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Aufklärung, Einwilligung, Delegation, Dokumentation: Juristische Fragen rund ums Impfen

  • Mittwoch, 12. Juli 2023

Zu rechtlichen Fragen rund ums Impfen gibt das Robert Koch-Institut Auskunft in Form von Antworten auf vier Fragen. An dieser Stelle soll also zunächst das Robert Koch-Institut zu Wort kommen (Zitate entnommen 23.06.2023):

/Mike Fouque, stock.adobe.com
/Mike Fouque, stock.adobe.com

Darf das Pflegepersonal impfen?

„Grundsätzlich sind Impfstoffe Arzneimittel, die nur der Arzt verordnen darf [Anm. d. Red.: Nur gegen Covid-19 und gegen Influenza sind Impfungen auch durch entsprechend qualifizierte Apothekerinnen und Apotheker im Rahmen der Regelversorgung zulässig1]. Es gibt allerdings keine gesetzliche Vorschrift, die die Durchführung einer Impfung ausschließlich dem Arzt vorbehält. Pflegekräfte, Arzthelferinnen und Arzthelfer mit entsprechender Ausbildung dürfen auch Arzneimittel verabreichen. Die Injektionstechniken werden dem Pflegepersonal bei der Berufsausbildung vermittelt. Ob das Personal in der Lage ist, eine Impfung korrekt zu verabreichen, ist von fachlichen Vorgesetzten oder dem Arbeitgeber vor einer selbstständigen Ausübung zu überprüfen. Notwendig sind jeweils eine gesonderte ärztliche Anordnung, Überwachung und Dokumentation. Impfungen sollten aber nur in Anwesenheit eines Arztes ausgeführt werden, damit bei unerwarteten Nebenwirkungen und Komplikationen, die in sehr seltenen Fällen auftreten können, sofort optimale Hilfe geleistet werden kann.

Indikation und Kontraindikationen sind vom Arzt zu prüfen. Auch die Haftung sowohl für die Impfung selbst als auch für eine korrekte Aufklärung und Anamneseerhebung trägt der Arzt, unabhängig davon, ob er selbst oder das Personal die Impfung vornimmt.“

Muss eine Impfaufklärung immer mittels eines Merkblattes erfolgen?

„Die Impfaufklärung muss in mündlicher Form erfolgen. Ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält. Eine schriftliche Zustimmung des Impflings (Unterschrift) muss nicht vorliegen. Der Umfang der Impfaufklärung sollte Informationen über die zu verhütende Krankheit, den Nutzen der Impfung, die Kontraindikationen, die Durchführung der Impfung und Dauer und Beginn des Impfschutzes sowie typische (spezifische) Nebenwirkungen und Komplikationen beinhalten. Der genaue Umfang der erforderlichen Aufklärung hängt jedoch stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die alleinige Aufklärung durch ein Merkblatt ist unzulässig; es muss immer auch die Gelegenheit für ein Gespräch gegeben werden. Falls Unterlagen oder Merkblätter verwendet worden sind, die der Patient im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, sind ihm davon Abschriften auszuhändigen.“

Ist eine schriftliche Einwilligung erforderlich?

„Eine schriftliche Einwilligung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, sie kann jedoch in Einzelfällen sinnvoll sein. Der impfende Arzt ist verpflichtet, Aufklärungen und Einwilligungen – egal in welcher Form sie erfolgt bzw. erklärt worden sind – in der Patientenakte zu dokumentieren (§ 630f Abs. 2 S. 1 BGB). Wird der Aufklärung ein entsprechendes Aufklärungsmerkblatt zugrunde gelegt, sollte der Impfende in seiner Dokumentation darauf verweisen. Zudem ist es sinnvoll, die Ablehnung einer Impfung durch die vorstellige Person bzw. die Eltern oder Sorgeberechtigten nach durchgeführter Aufklärung in der Akte zu dokumentieren. Von Unterlagen, die der Patient bzw. Einwilligungsberechtigte im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, sind ihm Abschriften auszuhändigen (§ 630e Abs. 2 S. 2 BGB).“

Muss die Impfdokumentation zwingend die Bestätigung der impfenden Ärztin/des impfenden Arztes enthalten oder können dies auch Medizinische Fachangestellte tun?

Rechtlicher Hintergrund: § 22 IfSG – Impfdokumentation
„(1) Die zur Durchführung von Schutzimpfungen berechtigte Person hat jede Schutzimpfung unverzüglich in einem Impfausweis oder, falls der Impfausweis nicht vorgelegt wird, in einer Impfbescheinigung zu dokumentieren (Impfdokumentation).
(2) Die Impfdokumentation muss zu jeder Schutzimpfung folgende Angaben enthalten:
1. Datum der Schutzimpfung,
2. Bezeichnung und Chargenbezeichnung des Impfstoffs,
3. Name der Krankheit, gegen die geimpft wurde,
4. Name der geimpften Person, deren Geburtsdatum und Name und Anschrift der für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortlichen Person sowie
5. Bestätigung in Schriftform oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder einem qualifizierten elektronischen Siegel durch die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person.

Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates festzulegen, dass abweichend von Satz 1 Nummer 5 die Bestätigung in elektronischer Form auch mit einem fortgeschrittenen elektronischen Siegel erfolgen kann, wenn das Siegel der zur Durchführung der Schutzimpfung verantwortlichen Person eindeutig zugeordnet werden kann. Bei Nachtragungen in einen Impfausweis kann jeder Arzt oder Apotheker die Bestätigung nach Satz 1 Nummer 5 vornehmen oder hat das zuständige Gesundheitsamt die Bestätigung nach Satz 1 Nummer 5 vorzunehmen, wenn dem Arzt, dem Apotheker oder dem Gesundheitsamt eine frühere Impfdokumentation über die nachzutragende Schutzimpfung vorgelegt wird.“

[...]

Von der Wiedergabe der Absätze 3 bis 7 der Vorschrift wird abgesehen, da diese für die Beantwortung der Frage keine Bedeutung haben.

§ 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 IfSG (s.o.) verlangt, dass die Impfdokumentation zu jeder Schutzimpfung eine Bestätigung durch die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person enthält. Berechtigt ist die Frage, ob dies bedeutet, dass es sich dabei um eine höchstpersönlich zu erbringende und damit nicht delegierbare ärztliche Pflicht handelt.“

In der Kommentierung zu diesem Gesetz heißt es insoweit:

„Die Richtigkeitsbestätigung kann lediglich durch die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person erfolgen. Eine Delegation der Bestätigung an andere als die impfverantwortliche Person ist hier nicht möglich. So kann die Bestätigung iSv Abs. 2 S. 1 Nr. 5 z.B. nicht an nichtärztliches Assistenzpersonal (z.B. Medizinische Fachangestellte) delegiert werden. Dies gilt auch dann, wenn die Durchführung der Impfung selber an nichtärztliches Personal delegiert wurde. Sofern allerdings nichtärztliche Personen zur eigenverantwortlichen Durchführung einer Schutzimpfung berechtigt sind (z.B. Apotheker:in), so müssen diese die Richtigkeitsbestätigung nach Abs. 2 S. 1 Nr. 5 vornehmen. Auch hier ist eine Delegation an Assistenzpersonal nicht möglich.“ (vgl. BeckOK, IfSG, § 22 Rn. 17).

Hieraus lässt sich entnehmen, dass die Bestätigung durch den impfverantwortlichen Arzt zu erfolgen hat und nicht an Medizinische Fachangestellte delegiert werden kann. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass nichtärztliche Personen (z.B. Apotheker) zur eigenverantwortlichen Durchführung einer Schutzimpfung berechtigt sind. Dann müssen diese Personen die Bestätigung vornehmen.“

Was bedeutet es, dass eine Impfung nur in Anwesenheit einer Ärztin/eines Arztes durchgeführt werden darf?

Ärztin und Arzt sollten greifbar sein, falls es zu unvorhergesehenen Impfzwischenfällen kommt wie etwa zu einem Blutdruckabfall oder einer Anaphylaxie. Sie müssen sich nicht im gleichen Raum aufhalten, in dem die Impfung stattfindet.

