Q&A Teil 1: Impfungen gegen Pneumokokken, Influenza und COVID-19
Beim jährlich stattfindenden Expertensymposium Impfen des Deutschen Ärzteverlags können die Zuschauerinnen und Zuschauer im Vorfeld der Veranstaltung und während des Livestreams eigene Fragen aus ihrem Praxisalltag stellen. In unserem Questions & Answers-Format beantworten die Expertinnen und Experten die Fragen, die im Livestream nicht beantwortet werden konnten. Teil 1 dreht sich um die Fragen zu Impfungen gegen Pneumokokken, Influenza und COVID-19.

Der Experte antwortet: Interview mit Prof. Dr. med. Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena
Pneumokokken
Polysaccharid-Impfstoffe wie PPSV23 erzeugen eine Immunität gegen Polysaccharide auf der Oberfläche von Krankheitserregern. Sie haben insbesondere bei Personen mit geschwächtem bzw. unreifem Immunsystem (Kinder unter 2 Jahren) eine eingeschränkte Wirksamkeit, da (nicht-konjugierte) Polysacchardimpfstoffe keine T-Zellen ansprechen und somit die Antikörperaviditätsreifung, der Antikörperklassenwechsel und das Immungedächtnis unzureichend stimuliert werden. Konjugatimpfstoffe präsentieren bakterielle Antigene, die an ein Proteinträgermolekül gebunden sind. Dadurch werden die T-Zellen ebenfalls angesprochen und die Immunantwort wird verstärkt. Davon profitieren v.a. Immunsupprimierte und Kleinkinder.
Außerdem induzieren die (nicht-konjugierten) Polysaccharidimpfstoffe keine mukosale Immunität. Das bedeutet, dass es keinen Einfluss auf den Pneumokokkenträgerstatus gibt und dass die nicht-invasive Pneumokokkenpneumonie (Pneumonie ohne begleitende positive Blutkultur) nach Meta-Analysen nur unzureichend verhindert wird – im Gegensatz zu den Konjugatimpfstoffen, die sowohl eine Wirkung gegen den Trägerstatus als auch bei nicht-invasiver Pneumonie haben.
Der von der STIKO aktuell empfohlene Pneumokokken-Impfstoff für Erwachsene ist PCV20, er soll als Standardimpfung bei allen ab 60 Jahre gegeben werden. Für Empfehlungen zu einer eventuellen Wiederholungsimpfung mit PCV20 liegen der STIKO derzeit (Sommer 2025) noch keine ausreichenden Daten vor.
Wenn bei Patienten ohne Grunderkrankungen 6 Jahre nach der Erstimpfung mit PPSV23 die Auffrischimpfung gegen Pneumokokken geplant ist, soll diese mit dem PCV20-Konjugatimpfstoff durchgeführt werden.
Bei einer vorexistenten Grunderkrankung und/oder einer ausgeprägten Immundefizienz kann laut Robert Koch-Institut der Impfabstand nach der PPSV23-Impfung für die Nachimpfung mit PCV20 auf 1 Jahr verkürzt werden, wenn der Abstand weniger als 1 Jahr beträgt, fällt die Schutzwirkung schlechter aus.
Für Empfehlungen zu einer eventuellen Wiederholungsimpfung mit PCV20 liegen der STIKO derzeit (Sommer 2025) noch keine ausreichenden Daten vor.
Bei der Anwendung von Totimpfstoffen wie PCV20 ist laut Robert Koch-Institut keine Einhaltung von Mindestabständen – auch zu Lebendimpfstoffen – erforderlich. Im seltenen Fall einer akuten Impfreaktion sollte die Symptomatik vor einer erneuten Impfung abgeklungen sein.
Wenn als Impfstoff PCV20 verwendet wird, wird eine weitere Impfung derzeit von der STIKO noch nicht empfohlen (Ausnahme ist der völlige Verlust des Immungedächtnisses zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Stammzelltransplantation). Wenn PPSV23 verwendet wurde, gelten andere Regeln: Bei Gesunden wird dann nach 6 Jahren, bei Immunsuppression nach 1-2 Jahren einmalig mit PCV20 nachgeimpft.
Mit PCV20 wird nur noch einmalig geimpft, die STIKO-Empfehlungen sehen derzeit keine Wiederholungsimpfung vor. Das könnte sich aber eventuell künftig noch ändern, denn es sind auch neuere Pneumokokkenimpfstoffen gegen weitere Serotypen in der klinischen Entwicklung.
Diese sogenannte sequentielle Impfung (PCV13 -Impfstoff gefolgt von PPSV23) ist mit der Einführung von PCV20 obsolet. PCV20 löst bei Erwachsenen sowohl PCV13 als auch PPSV23 ab. Obwohl PPSV23 drei Serotypen mehr enthält als PCV20, ist der Unterschied zwischen den beiden aufgrund der Häufigkeit der Serotypen aus Sicht der STIKO aktuell vernachlässigbar.
