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Impfschutz vor Infektionen für Rheumapatienten ist ein Muss

  • Mittwoch, 13. September 2023
  • Quelle: Impfsymposium Deutscher Ärzteverlag 2023

Patientinnen und Patienten mit rheumatischen Erkrankungen haben vor allem beim Einsatz von Immunsuppressiva ein erhöhtes Risiko für schwere Komplikationen bei Infektionskrankheiten und sollten umfassend geimpft werden. Dies war eines der wichtigen Themen beim Online-Symposium des Deutschen Ärzteverlages am 14. Juni 2023 zum Thema „2023 – JEDE IMPFUNG ZÄHLT! IMPFLÜCKEN BEI STANDARD- UND INDIKATIONSIMPFUNGEN SCHLIESSEN“. Bei der Impfung von Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen ergeben sich einige Fragen: Kann die Impfung einen Schub der rheumatischen Erkrankung auslösen? Wird die Wirkung der Impfung durch Antirheumatika oder Immunmodulanzien abgeschwächt? Soll eine immunsuppressive Therapie wegen der Impfung reduziert oder pausiert werden? Prof. Dr. med. Christof Specker, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Krankenhaus Essen Mitte, gab Antworten.

/peterschreiber.media, stock.adobe.com
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Aus Deutschland kamen die beiden ersten Studien weltweit, die die oben aufgeführten Fragen für die COVID-19-Impfung in kleinen Patientinnen- und Patientenkollektiven untersucht haben1,2. Die Impfungen wurden gut vertragen und führten auch zu einer guten Immunantwort, wie Specker berichtete. Mit zunehmendem Alter fiel die Immunantwort erwartungsgemäß schwächer aus. Auch bei Patientinnen und Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen erwies sie sich als leicht vermindert oder verzögert, unabhängig von der Therapie.

Kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität

In einer großen israelischen Studie an 686 Patientinnen und Patienten mit verschiedenen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wurde der Effekt einer COVID-19-Impfung auf die Aktivität der autoimmun-entzündlichen Erkrankung untersucht3. Bei 60–90 % der Patientinnen und Patienten zeigte sich kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität. Ansonsten gaben etwa gleich viele Patientinnen und Patienten eine verbesserte beziehungsweise eine verschlechterte Krankheitsaktivität an.

Auch eine große europäische Registerstudie ohne Kontrollgruppe hat sich mit der Sicherheit der COVID-19-Impfung bei rheumatologischen Erkrankungen beschäftigt4. Über 5000 Patientinnen und Patienten aus 30 Ländern wurden eingeschlossen. Mehr als die Hälfte von ihnen erhielt konventionelle krankheitsmodifizierende Medikamente (csDMARDS), über 40 % bekamen Biologika (bDMARDS) und 35 % Immunsuppressiva.

Bei rheumatologischer Erkrankung werden Impfungen besser vertragen

Krankheitsschübe traten in den ersten Wochen nach der Impfung bei 4,4 % der Patientinnen und Patienten auf, schwere Schübe bei 0,6 %. Nur in 1,5 % der Fälle musste die Medikation vorübergehend angepasst werden. Impfreaktionen wurden bei 37 % der Erkrankten registriert, schwere unerwünschte Nebenwirkungen bei 0,5 %. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Rheumapatientinnen und -patienten Impfungen gegen COVID-19 sogar etwas besser vertragen als dies in der Allgemeinbevölkerung der Fall ist. Specker erklärte dies damit, dass die eingesetzten Immunsuppressiva und Kortikosteroide auch in der Lage sind, unspezifische Impfreaktionen zu unterdrücken. Breakthrough-Infektionen mit SARS-CoV-2 kamen in einer Häufigkeit von 0,7 % vor, und zwar, wie Specker berichtete, vor allem bei Patientinnen und Patienten, die weniger als dreimal geimpft waren5. Mit der 3. Impfung stellte sich der größte Gewinn an Schutzeffekt vor der Infektion und vor Tod durch die Infektion ein.

Rheumamedikation nicht grundsätzlich verändern

Prof. Specker
Die Ausführungen in diesem Beitrag stammen aus dem Impulsvortrag von Prof. Dr. med. Christof Specker, Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Krankenhaus Essen Mitte, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, beim Impfsymposium 2023 des Deutschen Ärzteverlags, © KEM

Verschiedene Medikamente, die bei Patientinnen und Patienten mit entzündlich-rheumatischen Krankheiten eingesetzt werden, können zu einer Abschwächung der Impfantwort führen. Dies scheint aber meist kein gravierendes Problem zu sein, versicherte Specker. Es wird deshalb auch nicht grundsätzlich empfohlen, Medikationen zu verschieben, zu pausieren oder in der Dosis zu reduzieren. Man müsse auch immer bedenken, dass solche Vorsichtsmaßnahmen dazu führen können, dass eine in Remission befindliche rheumatische Erkrankung wieder aktiv wird. Und dies wirke sich ebenfalls ungünstig auf die Impfantwort aus, so Specker.

