von 29
Jahren nicht bedeutsam von den hier erwähnten Daten.
Hospitalmortalität und -morbidität
Die Hospitalmortalität betrug 1,2 Prozent (n = 1). Eine Patientin verstarb an therapierefraktären
Herzrhythmusstörungen. Bei zwei Patienten mußte der Pulmonalisgraft aufgrund einer technisch bedingten
akuten Fehlfunktion intraoperativ oder direkt postoperativ durch eine mechanische Klappe ersetzt werden. Bei
einem Patienten mit Wurzelersatz war die Erneuerung der rechten Koronararterienanastomose aufgrund einer
Leckage notwendig. Ein 69jähriger Patient erlitt bei De-novo-Auftreten von Vorhofflimmern eine transitorisch
ischämische Attacke. Die Hospitalmortalität im internationalen Register betrug 2,5 Prozent, wobei als Ursachen
myokardiales Versagen, Herzrhythmusstörungen und der Herzinfarkt im Vordergrund standen. Bezüglich der
Hospitalmorbidität werden im Register Herzrhythmusstörungen, Blutungsprobleme und der Myokardinfarkt als
häufigste kardiale Probleme angegeben.
Langzeitergebnisse Überlebensraten und Komplikationen
Der Vergleich von Langzeitergebnissen nach Aortenklappenersatz ist schwierig.
Dieses ist nicht nur bedingt durch die Unterschiede bezüglich der Dauer der Nachbeobachtungszeit, der
Demographie der Patienten, der Operationstechnik und des Prothesentyps, sondern auch durch die statistische
Darstellung der Ergebnisse. So wird die nach der Methode von Kaplan-Meier bestimmte, aktuarielle
Langzeitüberlebensrate nach einer Ross-Operation (mittleres Operationsalter 32 Jahre) von Chambers et al. (5)
mit 85 Prozent nach zehn Jahren und 61 Prozent nach 20 Jahren angegeben (Grafik). Bei einer hinsichtlich des
Operationsalters vergleichbaren Gruppe wird von Fann et al. (9) über eine aktuarielle Überlebensrate, die nach
Cutler-Ederer berechnet wurde, von 70 Prozent zehn Jahre nach Bioprothesenimplantation berichtet (Grafik).
In dem von den Autoren vorgestellten Patientenkollektiv mit 98 Prozent Follow-up, einem
Beobachtungszeitraum von maximal sieben Jahren (Mittel 24 6 21 Monaten) und einem mittleren Operationsalter von 52 Jahren trat kein Spättodesfall auf. Hammermeister et al. (2) geben eine Überlebenswahrscheinlichkeit
(mittleres Operationsalter: 59 Jahre) von 52 Prozent nach zehn Jahren bei mechanischem Klappenersatz und von
45 Prozent nach zehn Jahren bei Bioprothesenimplantation an (Grafik).
Die weiteren Komplikationsraten nach Aortenklappenersatz sind aus Übersichtsarbeiten in Tabelle 2 dargestellt,
wobei die fehlende Übereinstimmung der Patientenrekrutierung bei der Bewertung der Ergebnisse zu
berücksichtigen ist.
Aus dieser Tabelle 2 geht hervor, daß Patienten, die mechanische Herzklappenprothesen haben, eine höhere Rate
an Blutungskomplikationen und Thromboembolien aufweisen. Der Langzeitverlauf bei Patienten mit
Bioprothesen ist dagegen durch häufigeres Klappenversagen mit nachfolgenden Reoperationen gekennzeichnet.
Bei Patienten nach Ross-Operation wird über eine niedrigere Komplikationsrate berichtet (5), wobei die
Dysfunktion des Autografts, die häufig technisch bedingt ist, sowie die Dysfunktion des Homografts im
Vordergrund stehen.
Die Reoperationsfreiheit hinsichtlich der Autografts beträgt nach Chambers et al. (5) nach 20 Jahren 75 Prozent,
diejenige der Homografts nach 20 Jahren 92 Prozent. Die Komplikationsraten des von den Autoren vorgestellten
Patientenkollektivs sind in Tabelle 2 wiedergegeben.
Ein 69jähriger Patient mit hochgradiger Atheromatose der Aorta ascendens erlitt ein halbes Jahr nach der
Operation einen zerebralen Insult mit weitgehender Restitutio. Ein anderer Patient mit idiopathischer
Medianekrose vom Typ Erdheim-Gsell mußte wegen einer koronaren Herzkrankheit und einer
Aortenklappeninsuffizienz aufgrund eines Aneurysmas im Bereich des als freistehende Wurzel transponierten
Autografts reoperiert werden.
