Chemoprävention bei Tuberkulose: Entscheidend ist die Risikokonstellation
90 bis 95% der immunkompetenten Menschen können eine Tuberkulose kontrollieren. Doch eine Reaktivierung ist jederzeit möglich. Dann wird aus einer latenten Infektion mit Tuberkulosebakterien (gemäß der englischen Abkürzung als LTBI bezeichnet) eine Tuberkulose-Erkrankung. Bei der Entscheidung über eine Chemoprävention gilt es verschiedenste Risikokonstellationen zu beachten.

„Für eine funktionierende, suffiziente Immunantwort gegen Tuberkulose benötigt man funktionierende Makrophagen, TNF-alpha, funktionale und genügend T-Zellen und IFNgamma“, so beschreibt Prof. Dr. med. Pia Hartmann, Köln, auf dem diesjährigen 130. Kongress der DGIM den Abwehrprozess bei Tuberkulose (Tb). Das Zusammenspiel dieser Faktoren führt letztlich zu einem fibrosierenden Granulom, das den Erreger eindämmt und die Infektion so kontrolliert. Für 90 bis 95 % der infizierten Patientinnen und Patienten endet die Geschichte genau an diesem Punkt, so Hartmann. Der Erreger ist eingedämmt, die Betroffenen sind gesund. Das Bakterium ist aber nicht eradiziert. Die Persistenz bleibt. Unter bestimmten Risikokonstellationen kann es zu einem Aufflammen des infektiösen Prozesses kommen. „Aus einem gesunden Menschen mit latenter Tuberkulose wird dann ein Patient mit einer Tuberkulose-Erkrankung“. Die Tuberkulose kann sich dann in der Lunge, aber auch extrapulmonal manifestieren.
IGRA als bevorzugter Test
Von einer latenten Tb spricht man definitionsgemäß dann, wenn ein positiver immunologischer Test vorliegt, aber kein Anhalt auf das Vorliegen einer Tb. Als gängige Testverfahren stehen der IGRA (Interferon-Gamma-Release Assay) oder, seltener, der Tuberkulin Hauttest (THT) zur Verfügung. Bevorzugt werde aber aktuell der IGRA, inzwischen auch bei Kindern. Ein negativer IGRA schließe aber eine Infektion nicht aus.
Kurzzeit-Regimes haben Vorzug
Ob eine Chemoprävention durchgeführt wird, sollte sorgfältig erwogen werden. Laut aktueller Leitlinie setzt dies eine sorgfältige individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung voraus. Der Therapierfolg liegt lediglich zwischen 60 und 80 %. Das müsse gut überlegt werden, so Hartmann. Bei der Bewertung des Progressionsrisikos zur Entscheidung über Screening und Therapie müssen verschiedene Risikokonstellationen ins Kalkül gezogen werden, darunter die Frage nach einer neu erworbenen, frischen Infektion mit entsprechend erhöhtem Progressionsrisiko, nach kürzlich definierter Exposition oder nach einem Index- oder Quellfall. Eine Soll-Indikation für Screening und Therapie besteht für Personen mit engem Kontakt zu Menschen mit ansteckender Lungentuberkulose sowie Menschen unter einer Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren, die ebenfalls ein erhöhtes Progressionsrisiko besitzen. Patientinnen und Patienten mit einer HIV-Infektion sollen ein Screening und eine präventive Therapie erhalten, allerdings inzwischen nur noch bei zusätzlichen Risikofaktoren. Eine Sollte-Empfehlung gibt es etwa für hämatoonkologische Erkrankungen oder bei Organtransplantation.
Klare Worte gibt es von Hartmann auch zur Chemoprävention selbst. Kurzzeit-Regimes werden inzwischen den Langzeitregimes vorgezogen, da sie die gleiche Empfehlungsstärke haben, aber einfacher durchzuführen sind. Die Monotherapie mit Rifampicin geht mit der geringsten Toxizität einher. Ebenfalls eingesetzt wird auch Isoniazid über neun Monate. Es gilt: Patientinnen und Patienten mit latenter Tb sollten im Auge behalten werden, vor allem in den ersten beiden Jahren, in denen das Risiko einer Progression am größten ist.
Quelle: 130. Kongress der Dt. Ges. f. Innere Medizin 2024 in Wiesbaden, Sitzung „Tuberkulose“ am Samstag, 13.04.2024, Vortrag „Latente Tb – wann diagnostizieren und behandeln?“