Beratung zu Adipositas: Empathische Gespräche mit Fingerspitzengefühl
Menschen mit Übergewicht und Adipositas werden häufig mit Diskriminierung und Stigmatisierung konfrontiert. Ein sensibler Umgang von Behandelnden mit dem Thema Gewicht und die Berücksichtigung gesundheitlicher, psychosozialer sowie familiärer Faktoren kann das Arzt-Patienten-Gespräch positiv beeinflussen.

Adipositas ist eine physisch wie psychisch stark belastende chronische Erkrankung. Neben körperlichen Beschwerden, die mit dem Übergewicht verbunden sind, gehen auch negative psychosoziale Erfahrungen einher. Hierzu zählen insbesondere die Stigmatisierung und Diskriminierung der Betroffenen [1]. So findet sich nach wie vor die weit verbreitete Überzeugung, dass Menschen mit Adipositas faul, willensschwach oder disziplinlos und damit für ihr Körpergewicht selbst verantwortlich sind [2].
Zahlreiche Barrieren erschweren das Gewichtsmanagement
Dabei ist wissenschaftlich belegt, dass bei Adipositas die zugrundeliegende Störung der Regulation der Körperenergiehomöostase nicht allein auf Bewegungsmangel und Fehlernährung zurückzuführen ist. Vielmehr tragen etliche Faktoren zur Gewichtszunahme bei. Dies können neben der genetischen Disposition u. a. auch psychische oder endokrine Erkrankungen, die sozioökonomische Situation, Stress oder die Einnahme bestimmter Medikamente sein [3].
Beratungsgespräch erfordert viel Fingerspitzengefühl
Aufgrund der negativen Erfahrungen, die Menschen mit Adipositas im Alltag machen, vermeiden viele von ihnen auch im Dialog mit Behandlungsteams über ihr Gewicht zu sprechen. Zum einen bezweifeln viele, dass der Arzt bzw. die Ärztin ihnen tatsächlich helfen kann. Zum anderen befürchten sie, den möglicherweise zu hohen Ansprüchen der Behandlungsteams in Bezug auf die Gewichtsreduktion nicht gerecht zu werden. Daher erfordert das Beratungsgespräch besonderes Fingerspitzengefühl [1].
Untersuchungen zeigen, dass die Art der Ansprache und die Haltung der Behandelnden Einfluss auf den Therapieerfolg haben kann [1].
Mit dem 5A-Modell intrinsische Motivation stärken
Unter der sogenannten 5-A-Strategie wird ein Modell der ärztlichen Gesundheitsberatung verstanden, das eine verhaltensorientierte Beratungsstrategie zur Lebensstiländerung beinhaltet [4, 5].

Folgende Formulierungen können im Arzt-Patienten-Gespräch hilfreich sein:
Fragen zur körperlichen Verfassung:
Wie ist ihr allgemeiner Gesundheitszustand? Gibt es aktuelle Beschwerden und Erkrankungen?
Fragen zum Ernährungsverhalten:
Ist das Gewicht für Sie eine Belastung? Was haben sie bis jetzt getan, um ihr Gewicht zu managen? Welche Diäten haben sie ausprobiert?
Fragen zu Lebensumständen:
Wie ist ihre derzeitige Lebenssituation? Gibt es Stress und andere Belastungen? Nehmen sie regelmäßig bestimmte Medikamente ein? Wie sind ihre Ess- und Schlafgewohnheiten?
Achten Sie darauf:
Den Fokus nicht alleinig auf den BMI zu setzen, sondern eher auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität hinzuweisen
Neutrales Feedback zu geben und dabei auf die Stärken der Patient:innen einzugehen
Patient:innenzentrierte Sprache zu verwenden und dabei eine zukünftige, fortlaufende Unterstützung zuzusichern
Sie möchten mehr über Adipositas als chronische Erkrankung erfahren? Dann hören Sie in die erste Folge unserer Podcastreihe „Adipositas, Aha!“ rein und erfahren Sie mehr über diese Erkrankung von Prof. Dr. Thomas Ebert, Oberarzt im Bereich Endokrinologie an der Medzinischen Klinik III am Universitätsklinikum Leipzig!
PP-TR-DE-1628
Literatur
Hansen SL et al.: Kommunikationspräferenzen im Kontext von Adipositas. Präv Gesundheitsf 2020 · 15:319–325 https://doi.org/10.1007/s11553-020-00774-0
Sikorski C, Riedel C, Luppa M et al.: (2012) Perception of overweight and obesity from different angles: a qualitative study. Scand J Public Health 40:271–277
Klein S et al.: Weißbuch Adipositas 2016
Vallis M, et al.: Can Fam Physician. 2013 Jan;59(1):27-31. PMID: 23341653; PMCID: PMC355564
Kahan et al.: Mayo Clin Proc. 2018;93(3):351-359. DOI: https://doi.org/10.1016/j.mayocp.2018.01.006