Für eine endgültige Evaluierung der Ross-Operation im Vergleich zu den gängigen Verfahren des
Aortenklappenersatzes müssen insbesondere die Langzeitergebnisse der laufenden prospektiven randomisierten
Studien abgewartet werden.
Klappenfunktion
Die Beurteilung der Klappenfunktion durch transthorakale Echokardiographie ergab in der Serie von Chambers
et al. (5) nach 20 Jahren folgende Ergebnisse: Keine Stenose im Bereich des Autografts und 75 Prozent Freiheit
von signifikanter Aortenklappeninsuffizienz. Von 40 aortalen Homografts zeigten 36 keine bedeutende
Regurgitation, aber 25 wiesen einen Gradienten von mehr als 20 mmHg auf. Im internationalen Register wird die
postoperative Aortenklappeninsuffizienz als trivial bei 37 Prozent der Patienten, als gering (Grad I) bei 49
Prozent, als mäßig (Grad II) bei 11 Prozent, als mittelschwer (Grad III) bei 2 Prozent und als schwer (Grad IV)
bei 1 Prozent angegeben. Als hämodynamische Besonderheit der Ross-Operation gilt, daß auch unter Belastung
der Druckgradient über dem Autograft - im Gegensatz zu dem bei mechanischen Klappen und Bioprothesen -
nicht ansteigt.
Die innerhalb des letzten Jahres von den Autoren durchgeführten echokardiographischen Nachuntersuchungen
der Patienten sind in Tabelle 3 dargestellt.
Der Grad der Aortenklappeninsuffizienz blieb bei den meisten Patienten während der Nachuntersuchungsperiode
im wesentlichen unverändert. Lediglich zwei mäßige (Grad II) und eine mittelschwere (Grad III)
Aortenklappeninsuffizienz entwickelten sich im Laufe von zwei Monaten bis sieben Jahren. Diese traten bei
zwei jungen Patienten mit einer Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis und bei einem Patienten mit
einer Gefäßwandschwäche aufgrund einer idiopathischen Medianekrose vom Typ Erdheim-Gsell auf.
Klinischer Schweregrad und linksventrikuläre Funktion
81 Patienten (96 Prozent) waren hinsichtlich der klinischen Schweregrade entsprechend der New York Heart
Association den Klassen I und II zuzuordnen, 3 Patienten (4 Prozent) der Klasse III. Bei den meisten Patienten
(n = 77, 92 Prozent) konnte die postoperative linksventrikuläre Funktion echokardiographisch als normal
eingestuft werden.
Zirkulierende Mikroembolien
Durch transkranielle Dopplersonographie konnte bei Patienten nach Ross-Operation im Vergleich zu denjenigen
nach Aortenklappenersatz mit mechanischer Prothese eine signifikant niedrigere Rate und Inzidenz an für
Mikroembolien charakteristischen Signalen in der Arteria cerebri media nachgewiesen werden (21) (Abbildung
5).
Obwohl neuere Untersuchungen (16) ergeben haben, daß diese Mikroembolien bei Patienten nach
mechanischem Herzklappenersatz hauptsächlich aus Gas bestehen und zum Zeitpunkt der Untersuchung klinisch
unauffällig verliefen, bleibt die Frage offen, ob diese Ereignisse auf Dauer klinisch relevant werden können.
Probleme und potentielle Komplikationen
Die häufig diskutierte Frage, ob die aus dem Niederdrucksystem stammende Pulmonalklappe akut dem
Systemdruck standhält, konnte durch die Arbeiten von Gorczynski et al. (11) insofern bejaht werden, als die
Pulmonalklappe eine höhere Zugfestigkeit aufweist als die Aortenklappe. Bestätigung finden diese Ergebnisse in
der Tatsache, daß die Autografts direkt nach der Implantation nicht zu einer strukturell bedingten akuten
Aortenklappeninsuffizienz neigen. Sie degenerieren selten, weisen eine stabile Funktion im Langzeitverlauf auf
und sind nach 24 Jahren noch vital (5).
Dennoch wird von den Autoren streng darauf geachtet, daß in der direkten postoperativen Phase hypertensive
Kreislaufsituationen zum Schutz der Aortenklappensegel vermieden werden.
