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Checkliste: Ist es die Alzheimer-Krankheit oder das Alter?

  • Montag, 23. Dezember 2024
  • Quelle: Lilly Deutschland GmbH

Einen Termin vergessen oder nach Wörtern suchen – sind es erste Anzeichen einer neurodegenerativen Erkrankung oder ist es das normale Altern? Hier finden Sie eine Übersicht zu Demenzformen und erfahren, wie sich die Alzheimer-Krankheit vom normalen Altern unterscheidet [1, 2].

IC Lilly Neuro B30 KV
©iStock / Highwaystarz-Photography

S3-Leitlinie Demenzen: Sechs Demenzformen und ihre Merkmale

„Demenzerkrankungen sind definiert durch den Abbau und Verlust kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen.“ So beginnt das Kapitel „Diagnostik der Demenz und ätiologische Zuordnung“ der aktuellen S3-Leitlinie Demenzen. Trotz dieser Gemeinsamkeiten unterscheiden sich demenzielle Erkrankungen erheblich – u. a. in ihren Ursachen. Daher empfiehlt die S3-Leitlinie Demenzen, neben der syndromalen (klinischen) Diagnose einer Demenz, eine ätiologische Differenzialdiagnostik durchzuführen. Nur so ist es möglich, sowohl die Betroffenen als auch ihre Angehörigen angemessen zu beraten und ihnen die richtigen Therapieoptionen anzubieten. Die S3-Leitlinie Demenzen unterscheidet dabei sechs Demenzformen (Tab. 1) [1].

Tabelle 1: Sechs Demenzformen im Überblick

Tab. 1: Unterschiedliche Demenzformen: Merkmale und diagnostische Kriterien nach der S3-Leitlinie Demenzen [1, 3].

Demenzform

Merkmale und diagnostische Kriterien [1]

1. Alzheimer-Krankheit
(60 % -80 % der Demenzfälle)

Diagnostische Kriterien gemäß der International Working Group (IWG):

  • Spezifischer klinischer Phänotyp: Häufige Phänotypen sind demnach die
    o amnestische Variante: fortschreitendes amnestisches Syndrom vom „Hippocampus-Typ“
    o die posteriore kortikale Atrophie: fortschreitende Störung der visuellen ± anderen posterioren kognitiven Funktionen
    o logopenische Variante Primär progressive Aphasie (IvPPA): fortschreitende Beeinträchtigung beim Abruf von Einzelwörtern und der Wiederholung von Sätzen

  • Biomarker-Nachweis der Alzheimer-Krankheit (Amyloid- und Tau-positiv).

2. Vaskuläre Demenz
(5 % -10 % der Demenzfälle)

Charakteristisch für die drei Subformen der vaskulären Demenz sind mikro- oder makroangiopathische Veränderungen:

  • Demenz nach Schlaganfall (Post Stroke Dementia, PSD): Eine sofortige und/oder verzögerte kognitive Verschlechterung, die innerhalb von sechs Monaten nach dem Schlaganfall beginnt und sich nicht zurückbildet.

  • Subkortikale ischämische vaskuläre Demenz (SIVaD): Erkrankung der kleinen Gefäße, vor allem lakunäre Infarkte und ischämische Läsionen der weißen Substanz.

  • Multi-Infarkt-Demenz (MID): Demenz aufgrund multipler großer kortikaler Infarkte.

3. Gemischte Demenz

Es liegen gleichzeitig verschiedene Pathologien vor – z. B. eine Alzheimer-Pathologie und eine vaskuläre Pathologie. Es wird empfohlen, spezifische gemischte Pathologien zu benennen und nicht die weniger spezifische Klassifikation „gemischte Demenz“ zu verwenden, sofern möglich.

4. Frontotemporale Demenz

Die S3-Leitlinie Demenzen unterscheidet fünf Subformen der frontotemporalen Demenz:

  • Verhaltensvariante: Fortschreitende Zunahme von Verhaltensänderungen und/oder von kognitiven Defiziten – einschließlich obligatorischer Merkmale wie zum Beispiel ein sozial unangemessenes Verhalten.

  • Primär progressive Aphasien: Schwierigkeiten mit der Sprache/Aphasie.

  • Nicht flüssige/agrammatische primär progressive Aphasie: Notwendige Merkmale sind entweder Agrammatismus in der expressiven Sprache und/oder angestrengtes stockendes Sprechen mit inkonsistenten Lautfehlern und Lautentstellungen (Sprechapraxie).

  • Semantische Variante der primär progressiven Aphasie: Obligatorische Merkmale sind beeinträchtigtes Benennen und Einzelwortverständnis. Dazu kommen weitere Anzeichen aus dem Bereich der Sprachkompetenz.