Was gehört inhaltlich in eine Aufklärung?

Kursorisch gehört in jede Aufklärung, dass die Impfung eine Immunität gegenüber einer spezifischen Infektionskrankheit auslösen soll und dazu beiträgt, die Erkrankung und schwerwiegende Komplikationen zu verhindern, dass dieser Schutz aber nicht immer völlig zuverlässig ist. Außerdem gehört in die Aufklärung, dass ein schmerzender, eventuell einige Tage schlecht belastbarer Impfarm, Abgeschlagenheit und erhöhte Temperatur eine normale Impfreaktion sind und anzeigen, dass der Körper im gewünschten Sinn auf die impfung reagiert. Eine Aufklärung über seltene Nebenwirkungen ist nicht verpflichtend.

Merkblätter für eine strukturierte Impfaufklärung bieten

Kann eine unterbliebene ärztliche Empfehlung für eine von der Ständigen Impfkommission empfohlene Standard- oder Indikationsimpfung juristische Konsequenzen haben?

Bisher sind keine Fälle bekannt, in denen ein Patientin oder ein Patient eine Ärztin oder einen Arzt erfolgreich verklagt hätten, weil eine Empfehlung für eine indizierte Impfung NICHT ausgesprochen wurde und später eine schwere Erkrankung an einer impfpräventablen Infektion folgte.

Um solche Konstrukte auszuschließen, ist es sinnvoll, dass Patientinnen und Patienten mit ihrer Unterschrift ihre Entscheidung vor allem dann bestätigen, wenn sie trotz Aufklärung und Empfehlung Impfungen ablehnen.

Dürfen Fachärztinnen und Fachärzte impfen?

Im Zusammenhang mit dem Masernschutzgesetzes (1. März 2020) wurde auch das Infektionsschutzgesetz geändert. Hier ist in Artikel 1 §20 Absatz 4 jetzt niedergelegt:

„(4) Zur Durchführung von Schutzimpfungen ist jeder Arzt berechtigt. Fachärzte dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den Grenzen der Ausübung ihrer fachärztlichen Tätigkeit durchführen. Die Berechtigung zur Durchführung von Schutzimpfungen nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften bleibt unberührt.“

In der Begründung zum Gesetz heißt es, dass

„... die Qualifikation zum Impfen von allen Ärzten bereits mit der Ausbildung erworben wird und dass es sich beim Impfen also nicht um eine ärztliche Tätigkeit handelt, die erst im Rahmen der Weiterbildung erlernt wird“ (Bundestags-Drucksache 19/13452 vom 23.09.2019, Seite 25).

Eine besondere, zusätzlich ärztliche Qualifikation für die Durchführung von Impfungen ist deshalb nicht erforderlich. Obwohl alle Ärztinnen und Ärzte impfen dürfen, schränken begrenzte Ermächtigungen für eine Impfung zulasten der gesetzlichen Leistungsträger die Möglichkeiten von Fachärztinnen und -ärzten in der Realität allerdings erheblich ein.

Wie ist die Qualifikation der impfenden Pflege- oder Fachkraft festzustellen?

Es gibt für diese Überprüfung keine bindenden Definitionen. Die Entscheidung darüber, ob eine medizinische Hilfs- und Assistenzkraft in der Lage ist, Impfungen fachgerecht durchzuführen, obliegt der delegierenden Ärztin bzw. dem delegierenden Arzt. Eine Fortbildung zur VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) oder zur Impfassistenz (Online- oder Präsenzlehrgang) bieten eine strukturierte, berufsbegleitende Qualifikation an.

1Mit Verabschiedung des Pflegebonusgesetzes am 28. Juni 2022 wurden Grippeschutzimpfungen durch Apothekerinnen und Apotheker in die Regelversorgung überführt, indem im Infektionsschutzgesetz (IfSG) der neue § 20c eingefügt wurde. Seit dem 1. Oktober 2022 stehen auch die vertraglichen Details zur Inanspruchnahme, Vergütung, Dokumentation und Abrechnung fest.

Zusammenstellung: Dr. Susanna Kramarz

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