Die postoperativen Aortenklappeninsuffizienzen können grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilt werden. Die
direkt postoperativ nachweisbaren signifikanten Aortenklappeninsuffizienzen entstehen häufig im Verlauf der
Operation. Sie können mit wachsender chirurgischer Erfahrung vermieden werden. Ob die trivialen
Regurgitationen (Abbildung 6) funktionell bedingt sind oder durch die unvermeidliche Denervierung der
Autografts und damit der Semilunarklappen unterstützt werden, ist noch unklar. Diese frühpostoperativen
Insuffizienzen bleiben im Langzeitverlauf meistens stabil. In Einzelfällen kann es auch zu einer Verringerung
der Insuffizienzen kommen (32).
Die spätpostoperativen, sich im Langzeitverlauf entwickelnden Aortenklappeninsuffizienzen sind meistens durch
allgemeine pathologische Prozesse, die auch die anderen Herzklappen befallen können, verursacht. Ein
besonderes Problem stellen junge Patienten mit akuten Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis dar.
Bei ihnen können diese Prozesse auch den Autograft mit der Gefahr der Entwicklung einer
Aortenklappeninsuffizienz einbeziehen. Dieses konnte bei zwei jungen Patienten in dem hier vorgestellten
Patientenkollektiv ebenfalls beobachtet werden. Bei Vorliegen oder auch bei Verdacht auf eine derartige
Grunderkrankung ist zur Zurückhaltung bei der Indikationsstellung zu raten.
Andererseits können Dilatationsprozesse im Bereich einer freistehend implantierten Wurzel die Entstehung von
Aortenklappeninsuffizienzen begünstigen. Kurzfristige Nachuntersuchungen haben keine Dimensions- und
Funktionsänderungen des Autografts nach Transponierung als freistehende Wurzel ergeben (11).
Es ist bis dato jedoch nicht geklärt, ob im Langzeitverlauf eine Dilatation der Neoaortenwurzel eintritt. Dieses ist
für Kinder beschrieben, ohne daß bisher eine Zunahme der Regurgitation nachzuweisen war (8).
Besonders bei Patienten mit Verdacht auf strukturelle Gefäßwandanomalien, beispielsweise vom Typ ErdheimGsell, die intraoperativ manchmal nur aufgrund der relativ großen Durchmesser und der dünnen Wände der
Pulmonaliswurzel zu erahnen sind, sollte die Transponierung des Autografts als freistehendem
Aortenwurzelersatz aus Sicht der Autoren nicht durchgeführt werden. In dem vorgestellten Patientenkollektiv
zog eine derartige Gewebsschwäche in einem Fall die Entwicklung eines Aneurysmas im Bereich des
Autografts, eine mittelschwere Aortenklappeninsuffizienz und eine erneute Operation nach sich. Es erscheint
vorteilhaft, die freistehenden Autograftwurzeln mit einer Perikard- oder Kunststoffmanschette an der Basisnaht
vor Überdehnung zu sichern. Um diese potentiellen Probleme zu umgehen, wenden die Autoren in den letzten
Jahren erneut die subkoronare Implantationstechnik an, bei der die orthotope Aortenwand einen natürlichen
Dilatationsschutz bietet.
Der Homograft in der rechtsventrikulären Ausflußbahn (Abbildung 7) besteht aus Fremdgewebe und neigt somit
zu Abstoßungsreaktionen (13, 33).
Möglicherweise können diese Vorgänge für die bei einigen Patienten direkt postoperativ auftretenden,
anderweitig nicht zu erklärenden Temperaturen verantwortlich sein (31) und Degenerationsprozesse, gefolgt von
Klappendysfunktionen, auslösen (20, 24). Diese werden zwar im Niederdrucksystem des rechten Ventrikels eher
toleriert als in Aortenposition, können aber im Langzeitverlauf zu Reoperationen führen.
In der Nachbeobachtungsperiode von 25 Jahren aus der Veröffentlichung von Chambers et al. (5) war eine
Homograftdysfunktion nur selten an der postoperativen Mortalität und Morbidität beteiligt. Die durch
Homograftdysfunktion bedingte Reoperationsrate betrug für antibiotisch sterilisierte aortale Homografts nach 20
Jahren acht Prozent und liegt damit deutlich niedriger als die für Bioprothesen angegebene Reoperationsrate
(Tabelle 2). In diesem Kontext sind sorgfältige Nachuntersuchungen des Homografts und insbesondere der
rechtsventrikulären Funktion wichtig.
