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Gewichts­reduktion bei Adipositas: Hormonelle Barrieren als therapeutische Heraus­forderung

  • Freitag, 3. Mai 2024
  • Quelle: Lilly Deutschland GmbH

Menschen mit Adipositas gelten in den Augen vieler als allein verantwortlich für ihren gewichtsbedingten Gesundheitszustand. Dabei erschweren physiologische Barrieren, die sich kaum individuell beeinflussen lassen, das Gewichtsmanagement. Im Beitrag erfahren Sie mehr über die hormonellen Vorgänge bei der Gewichtsreduktion.

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©Lilly Deutschland GmbH

In den westlichen Industrieländern sind Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit Übergewicht und Adipositas weit verbreitet: Betroffene gelten als faul, willensschwach oder undiszipliniert, wenn ihnen mit Lebensstilmodifikationen allein keine langfristige Gewichtsreduktion gelingt [1]. Allerdings gibt es eine ganze Reihe hormoneller und metabolischer Barrieren, die das Gewichtsmanagement bei Adipositas erschweren – und zwar auch bei einer konsequenten Lebensstiländerung unter fortlaufender ärztlicher Anleitung.

Fettgewebe als eigenständiges endokrines System

Dabei kommen unter anderem hormonelle Veränderungen im Zusammenhang mit Adipositas zum Tragen. Denn Fettgewebe ist weit mehr als ein einfacher Energiespeicher: Vielmehr fungiert es als eigenständiges endokrines System, das Adipokine, Wachstumsfaktoren, Zytokine und Chemokine absondert, die an verschiedenen Stellen in den Stoffwechsel eingreifen [2]. Durch die Erkrankung verändert sich der Fettstoffwechsel. Ist die Speicherkapazität des subkutanen Fettgewebes erschöpft, wird überschüssiges Fett als viszerales Fett in der Bauchhöhle bzw. als ektopisches Fett in Organen (z. B. der Leber) abgespeichert [3, 4]. Dies fördert wiederum Folgeerkankungen [5].

Kalorienrestriktion mit wenig Aussicht auf Langzeiterfolg

Gelingt es den Betroffenen dennoch, ihr Gewicht zu reduzieren, ist der Erfolg häufig nicht von Dauer. Zum einen verringert sich durch die Gewichtsabnahme der Energiegrundumsatz [6]. Um das erzielte Gewicht zu halten, müssen also dauerhaft weniger Kalorien aufgenommen werden als vor der Gewichtsabnahme. Dies erfordert eine nachhaltige Anpassung von Ernährungsgewohnheiten, die vielen Menschen im Alltag schwerfällt. Zum anderen führt bereits ein Gewichtsverlust von nur 3 % infolge der bewussten Kalorienrestriktion zu einem chronischen Anstieg des appetitanregenden Peptids Ghrelin. Parallel sinkt der Spiegel des Proteohormons Leptin, was mit einem verminderten Sättigungsgefühl einhergeht [7]. Diese Veränderungen resultieren in einem Rebound-Effekt mit Gewichtsanstieg – gemeinhin bekannt als „Jojo-Effekt“ [8].

Darmhormone im Fokus der Wissenschaft

Ein Ansatzpunkt für die Überwindung der physiologischen Barrieren beim Gewichtsmanagement sind medikamentöse Therapien. So sind in den vergangenen Jahren zwei Inkretine in den Fokus der Wissenschaft gerückt: glukoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP) und Glukagon-ähnliches Peptid-1 (GLP-1). Beide werden im Darm als Reaktion auf Nahrungsaufnahme gebildet und regeln die Ausschüttung von Insulin und Glukagon sowie das Hunger- bzw. Sättigungsgefühl [8].

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a Daten stammen aus präklinischen Studien. ©Lilly Deutschland GmbH

Aktivierung von GLP-1- und GIP-Rezeptoren erleichtert Gewichtsreduktion

Ergebnisse aus präklinischen Studien zeigen, dass auch im zentralen Nervensystem GIP-Rezeptoren vorhanden sind, die mutmaßlich durch Mechanismen wie Appetit und Nahrungsaufnahme ebenfalls das Körpergewicht regulieren [4, 8-14]. GIP konnte in präklinischen Studien über die Bindung an Rezeptoren des Appetit-Kontrollzentrums im Hypothalamus die Kalorienaufnahme verringern. Medikamente, welche sowohl GLP-1- als auch GIP-Rezeptoren aktivieren, könnten daher bei der Regulation der Nahrungsaufnahme und der Nahrungsauswahl helfen und – in Kombination mit konventionellen Lebensstilmaßnahmen zur Gewichtsreduktion – Menschen mit Adipositas die langfristige Gewichtsabnahme erleichtern [11-13].

PP-TR-DE-1304

Literatur

  1. Westbury S et al.: Current Obesity Reports (2023) 12:10–23. https://doi.org/10.1007/s13679-023-00495-3

  2. Hall KD, Kahan S. Med Clin North Am. 2018; 102(1): 183–197. doi: 10.1016/j.mcna.2017.08.012

  3. Crewe C, et al. 2017; 127: 74–82.

  4. Samms RJ, Coghlan MP, Sloop KW.Trends Endocrinol Metab. 2020; 31(6): 410-421.

  5. Chait A, et al.: Front Cardiovasc Med. 2020 Feb 25; 7: 22.

  6. Melson E. et al.: Clin Med (Lond). 2023 Jul; 23(4): 337-346. doi: 10.7861/clinmed.2023-014

  7. Sumithran P, Prendergast LA, Delbridge E, et al.: N Engl J Med . 2011; 365(17): 1597 1604, DOI: 10.1056/NEJMoa1105816

  8. Melby CL, et al. Nutrients. 2017; 9(5): 468. doi: 10.3390/nu9050468

  9. Anderson JW, et al.: Am J Clin Nutr. 2001; 74(5): 579 584.

  10. Adriaenssens AE, Biggs EK, Darwish T, et al.: Cell Metab. 2019; 30(5): 987-996.e6. doi:10.1016/j.cmet.2019.07.013

  11. Finan B, Müller TD, Clemmensen C, Perez-Tilve D, DiMarchi RD, Tschöp MH. Trends Mol Med. 2016; 22(5):359-376. doi:10.1016/j.molmed.2016.03.005

  12. Zhang Q, Delessa CT, Augustin R, et al.: Cell Metab. 2021; 33(4): 833-844.e5. doi:10.1016/j.cmet.2021.01.015

  13. Kaneko K, Fu Y, Lin HY, et al.: J Clin Invest. 2019; 129(9): 3786-3791. doi: 10.1172/JCI126107

  14. Adriaenssens AE, Gribble FM, Reimann F. Peptides. 2020; 125: 170194.

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