  • Logopenische Variante der primär progressiven Aphasie (häufig eine atypische Manifestation der Alzheimer-Krankheit): Obligatorische Merkmale sind Wortfindungsstörungen für Einzelworte in der Spontansprache und im Benennen sowie ein beeinträchtigtes Nachsprechen auf Satz- und Phrasenebene. Daneben gibt es weitere sprachbezogene Merkmale.

5. Demenz mit Lewy-Körpern

Drei typische klinische Merkmale mit früher Manifestation im Erkrankungsverlauf sind:

  • Schwankende Kognition mit ausgeprägten Schwankungen der Aufmerksamkeit und Wachsamkeit.

  • Wiederkehrende visuelle Halluzinationen, die i. d. R. stark ausgebildet und detailliert sind.

  • REM-Schlaf-Verhaltensstörung, die den kognitiven Symptomen vorausgehen kann.

Weitere Merkmale können hinzukommen.

6. Demenz mit Parkinson-Krankheit

Kernmerkmale sind:

  • Diagnose eines M. Parkinson entsprechend den „Queen Square Brain Bank“-Kriterien

  • Ein demenzielles Syndrom mit schleichendem Beginn und langsamer Progression, welches sich bei bestehender Diagnose eines Parkinson-Syndroms entwickelt und sich, basierend auf der Anamnese, in der klinischen und psychischen Untersuchung wie folgt darstellt:
    o Einschränkungen in mehr als einer kognitiven Domäne
    o Abnahme der Kognition im Vergleich zum prämorbiden Niveau
    o Die Defizite sind ausgeprägt genug, um zu Einschränkungen im täglichen Leben (sozial, beruflich oder in der eigenen Versorgung) zu führen, unabhängig von Einschränkungen, die motorischen oder autonomen Symptomen zuzuordnen sind.

So unterscheidet sich das normale Altern von der Alzheimer-Krankheit

Kognitive Veränderungen müssen nicht notwendigerweise ein Anzeichen für eine der sechs genannten demenziellen Erkrankungen sein. Sie können auch im Zuge des physiologischen Alterns auftreten. So stellt sich in der klinischen Praxis die herausfordernde Frage: Welche Verhaltensweisen gehören noch zum „normalen“ Altern und was sind bereits die ersten Symptome einer Alzheimer-Krankheit? Tabelle 2 stellt typische Differenzierungskriterien gegenüber. Grundsätzlich gilt: Es kommt darauf an, wie häufig und persistierend die Anzeichen bzw. Symptome auftreten und wie stark sie das Leben der Betroffenen beeinträchtigen [2].

Tab. 2: Differenzierung „normales“ Altern vs. symptomatische Alzheimer-Krankheit [2]

„normales“ Altern

symptomatische Alzheimer-Krankheit

Gelegentliches Vergessen mit späterer Rückkehr der Erinnerung.

Gedächtnisverlust, der das tägliche Leben beeinträchtigt.

Gelegentliche Fehler beispielsweise beim Bezahlen von Rechnungen.

Schwierigkeiten beim Planen oder bei der Lösung von Problemen.

Es wird gelegentlich Hilfe benötigt, um beispielsweise elektronische Geräte zu bedienen.

Probleme bei der Erledigung vertrauter Aufgaben.

Unsicherheit in Bezug auf den aktuellen Wochentag, wobei sich die Betroffenen später an den richtigen Wochentag erinnern.

Der zeitliche Überblick (Jahreszeiten, Datum und Uhrzeit) ist verloren gegangen.

Sehbeeinträchtigungen aufgrund einer Katarakt.

Eingeschränkte visuelle und räumliche Fähigkeiten, z. B.: Sehveränderungen mit Gleichgewichtsstörungen oder Schwierigkeiten beim Lesen; Schwierigkeiten bei der Einschätzung von Entfernungen sowie dem Erkennen von Farben und Kontrasten.

Gelegentliche Schwierigkeiten, einzelne Wörter zu finden.

Neu aufgetretene Schwierigkeiten mit dem Schreiben oder Sprechen, z. B.: Schwierigkeiten, einem Gespräch zu folgen; plötzliches Abbrechen eines Gesprächs, unbeabsichtigtes Wiederholen, Wortschatzdefizite bezüglich der Benennung vertrauter Gegenstände.

Gelegentliches Verlegen von Gegenständen, die aber wiedergefunden werden können.

Verlegen von Gegenständen bei gleichzeitigem Verlust der Fähigkeit, sie wiederzufinden.

Gelegentlich Fehler machen oder falsche Entscheidungen treffen.