Durch die Implantation von kryokonservierten, mehr oder weniger vitalen, blutgruppengleichen, eventuell
gewebetypisierten pulmonalen Homografts können die Ergebnisse vermutlich noch verbessert werden (1, 2).
Die durch die Operation bedingten langen Bypass- und Ischämiezeiten des Herzens bedeuten bei den modernen
Perfusionstechniken und Möglichkeiten der Protektion des Myokards keine gravierende Einschränkung für diese
Methode der Operation.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-2922-2930
[Heft 46]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med.
Hans-Hinrich Sievers
Klinik für Herzchirurgie
Medizinische Universität zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Tabelle 1
Gesamtletalität und klappenspezifische Komplikationen*
Ereignis Aortenklappe Mitralklappe
Mechanische Mechanische
Klappe Bioprothese Klappe Bioprothese
(n = 198) (n = 196) p (n = 88) (n = 93) p
Gesamtletalität 0,5360,04 0,5960,04 0,26 0,6460,05 0,6760,05 0,41
klappenspezifische Komplikationen
insgesamt 0,6260,04 0,6460,04 0,64 0,7160,05 0,7960,06 0,34
Systemische Embolisation 0,1660,04 0,1560,03 0,49 0,1860,05 0,1560,04 0,61
Blutung 0,4360,04 0,2460,04 <0,001 0,4160,06 0,2860,07 0,02
Endokarditis 0,0760,02 0,0860,02 0,79 0,1160,04 0,1760,05 0,37
Klappenthrombose 0,0260,01 0,0160,01 0,33 0,0160,01 0,0160,01 0,95
perivalvulärer Rückfluß 0,0460,02 0,0260,01 0,28 0,1760,05 0,0960,06 0,05
Reoperation 0,0760,02 0,1660,04 0,07 0,2160,05 0,4760,09 0,23
strukturelles Klappenversagen 0,0060,00 0,1560,04 <0,001 0,0060,00 0,3660,08
<0,001
* Elf Jahre nach Aorten- und Mitralklappenersatz, randomisiert hinsichtlich des Prothesentyps
Plus-Minus-Werte sind Mittelwerte 6 Standardabweichung. p-Werte beziehen sich auf die Differenzen der
Wahrscheinlichkeiten von ereignisfreiem Überleben zwischen Patienten mit einer mechanischen oder einer
Bioprothese (12).
Tabelle 2
Komplikationsraten nach Aortenklappenersatz mit mechanischen Klappen, Bioprothesen und Autografts
Autor Akins (1) Geha (10) Chambers (5) Sievers, MUL**
Patientenanzahl - 606 131 84
Op.-Alter (Jahre) - 18-88 im Mittel 32 im Mittel 51
Follow-up (Jahre)/
Patientenjahre -/10 234 10/- 25/- 7/ Klappentyp Mechan. Klappe Bioprothese Autograft Autograft
Ereignisse (SJM*)
Thromboembolie 2,0 (0,9-2,8) 0,7 0,6 0,6
Klappenthrombose 0,2 (0,0-0,3) - - 0
Blutung 2,2 (0-7,9) 0,2 - 0
Endokarditis 0,4 (0,1-1,7) 0,9 0,4 0
Reoperation 0,4 (0-1,4) 2,7 0,8 Autograft 0,6 Autograft
0,6 Autograft 0,0 Homograft
Klappenversagen - 2,4 0,7 Autograft 0,6 Autograft
0,5 Homograft 0,0 Homograft
Paravalvuläres Leck 0,4 (0-3,4) 0,3 - 0
- nicht angegeben; *SJM St. Jude Medical (mechanische Herzklappenprothese); **MUL Medizinische
Universität zu Lübeck. Ereignisse als linearisierte Raten in Prozent pro Patientenjahr (Spannweite)
Tabelle 3
Echokardiographische Ergebnisse nach Ross-Operationen (n = 84)
Insuffizienz Druckgradient Anzahl (n)
Autograft < 5 mmHg 60 (71%)
5-10 mmHg 24 (29%)
Grad 0 59 (70%)
trivial Grad 0-I 14 (17%)
leicht Grad I 8 (10%)
mäßig Grad II 2 (2%)*
mittelschwer Grad III 1 (1%)**
Homograft < 15 mmHg 75 (90%)
16-30 mmHg 9 (10%)
nicht vorhanden 77 (92%)
leicht 7 (8%)
7 Jahre Nachbeobachtungszeitraum (im Mittel 24 6 21 Monate)
* Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis
** idiopathische Medianekrose, Reoperation
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