„ICH BIN GEIMPFT. UND SIE? LASSEN SIE UNS REDEN!“
Das fünfte Expertensymposium zum Thema Impfen, das der Deutsche Ärzteverlag im Rahmen des Internistenkongresses in Wiesbaden 2019 durchgeführt hat, war dem Thema Kommunikation gewidmet. Denn Ärzte sind der Schlüssel für eine positive Impfentscheidung der Patienten. Sie sind dann überzeugend als Multiplikatoren, wenn sie selbst geimpft sind, den Nutzen gut erklären und in einem offenen Gespräch auf Vorbehalte der Patienten eingehen. So können Ärzte auch die etwa 20–30 % unentschlossenen oder kritischen Patienten erfolgreich zum Impfen motivieren.

Zu den Diskutantinnen gehörte Dr. med. Heidrun Thaiss, 2019 Präsidentin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Die BZgA führt alle zwei Jahre Befragungen unter der Bevölkerung durch. Die gute Botschaft: Die Mehrheit stehe dem Impfen positiv gegenüber, wie Thaiss ausführte. Diese Zahl sei auch in den letzten Jahren in etwa stabil geblieben, was in den sozialen Medien leider nicht zum Ausdruck komme. Diese würden von der Minderheit der Impfgegner (2–4 %) beherrscht (Anmerkung der Redaktion: Der Text bezieht sich auf die Situation im Frühjahr 2019, also noch vor der Covid-19-Pandemie).
Eine viel größere Gruppe von etwa 20–30 % der Bevölkerung sei einfach unsicher, welchen – von den vielfältigen, teils widersprüchlichen – Informationen sie vertrauen könne.
Aber es gibt auch andere Hindernisse: In einer repräsentativen Befragung von Menschen, die sich nicht haben impfen lassen, wurde dies in 35 % der Fälle damit erklärt, dass man vergessen hatte, Termine zu vereinbaren oder Termine verpasst hat. An zweiter Stelle standen mit 29 % Angst vor Nebenwirkungen, dicht gefolgt (28 %) von der Aussage, dass man die Krankheit, gegen die geimpft werden soll, nicht als besonders schwer einschätzt. 27 % der Befragten gaben an, dass es ihnen zu zeitaufwendig war, extra wegen einer Impfung zum Arzt zu gehen, 22 % zweifelten daran, dass eine Impfung vor der Krankheit schützt, und 18 % führten impfkritische Berichte in den Medien an. Selten wurden Gründe wie Angst vor Spritzen oder das Abraten von Ärzten bzw. Freunden genannt.
„Jeder Arzt kann dazu beitragen, diese Impfhindernisse abzubauen“, betonte Thaiss. Es sollte in den Arztpraxen ebenso selbstverständlich sein, nach dem Impfausweis zu fragen wie nach der Versichertenkarte. Sind Lücken vorhanden, könne man sie am besten gleich vor Ort „mit der Spritze“ schließen. Ansonsten sollte man ein Recall-System etablieren, um offene Impfungen später durchzuführen. Fehlt ein solches System, besteht die Gefahr, dass Ärzte wegen des Zeitdrucks vergessen, während eines Patientenkontakts das Thema Impfen zur Sprache zu bringen. „Und dann ist schon wieder eine Chance vertan“.
Lobenswerte Initiative von Medizinstudenten
Die Aufklärung zum Thema Impfen hat sich der eingetragene Verein „Impf Dich“ auf die Fahnen geschrieben. Er wurde ursprünglich von Medizinstudenten in Bonn gegründet. Inzwischen gibt es an 18 Universitätskliniken (Stand Mai 2023) jeweils eine regionale Gruppe. Angestrebt wird die bundesweite Verbreitung. Durch interaktive Vorträge an Schulen vor Schülern von der 9. bis 13. Klasse versuchen die Gruppenmitglieder ihre Botschaften zu vermitteln. Idealerweise werden die Vorträge in den Biologie- oder Chemieunterricht eingegliedert. Am Schluss bekommen die Schüler ein Handout, dessen Inhalte zusätzlich in interaktiven Clips abgefragt werden können. Sina Heimüller, im Jahr 2019 Vorsitzende der Lokalgruppe Homburg (Saar), berichtete, dass die Resonanz am Anfang verhalten war, weil die Lehrer zusätzliche Arbeit befürchteten. Die Vorbehalte lösten sich meist in Wohlgefallen auf, wenn der erste Vortrag stattgefunden hatte. „Wir werden dann regelmäßig gebucht“, so Heimüller. Den Studierenden nehmen die Schüler die Botschaften auch bereitwilliger ab. Denn sie fühlen sich den Studenten näher und finden sie „cooler“ als die Lehrer.
Systematisch Gesundheitsbewusstsein schaffen
Thaiss plädierte dafür, solche lobenswerten Ansätze nicht nur dem Zufall zu überlassen, sondern systematisch in die Lebenswelten hineinzubringen. Schüler seien natürlich eine wichtige Gruppe. Aber man sollte sich auch davor hüten, die Schulen mit Gesundheitsthemen zu überfrachten – Suchtprävention, HIV/AIDS-Prävention, Nikotin und jetzt auch noch Impfen…?
Es gehe darum, systematisch ein Gesundheitsbewusstsein zu schaffen – angefangen in den Kitas. Da die Präsenz des öffentlichen Gesundheitsdienstes aus Personalmangel in den Schulen nachgelassen habe, sei das Engagement von Ärzten und weiteren Gesundheitsberufen umso wichtiger. Bewährt haben sich Schulgesundheitsfachkräfte, die nicht nur einzelne Themen vermitteln, sondern systematisch Gesundheitsthemen besprechen, erläuterte Thaiss. Diskutiert wird auch ein Schulfach „Gesundheit“ oder „Lebenskompetenz“.