Vermindertes Urteilsvermögen und veränderte Entscheidungsfindung beispielsweise in Finanzfragen oder mit Auswirkungen auf die Körperpflege.

Gelegentliches Desinteresse an familiären oder gesellschaftlichen Verpflichtungen.

Vernachlässigung von Hobbys sowie Rückzug von sozialen oder anderen Aktivitäten.

Irritationen, wenn Gewohnheiten oder Routinen gestört werden.

Stimmungsschwankungen und Persönlichkeitsveränderungen, z. B.: leichte Erregbarkeit, Verwirrtheit, Misstrauen, Depression, Ängstlichkeit.

Differenzialdiagnostik: Den Ursachen einer kognitiven Störung auf der Spur

Falls die Anzeichen einer leichten kognitiven Störung (mild cognitive impairment, MCI) im Einzelfall eher auf die Alzheimer-Krankheit oder eine andere Demenzform hindeuten, ist es wichtig, die Ätiologie sorgfältig abzuklären. So kann eine MCI auch auf reversible Ursachen wie eine depressive Erkrankung oder eine Hypovitaminose zurückgehen. Da die Alzheimer-Krankheit mit einer Vielzahl von Symptomen einhergehen kann, werden verschiedene diagnostische Methoden empfohlen [1, 3].

Anamnese [1, 3, 4]

Zur anamnestischen Abklärung gehören:

  • Risikofaktoren wie Alter, Familienangehörige ersten Grades mit der Alzheimer-Krankheit oder anderen Demenzformen sowie ein niedriger Bildungsstand.

  • Andere Erkrankungen, die die Kognition beeinflussen können − darunter Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfall und Morbus Parkinson.

  • Kognitionsbeeinträchtigende Medikation wie Schlafmittel, Analgetika und Anticholinergika.

Klinische Untersuchung [1, 3]

Bei der körperlichen Untersuchung geht es darum, vorhandene Begleiterkrankungen oder andere reversible Ursachen einer MCI festzustellen. Relevante Aspekte sind:

  • Psychopathologische Untersuchung – z. B. Depression

  • Neurologische Untersuchung – z. B. bezüglich Sprach- oder Hörstörungen sowie Anzeichen eines Schlaganfalls

  • Prüfung der im Anamnesegespräch genannten Medikation hinsichtlich ihres Potenzials, die Kognition zu beeinträchtigen

  • Körperliche Untersuchung – Ernährungssituation, Blutdruck, Körpertemperatur, Puls, Abhören von Herz und Lunge

Blutuntersuchungen

Empfohlen wird die Bestimmung der folgenden Laborwerte, um behandelbare MCI-Ursachen abzuklären [1]:

  • Blutbild

  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH)

  • Serumspiegel von Vitamin B12

  • Elektrolyte im Serum (Na, K, Ca)

  • C-reaktives Protein (CRP)

  • Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT)

  • Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT)

  • Kreatinin

  • Harnstoff

  • geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR)

Ggf. kann eine genetische Untersuchung auf ApoE helfen, das genetische Risiko für die Alzheimer-Krankheit abzuschätzen [3]. Die S3-Leitlinie Demenzen rät allerdings von einer Bestimmung des ApoE-Genotyps für die Diagnostik, Differenzialdiagnostik oder für prognostische Fragestellungen bei Demenz ab [1].

Strukturelle Bildgebung [1, 3]

  • Zum Ausschluss anderer MCI-Ursachen wird die Magnetresonanztomografie (MRT) empfohlen.

  • Ergänzend kann eine Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomografie (FDG-PET) beziehungsweise Amyloid-PET (zur Erkennung oder zum Ausschluss einer Alzheimer-Pathologie) durchgeführt werden, wenn die Ursache einer Demenz oder leichten kognitiven Störung nach Ausschluss reversibler Ursachen und nach klinischer und neuropsychologischer Untersuchung und ggf. Liquorbiomarkern unklar ist.

Literatur

  1. DGN e. V. & DGPPN e. V. (Hrsg.) S3-Leitlinie Demenzen, Version 4.0, 8.11.2023, verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-013, Zugriff am 05.11.2024

  2. Alzheimer’s Association. 10 Early Signs and Symptoms of Alzheimer's and Dementia, verfügbar unter: https://www.alz.org/alzheimers-dementia/10_signs, Zugriff am 05.11.2024

  3. Porsteinsson AP, et al. Diagnosis of Early Alzheimer's Disease: Clinical Practice in 2021. J Prev Alzheimers Dis. 2021; 8(3): 371-386.

  4. Arvanitakis Z, et al.: Diagnosis and Management of Dementia: Review. JAMA. 2019; 322(16): 1589-1599.

PP-AD-DE-0441

mr

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