Die Empfehlung, nach einer Methotrexat-Anwendung Monate abzuwarten, bevor eine Impfung durchgeführt wird, kommt aus der Onkologie. In der Rheumatologie werden deutlich niedrigere Dosen verwendet. Deshalb sei eine derartige Pause nicht notwendig. Bei anhaltender Remission können in Absprache mit dem Rheumatologen oder der Rheumatologin Therapieanpassungen im Zusammenhang mit einer Impfung erwogen werden, um die Impfantwort zu verbessern. Dies trifft z.B. zu für Methotrexat, JAK-Inhibitoren, Abatacept und Mycophenolat (Details siehe Tabelle).

Für den CD20-Inhibitor Rituximab gilt, dass mindestens 6 Monate nach der Anwendung keine humorale Impfantwort zu erwarten ist, lediglich eine T-Zellantwort. Ein Impfschutz ist damit nicht gesichert. Wenn möglich, sollte man deshalb eine Impfung frühestens 4–6 Monate nach der letzten Gabe von Rituximab ins Auge fassen. Man kann oft Alternativen für eine Therapie mit Rituximab erwägen, bzw. versuchen, diese für die Impfung noch kurz zu verschieben. Im Zweifelsfall sollte man sich jedoch für das Impfen entscheiden. „Denn die Impfung schadet nicht, und es kann nichts passieren, außer dass die humorale Impfantwort ausbleibt“, so Specker. „Geimpfte und Ärzte dürfen sich dann nur nicht in Sicherheit wähnen, gut geschützt zu sein.“

Wie sieht es mit Steroiden aus?

Bei Gabe von bis zu 10 mg Prednisolon täglich ist die Impfantwort z.B. auf Influenza- oder COVID-19-Impfstoffe so gut wie gar nicht eingeschränkt. Auch bis 20 oder sogar 25 mg Prednisolon kann man durchaus impfen, wenngleich die Impfantwort mit zunehmender Steroiddosis schwächer wird. Vorher sollte man jedoch immer überlegen, ob es nicht möglich ist, die Prednisolon-Dosis einige Zeit vor einer geplanten Impfung etwas zurückzufahren. Eine Therapie mit Hydroxychloroquin, Sulfasalazin, Leflunomid, Azathioprin, Calcineurininhibitoren, Belimumab, TNF-alpha-Blockern und Interleukin-Antagonisten muss vor einer Impfung nicht angepasst werden, weil sie die Impfantwort nicht oder nur gering beeinträchtigt. Grundsätzlich sollte man unter Immunsuppression keine Lebendimpfstoffe verabreichen, wobei man, wie Specker betonte, in Einzelfällen je nach Situation über Ausnahmen nachdenken könne.

Medikation

Evtl. Anpassung im Hinblick auf eine geplante Impfung

LoA (± SD)

Methotrexat

Pause für 1(–2) Wochen nach jeder Impfung

7,79 (± 2,76)

JAK-Inhibitoren

Pause für 1–2 Tage vor bis 1 Woche nach jeder Impfung

7,74 (± 2,63)

Abatacept (sc)

Pause für 1 Woche vor und 1 Woche nach jeder Impfung

8,47 (± 1,67)

Rituximab

Evtl. alternative Therapie erwägen und Impfung durchführen

Verschiebung des ersten bzw. nächsten RTX-Zyklus auf 2–4 Wochen nach Beendigung der Impfserie

Wenn möglich Impfung erst 4–6 Monate nach letzter RTX-Gabe

Bei Risiko-Patientinnen und Patienten ggf. auch frühere Impfung

9,42 (± 1,27)

8,68 (± 1,92)

9,53 (± 0,75)

9,11 (± 1,17)

Mycophenolat

Pause für 1 Woche nach jeder Impfung

7,53 (± 2,11)

Tabelle: Soll eine immunsuppressive/immunmodulatorische Therapie wegen der Impfung reduziert oder pausiert werden?

Pausen oder Verschiebungen werden nicht grundsätzlich empfohlen. Im Falle einer anhaltenden Remission können in Rücksprache mit dem Rheumatologen folgende Therapieanpassungen im Rahmen der Impfung erwogen werden.

Legende: (LoA= Level of Agreement [± Standardabweichung] nach Abstimmung in der Autorengruppe) (mod. n. [6])

Literatur

1Geisen UM et al.: Ann Rheum Dis 2021; 80: 1306–1311
2Simon D et al.: Ann Rheum Dis 2021; DOI: 10.1136/annrheumdis-2021-220461
3Furer V et al.: Ann Rheum Dis 2021; DOI: 10.1136/annrheumdis-2021-220647
4Machado PM et al.: DOI: 10.1136/annrheumdis-2021-221490
5Hasseli R et al.: DOI: 10.1136/rmdopen-2023-002998
6Specker C et al.: Z Rheumatol 2021; 80: 570–587

Dr. med. Angelika Bischoff

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