Gonorrhö in Deutschland 2023/2024: Resistenzen steigen, Männer besonders betroffen
Aktuellen Zahlen aus dem Epidemiologischen Bulletin des RKI zeigen, dass Gonorrhö in Deutschland weiter zunimmt – insbesondere Fälle mit eingeschränkter Empfindlichkeit gegenüber Azithromycin, während Ceftriaxon und Cefixim überwiegend wirksam bleiben.

Übertragungswege und klinisches Bild
Neisseria gonorrhoeae (NG) wird vor allem durch Schleimhautkontakt beim Geschlechtsverkehr übertragen. Betroffen sind insbesondere Urethra, Zervix, Rektum, Pharynx oder Bindehaut. Klinisch reicht das Spektrum von symptomatischen Urethritiden, Proktitiden oder Pharyngitiden bis hin zu disseminierten Infektionen. Bei Frauen verläuft die Infektion häufig asymptomatisch, wodurch aufsteigende Infektionen, chronische Beckenentzündungen, Fehlgeburten oder extrauterine Schwangerschaften drohen. Unbehandelt kann NG sowohl bei Männern als auch bei Frauen Unfruchtbarkeit verursachen und das HIV-Risiko erhöhen.
Seit März 2020 müssen Labore NG-Fälle mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Azithromycin, Cefixim oder Ceftriaxon (§ 7 Abs. 3 IfSG) an das Robert Koch-Institut (RKI) melden. Ergänzend sammelt das Sentinelsystem Go-Surv-AMR systematisch Isolate und epidemiologische Daten, um Resistenztrends zu überwachen und die epidemiologische Situation in Deutschland besser einschätzen zu können.
Epidemiologische Lage 2023/2024
Laut aktuellen Daten des RKI wurden 2023 insgesamt 935 Fälle mit verminderter Antibiotikaempfindlichkeit gemeldet, 2024 stieg die Zahl auf 1.111. Die bundesweite Inzidenz lag 2024 bei 1,3 pro 100.000 Einwohner, mit den höchsten Werten in Berlin (5,2) und Hamburg (4,3). Männer waren mit über 90 % der Fälle überwiegend betroffen, vor allem im Alter von 25–29 Jahren. Bei Frauen lag die höchste Inzidenz in beiden Jahren bei den 20–24-Jährigen.
Die Übertragung der NG-Infektion erfolgte im Jahr 2023 bei Männern über 14 Jahren in den meisten Fällen über MSM-Kontakte (44 %), während 2024 erstmals heterosexuelle Kontakte mit 45 % den größten Anteil ausmachten, vor allem in Berlin.
Klinik, Koinfektionen und Resistenzlage
Die meisten Urethra-, Zervix- und Rektuminfektionen waren symptomatisch, während Pharynxinfektionen häufig asymptomatisch verliefen. Koinfektionen mit Chlamydia trachomatis, Syphilis, HIV oder Mycoplasma genitalium traten bei etwa einem Viertel der Fälle auf.
Azithromycin bleibt die Hauptproblematik: Unter den NG-Fällen, die 2024 nach § 7 IfSG gemeldet wurden, wiesen 97 % eine verminderte Empfindlichkeit auf. Betrachtet man jedoch alle untersuchten Isolate im Go-Surv-AMR-Sentinel, sank die Azithromycin-Resistenz erstmals seit 2018 auf 16,7 % (von 25,5 % im Jahr 2023). Cefixim (3 %) und Ceftriaxon (1,6 %) waren deutlich seltener betroffen. Fälle mit Resistenz gegen alle drei Antibiotika blieben unter 1 %. Resistenzen gegenüber Ciprofloxacin und Penicillin – beides nicht mehr als Erstlinientherapie empfohlen – lagen bei rund 73 % bzw. 8–9 % der untersuchten Isolate.
Europäische Perspektive
EU-weit stiegen die Gonorrhö-Fälle in den letzten zehn Jahren stark an, insbesondere bei MSM. Seit 2022 sind auch heterosexuelle Personen häufiger betroffen, was zu einem deutlichen Anstieg der Gesamtfälle auf EU/EWR-Ebene führte. Resistenztrends in Europa entsprechen denen in Deutschland: Azithromycin-Resistenzen stellen weiterhin das Hauptproblem dar, Cefixim-Resistenzen sind selten, vereinzelt zeigen sich Ceftriaxon-resistente Isolate, meist im Zusammenhang mit Reisen. Aufgrund dieser besorgniserregenden Entwicklungen hat das ECDC einen Aktionsplan zur Gonorrhö-Kontrolle erarbeitet und ein Surveillance-Programm etabliert.
Praxisrelevanz für Ärztinnen und Ärzte
NG-Diagnosen sollten leitliniengerecht behandelt werden, bevorzugt mit Ceftriaxon-basierten Kombinationen. Vor Therapiebeginn empfiehlt sich die Entnahme von Abstrichen für Kultur und Empfindlichkeitstestung, auch wenn die Therapie sofort eingeleitet wird. Aufklärung, Screening und Präventionsmaßnahmen, insbesondere bei MSM und jungen Erwachsenen, spielen eine zentrale Rolle. Die aktive Teilnahme an Go-Surv-AMR und die konsequente Beachtung der Meldepflicht ermöglichen die Überwachung von Resistenztrends und eine verlässliche Einschätzung der epidemiologischen Lage.
Quelle: Robert Koch-Institut (RKI): Epidemiologie und Resistenzlage der Gonorrhö in Deutschland in den Jahren 2023 und 2024. Epidemiologisches Bulletin 38/2025; 18.09.2025; https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Epidemiologisches-Bulletin/2025/38_25.html