Q&A Teil 4: Wie viele Impfungen kann man Reisenden zumuten?
Beim jährlich stattfindenden Expertensymposium Impfen des Deutschen Ärzteverlags können die Zuschauerinnen und Zuschauer im Vorfeld der Veranstaltung und während des Livestreams eigene Fragen aus ihrem Praxisalltag stellen. In unserer nach 2023 zweiten Auflage des Questions & Answers-Formats beantworten die Expertinnen und Experten die Fragen, die im Livestream nicht beantwortet werden konnten. Teil 4 dreht sich um die Fragen aus dem Bereich Reisemedizin.
Der Experte antwortet: Interview mit Prof. Dr. med. Jörg Schelling, Facharzt für Allgemeinmedizin in Martinsried, Vorstandsmitglied der Deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin
Das ist von Reiseziel und -modalität abhängig. Wenn indiziert, dann kann man im Einzelfall bis zu 6 Injektionen gleichzeitig verabreichen, je nachdem, wie viele Impfstellen möglich sind (M.deltoideus bds. oder M.vastus laterailis bds.). Es gibt keine Maximalgrenze, die mir bekannt wäre.
Die Impfungen sollen den Patientinnen und Patienten vor schweren Infektionskrankheiten während der Reise schützen. Die Erkrankungen selbst, vor denen die Impfungen schützen, würden eine erheblich schwerere und längere Beeinträchtigung mit sich bringen als zwei, drei Tage mit Folgesymptomen aus den Impfungen.
Besser wäre es immer, wenn Reisen und entsprechende Immunisierungen längerfristig vorbereitet sind. Aber ein schwacher Schutz ist immer noch besser als gar kein Schutz.
Das ist sehr individuell von Reiseziel und -modalität sowie individuellem Risiko abhängig. Grundsätzlich ist die Injektion von Tdap-IPV + Hepatitis B + Hepatitis A/Typhus am gleichen Tag möglich, dazu bei gegebener dringlicher Indikation Tollwut und ggf. Japanische Enzephalitis. Dafür gibt es aber KEINE Koadministrationsdaten. Das ist nur praktische Erfahrung muss individuell entschieden und verantwortet werden.
Die STIKO empfiehlt ein Impfintervall zur Auffrischung von 3–5 Jahren. Kürzer als 3 Jahre muss das Intervall auch bei Immunsuppression oder höherem Alter nicht sein.
Manchmal lassen sich solche Reisen zum Beispiel aus zwingenden familiären oder beruflichen Gründen nicht umgehen. Wenn in solchen Fällen Impfungen mit Lebendimpfstoffen angezeigt sind, müssten sie sorgfältig mit den Therapieregimes abgestimmt werden, um Komplikationen durch den Lebendimpfstoff zu vermeiden.
Ad 1. Auffrischung noch einmal. Dann wären es insgesamt 5 Impfungen im Leben – das sollte ausreichen.
Ad 2. Ja unbedingt. Der postexpositionelle Rabies-Impfstoff ist derzeit auf Bali nicht erhältlich. Tollwut gilt auf Bali als außer Kontrolle.
Man sollte die STIKO-Empfehlung für das Inland und die Standardimpfungen beachten. Für die Reisemedizin sollte grundsätzlich bei Indikation bzw. Risiko immer zweimal MenB und einmal MenACWY appliziert werden.
1. Bis 10 Jahre nach Grundimmunisierung reicht sicher eine einmalige Auffrischung, für längere Zeiträume gibt es keine Daten.
2. Jede Impfung zählt, auch wenn mal der Abstand länger ist (bis 10 Jahre). Ggf. auf Publikation verweisen [1].
Ad 1: Hierzu sei auf die Publikationen der Fachgesellschaften verwiesen [2, 3].
Ad 2 und ad 3: Hier ist eine individuelle Beratung und Entscheidung erforderlich.
Ad 4: Es gibt keinen Test, der valide Ergebnisse außerhalb der akuten Infektion liefert. Eine Bestimmung des Serostatus vor möglicher Impfung ist zum jetzigen Zeitpunkt von der STIKO nicht empfohlen [4].
1. Siehe hierzu [5]. In diesem Dokument „Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (IV) Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie“ kann man alle Substanzen nachlesen.
2. Die Gelbfieber-Impfung ist in Brasilien immer indiziert, da eine Ansteckung auch in Großstädten möglich ist. Es handelt sich aber trotzdem immer um eine individuelle Entscheidung.
Literatur
Schelling J et. al.: Evidence for a 10-year TBE vaccine booster interval: an evaluation of current data in Expert Review of Vaccines, Volume 23, 2024 - Issue 1. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/14760584.2024.2311359
Deutsche Fachgesellschaft für Reisemedizin: Stellungnahme der deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin (DFR) zur Impfung gegen Dengue bei Reisenden. https://www.fachgesellschaft-reisemedizin.de/Portals/0/Images/Angebot/Medizinisch/Arbeitshilfen/DFR-Kommentar-Qdenga-2024.pdf, letzter Zugriff: 05. Juli 2024
Centrum für Reisemedizin: CRM-Empfehlung zur Impfung gegen Dengue bei Reisenden. https://crm.de/wp-content/uploads/Dengue-STIKO-Empfehlung-Qdenga.pdf, letzter Zugriff: 05. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Dengue und zur Impfung, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Dengue/FAQ-Liste.html?nn=2375548
Bundesgesundheitsbl 2019 62: 494–515, https://doi.org/10.1007/s00103-019-02905-1, letzter Zugriff: 05. Juli 2024