Infocenter

Impf-Kommunikation: Befragung zeigt Triggerpunkte auf

  • Mittwoch, 30. August 2023

Im Jahr 2020 führte der Deutsche Ärzteverlag gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut und der Universität Erfurt eine Befragung unter allen Ärztinnen und Ärzten in Deutschland zu zahlreichen Fragen rund um Impfungen und zur damals noch nicht eingeführten Masernimpfpflicht durch.

/picture alliance, Zoonar, lev dolgachov
/picture alliance, Zoonar, lev dolgachov

Unterstützt wurde die Untersuchung von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. Der Fragebogen wurde dem Deutschen Ärzteblatt in einer Auflage von rund 90.000 Exemplaren beigelegt und ging vor allem an Hausärztinnen und Hausärzte, Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner, Praktische Ärztinnen und Ärzte, Internistinnen und Internisten sowie Kinderärztinnen und Kinderärzte, Frauenärztinnen und Frauenärzte, Hautärztinnen und Hautärzte, Neurologinnen und Neurologen sowie Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitmediziner. Die Rückmeldung konnte papiergebunden oder online erfolgen. Die Aktion wurde vollständig vom Robert Koch-Institut finanziert. Nach der Auswertung der Studie, die im British Medical Journal publiziert wurde1, war ein Symposium des Deutschen Ärzteverlags geplant. Es fiel der Pandemie zum Opfer – „Impfen in Zeiten der COVID-19-Pandemie – wie uns was empfehle ich meinen Patienten?“ lautete im Jahr 2020 dann stattdessen das Thema, und auch im Jahr 2021 stand noch die SARS-CoV2-Impfung auf dem Programm.

2.593 Rückläufe konnten im Jahr 2020 in die Auswertung der Befragung eingehen. Es hatten also weniger als 3 % der Adressatinnen und Adressaten geantwortet; mehr als 97 % der Befragten nahmen an der Befragung nicht teil. Eine Aussage ist daher ausschließlich in Rahmen dieser Rückläufe möglich, ein Rückschluss auf die gesamte Ärzteschaft ist nicht möglich.

50 % der Rückläufe stammten aus der Allgemeinmedizin, 20 % aus der Inneren Medizin, 16 % aus der Pädiatrie, 10 % aus der Gynäkologie. 54 % der Teilnehmenden waren weiblich, 45 % männlich, 1 % ohne Angabe. Eine Berufserfahrung unter 10 Jahren gaben 24 % an, von 10-20 Jahren 29 %, von 21-30 Jahren 26 %, mehr als 30 Jahre 21 %.

Der Anteil der Impfkritikerinnen und Impfkritiker unter den Befragten lag im niedrigen einstelligen Bereich. 5 % der Ärztinnen und Ärzte lehnten das Impfen grundsätzlich ab, 32 % gaben an, Nutzen und Risiken sorgfältig abzuwägen, 62 % gaben „vollstes Vertrauen“ in die Sicherheit von Impfungen an. 60 % der Befragten lassen sich zu jeder Saison gegen Influenza impfen, 17 % tun diese nie. 8 % der Kolleginnen und Kollegen waren der Meinung, dass durch Impfungen Autismus, Allergien und Diabetes ausgelöst werden können und Impfstoffe gefährliche Zusatzstoffe enthalten. Dies entspricht in etwa der Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die sich dann ein Jahr später nicht gegen SARS-CoV2 haben impfen lassen.

Die meisten Ärztinnen und Ärzte sind von ihren Fähigkeiten im Impf-Aufklärungsgespräch überzeugt

94 % der Befragten fühlen sich sehr sicher oder eher sicher im Gespräch mit Patientinnen und Patienten, 90 % fühlen sich sicher, um auch über Risiken von Impfungen zu sprechen. 26 % gaben dagegen an, das Gespräch mit impfskeptischen Patientinnen und Patienten als schwierig anzusehen.

In einer Querschnitts-Einschätzung akzeptieren 50 % der Patientinnen und Patienten „Impfungen ohne Rückfragen; bei 22 % werden „Impfungen trotz kleinerer oder größerer Bedenken akzeptiert“, 7 % der Patienten würden „alle Impfungen ablehnen“. Dazu als redaktionelle Anmerkung: die Befragung wurde zu Beginn der Pandemie durchgeführt, als es noch keine Impfung gegen COVID-19 gab und die heftigen gesellschaftlichen Debatten um die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Impfungen noch nicht entbrannt waren.

„Wie gehen Sie damit um, wenn Patientinnen und Patienten – oder Eltern von Kindern – Impfungen ablehnen?“ Auf diese Frage gab es aufschlussreiche Antworten. 7 % akzeptieren die Entscheidung ohne Bedenken; dabei dürfte es sich um dieselben Ärztinnen und Ärzte handeln, die auch Impfungen für sich selbst ablehnen. 51 % geben an, eine solche Entscheidung nicht oder jedenfalls nicht ohne Diskussion zu akzeptieren. 5 % würden den Patienten empfehlen, sich einen anderen Arzt zu suchen.

Ärztinnen schätzen sich selbst als weniger selbstsicher im Aufklärungsgespräch ein

Die Subgruppen-Analyse ergab, dass sich Ärztinnen selbst als weniger selbstsicher einschätzen als Ärzte, wenn es um das Impf-Aufklärungsgespräch geht. Und sie delegieren seltener Tätigkeiten rund ums Impfen auf ihre MFA, sondern impfen eher selbst.

Teilnehmende aus den alten Bundesländern haben dem Impfen gegenüber eine positivere Haltung als Teilnehmende aus den neuen Bundesländern. Auch wenn weniger als 3 % aller befragten Ärztinnen und Ärzte sich letztlich an der Studie beteiligt haben, könnten sich mit diesem Ergebnis die teilweise erheblichen Unterschiede in den Corona-Impfraten zwischen alten und neuen Bundesländern schon im Ansatz abzeichnen.

Auch wenn die Ergebnisse wegen der kleinen Teilnehmerzahl nicht als repräsentativ für die Ärzteschaft in Deutschland angesehen werden können, zeigen sie, dass nicht ausschließlich die Haltung der Patientinnen und Patienten zu den Impfungen die Ursache für die teilweise sehr schlechten Impfquoten in Deutschland sind – sei es Influenza, Pertussis, Herpes Zoster, Pertussis oder andere –, sondern ebenso auch die unentschlossene Einstellung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Entschlossen einig waren sich die Befragten nur darin, dass Apotheken das Impfen jedenfalls nicht übernehmen sollten.

Literatur

1Neufeind J, Betsch C, Zylka-Menhorn V, Wichmann O. Determinants of physician attitudes towards the new selective measles vaccine mandate in Germany. BMC Public Health. 2021 Mar 22;21(1):566. doi: 10.1186/s12889-021-10563-9. PMID: 33752621; PMCID: PMC7986548.

Susanna Kramarz

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung