Infocenter

Orale Streptokokken könnten zur Entstehung von Herzinfarkten beitragen

  • Dienstag, 28. Oktober 2025
  • Quelle: Medical News Today (MNT)

Eine neue Studie liefert Hinweise darauf, dass bestimmte Mundbakterien – insbesondere Viridans-Streptokokken – eine bislang unterschätzte Rolle bei der Entstehung von Herzinfarkten spielen könnten. Die Erreger bilden in atherosklerotischen Plaques stabile Biofilme, entgehen so der Immunabwehr und stehen im Zusammenhang mit Entzündungsprozessen, Plaque-Rupturen und tödlichen Myokardinfarkten.

/Orawan, stock.adobe.com
/Orawan, stock.adobe.com

Bakterien als unterschätzte Mitspieler bei Atherosklerose

Schon länger wird vermutet, dass bakterielle Infektionen an der Entstehung und Progression von Atherosklerose beteiligt sind. In atherosklerotischen Plaques wurde wiederholt bakterielle DNA nachgewiesen – unter anderem aus der Mundhöhle, den Atemwegen, dem Darm und der Haut. Chronische bakterielle Infektionen neigen dazu, Biofilme zu bilden, die sie gegen Antibiotika und die körpereigene Immunabwehr schützen. Die nun vorliegende Studie untersuchte, ob solche Biofilme zur chronischen Entzündung und Instabilität von Plaques beitragen und so Herzinfarkte begünstigen könnten.

Nachweis von Viridans-Streptokokken in Koronarplaques

Für die Analyse wurden Koronarplaques von 121 Personen, die an plötzlichem Herztod verstorben waren, sowie Endarteriektomie-Proben von 96 operierten Patientinnen und Patienten untersucht. Zum Einsatz kamen moderne molekulare Methoden, darunter PCR zum Nachweis bakterieller DNA, Immunhistochemie und Genexpressionsanalysen. Dabei zeigte sich, dass DNA von Viridans-Streptokokken – typischerweise in der Mundflora vorkommende Bakterien – in einem erheblichen Anteil der Proben nachweisbar war. Diese Erreger bildeten dichte Biofilme im Kern der atherosklerotischen Plaques, die von Makrophagen der angeborenen Immunabwehr nicht erkannt wurden.

Wenn Biofilme aktiv werden

In rupturierten Plaques fanden die Forschenden Hinweise darauf, dass sich Teile der bakteriellen Biofilme gelöst und in das umliegende Gewebe ausgebreitet hatten. Die dabei freigesetzten Streptokokken wurden über Toll-like-Rezeptoren – vor allem TLR2 – erkannt und lösten eine Aktivierung der adaptiven Immunantwort aus.

Diese Immunreaktion korrelierte signifikant mit einer fortgeschrittenen Atherosklerose und dem Auftreten tödlicher Myokardinfarkte. Die Daten deuten darauf hin, dass chronisch persistierende bakterielle Biofilme Entzündungsprozesse fördern, die Plaquestabilität beeinträchtigen und letztlich zum Aufbrechen atherosklerotischer Läsionen beitragen können.

Bedeutung für die klinische Praxis

Die Ergebnisse eröffnen möglicherweise eine neue Perspektive für die kardiovaskuläre Prävention: Die Mundgesundheit könnte ein bislang unterschätzter Einflussfaktor sein. Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen, eine konsequente Behandlung oraler Infektionen und sorgfältige Mundhygiene könnten dazu beitragen, die bakterielle Belastung zu reduzieren und somit das Risiko atherosklerotischer Komplikationen zu verringern. Darüber hinaus regen die Autoren an, zu prüfen, ob eine kurzfristige antibiotische Therapie während eines akuten Herzinfarkts den Krankheitsverlauf eventuell günstig beeinflussen könnte. Auch neue bildgebende Verfahren zur Detektion bakterieller Biofilme in Gefäßwänden könnten künftig diagnostisch an Bedeutung gewinnen.

Ausblick

Langfristig könnten diese Erkenntnisse das Verständnis der Atherosklerose-Pathogenese verändern. Sollte sich bestätigen, dass bakterielle Biofilme zur Instabilität atherosklerotischer Plaques beitragen, würde dies neue Ansätze für die Prävention eröffnen – etwa durch Impfstoffe oder gezielte Therapien gegen orale Biofilm-Bildner.


Quelle (Originalpublikation): Karhunen PJ et al.: Viridans Streptococcal Biofilm Evades Immune Detection and Contributes to Inflammation and Rupture of Atherosclerotic Plaques. Am Heart Assoc 2025; 14(16): e041521; https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/JAHA.125.041521

Dr. Anja Lütke

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung