Medizin
Affenpocken in England übertragen
Donnerstag, 27. September 2018
London – Einer der beiden Patienten, die sich in Nigeria mit Affenpocken infiziert haben und seit dem Ausbruch der Erkrankung an zwei Kliniken in England auf Isolierstationen behandelt werden, hat einen medizinischen Betreuer infiziert. Dies teilt Public Health England mit. Die Gesundheitsbehörde sieht allerdings keine Gefahr einer drohenden Epidemie.
Die Affenpocken werden von Orthopoxvirus simiae ausgelöst, einem Verwandten von Orthopoxvirus variolae, dem Auslöser der 1980 ausgerotteten „echten“ Pocken. Das Virus befällt jedoch in erster Linie Tiere (während an den echten Pocken nur Menschen erkrankten). Die Ansteckungsgefahr für den Menschen ist gering. Sie erfolgt in der Regel durch den Kontakt mit infizierten Tieren (Eichhörnchen, Ratten, Primaten) entweder durch Bisse oder durch den Kontakt mit tierischem Blut und Sekreten, dem Verzehr von infiziertem Affenfleisch oder durch Tröpfcheninfektion, was jedoch einen engen persönlichen Kontakt voraussetzt.
Gegen Pocken geimpfte Menschen sind teilweise immun gegen die Affenpocken. Seit dem Ende der Schutzimpfungen kommt es deshalb wieder zu Erkrankungen. Sie blieben lange auf die Demokratische Republik Kongo beschränkt, wo sie 1970 erstmals bei Menschen nachgewiesen wurden. Dort kam es 1996–97 zu einem größeren Ausbruch.
Im Frühjahr 2003 wurden Affenpocken-Fälle in den Vereinigten Staaten von Amerika bestätigt, das erste Auftreten der Krankheit außerhalb des afrikanischen Kontinents. Die Patienten hatten sich über Präriehunde infiziert, die sie als Haustiere gehalten hatten. Die Präriehunde hatten sich bei afrikanischen Nagetieren infiziert, die in die USA importiert worden waren.
Im Jahr 2017 kam es in Nigeria zu dem bisher größten Ausbruch in Westafrika. Die Epidemie soll inzwischen abgeklungen sein, aber offenbar ist das Virus dort noch endemisch. Die beiden Patienten, die jetzt in England auf Isolierstationen behandelt werden, waren am 2. und am 4. September aus Nigeria eingereist. Beide waren während der Einreise bereits symptomatisch, werden aber erst seit dem 8. und dem 11. September medizinisch betreut. Die Behandlung, die mangels wirksamer Medikamente rein symptomatisch ist, erfolgt in 2 Kliniken auf Isolierstationen. Es handelte sich um die ersten Erkrankungen, die jemals in Europa aufgetreten sind.
Die britischen und die französischen Behörden (der 2. Patient hatte in Paris das Flugzeug gewechselt) haben in den letzten Wochen zahlreiche Kontaktpersonen untersucht, bisher aber keinen weiteren Erkrankungsfall gefunden.
Jetzt hat sich offenbar ein Mitglied des Behandlungsteams, das den 2. Patienten am Royal Victoria Infirmary in Newcastle betreut, angesteckt. Laut Public Health England hatte er den Patienten bereits betreut, bevor die Erkrankung bei diesem erkannt wurde. Es handelt sich damit um die erste bekannt gewordene Übertragung der Affenpocken außerhalb von Afrika.
Der 3. Patient wurde inzwischen ebenfalls isoliert und wird derzeit medizinisch betreut. Die britische Gesundheitsbehörde untersucht jetzt auch die Kontakte des dritten Patienten.
Die Affenpocken verlaufen in der Regel milde. Nach Informationen des Robert-Koch-Instituts (RKI) erholen sich die meisten Menschen innerhalb von wenigen Wochen. Es sind jedoch schwere Verlaufsformen möglich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt die Case-Fatality-Rate auf 1 bis 10 %.
Die humanen Affenpocken beginnen mit plötzlich einsetzendem Fieber von 38,5 bis 40,5 °C. Zunächst kommt es zu einem Enanthem und Läsionen im Oropharynx und bei den meisten Patienten zu einer Lymphknotenschwellung. Danach tritt ein pockenähnliches Exanthem auf mit Bläschen oder Pusteln. Der Ausschlag kann am ehesten mit den Windpocken verwechselt werden. Zu den Differentialdiagnosen gehören aber auch Zoster, Scharlach, Masern, Tanapox-Infektion, Syphilis, Skabies und ein allergisches Exanthem.
Ein Verdacht besteht, wenn die Patienten zuvor aus Westafrika oder Zentralafrika eingereist sind. Die Inkubationszeit beträgt 7 bis 21 Tage (meist 10 bis 14 Tage).
Die Behandlung der Affenpocken erfolgt rein symptomatisch. Es gibt weder eine spezifische Impfung noch Medikamente mit nachgewiesener Wirkung. Ob Tecovirimat wirkt, ist nicht bekannt. Tecovirimat wurde kürzlich in den USA zur Behandlung der echten Pocken zugelassen (als Vorsichtsmaßnahme im Falle eines bioterroristischen Angriffs).
Laut dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben einige Virostatika (Cidofovir und Brincidofovir) in vitro und in Tierversuchen eine Wirksamkeit gegen Pockenviren erzielt. Sie wurden auf Forschungsbasis zur Behandlung schwerer mit Pockenimpfstoffen assoziierter unerwünschter Ereignisse eingesetzt. Vaccinia-Immunglobulin wurde ebenfalls verwendet. © rme/aerzteblatt.de
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