Influenza
Es ist richtig, dass die Wirkung einer Influenza-Impfung sich schon nach wenigen Monaten abschwächt. Die Influenza-Impfung sollte deshalb nicht im Spätsommer geplant werden, aber auch nicht so spät im Jahr, dass bereits eine hohe Infektionsgefahr bei noch nicht aufgefrischtem Impfschutz besteht. Die Influenza-Welle hatte ihre Spitze in den letzten Jahren meist zu Anfang des neuen Jahres, insofern ist eine spätere Impfung ggf. sinnvoll. Wichtig: Auch während der Influenza-Welle sollten „Nachzügler“ noch geimpft werden.
Wochenlang anhaltende grippeähnliche Symptome sind als Impfreaktion nach Influenza-Impfungen unbekannt. Es ist davon auszugehen, dass die Patienten zum Zeitpunkt der Impfung eine latente Infektion mit sich herumgetragen haben, die nach der Impfung ausgebrochen ist. Ein Zusammenhang mit der Impfung besteht nicht, eine Wiederimpfung im Folgejahr ist sinnvoll.
Generell ist es ein gutes Argument, dass die Infektion das Immunsystem viel stärker aktiviert als eine Impfung. Da einer Influenza-Infektion kaum ausgewichen werden kann, ist eine Impfung – auch bei Autoimmunerkrankungen – immer sinnvoll. Das zeigt sich in Analogie auch bei Post-COVID: Eine Re-Infektion erhöht das Risiko für das Auftreten von Post-COVID, eine Impfung hingegen reduziert das Risiko für Post-COVID.
Die von Prof. Dr. med. M. Pletz zitierte Studie aus Dänemark bezog sich auf den Hochdosis-Influenza-Impfstoff. Es handelte sich um eine Machbarkeitsstudie. Eine besser belastbare Studie zur Effektivität des Hochdosis-Influenza-Impfstoffs wird im Oktober 2025 erwartet.
COVID-19
Wir verweisen auf den Pharmakovigilanzbericht des Paul-Ehrlich-Instituts zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe - Sachstand 31.12.2024 (aus: Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 1/2025). Neuere Daten zu mRNA-Impfstoffen zeigen auch, dass das Myokarditis-Risiko nach mRNA-Impfung während der Pandemie deutlich rückläufig war und aktuell kaum noch eine relevant ist. Es wird vermutet, dass der initial sehr kurze Impfabstand von 3 Wochen eine mögliche Ursache für das Myokarditis-Risiko war.
Nach Impfungen mit Comirnaty sind Lungenembolien als Nebenwirkung unbekannt. Das Paul-Ehrlich-Institut vermerkt in seinem Sicherheitsbericht 2021, dass die gemeldete Zahl der Lungenembolien nach Impfung niedriger war als der statistisch zufällige Erwartungswert. Im Gegenteil können Lungenembolien als Folge schwerer COVID-19-Infektionen durch die Impfung vermieden werden. Ja, die Patientin sollte weiter jährlich gegen COVID-19 geimpft werden.
Ja, unbedingt. Die nachlassende Wirkung bezieht sich v.a. auf leichte COVID-19-Infektionen, der Schutz vor schweren Verläufen oder Tod ist deutlich länger anhaltend. Jede Impfung erneuert den Immunschutz und verhindert für einige Monate eine Erkrankung. Wenn danach der Immunschutz schwächer wird, bedeutet das nicht einen völligen Wegfall der Immunität, sondern eventuell einen etwas längeren Zeitraum, bis das Immunsystem den Erreger wieder wirksam bekämpft. Die Schwere der Corona-Infektion kann auch bei abnehmendem Immunschutz deutlich reduziert werden. Eine erneute Impfung zum Beginn der nächsten Wintersaison ist angeraten.
Wie bei anderen Impfungen auch sind klassische Impfreaktionen nach einer COVID-19-Impfung üblich.
Die Melderate von Verdachtsfällen einer Nebenwirkung betrug laut Paul-Ehrlich-Institut für alle COVID-19-Impfstoffe zusammen 1,78 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für Verdachtsfälle mit schwerwiegenden Nebenwirkungen 0,32 Meldungen pro 1.000 Impfdosen (Stand 31.03.2025).
Sicherheitsinformationen Coronavirus und COVID-19 - Paul-Ehrlich-Institut
Laut Impfdashboard des BMG wurden bisher knapp 65 Millionen Menschen in Deutschland gegen COVID-19 geimpft, viele davon mehrfach. Laut einer Recherche der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurden von den Behörden in Deutschland bisher (Stand 21.04.2025) mindestens 573 Fälle von dauerhaften (länger als 6 Monate andauernden) Corona-Impfschäden anerkannt (Knapp 600 Fälle von Corona-Impfschäden anerkannt | tagesschau.de). Etwa 2.000 Widerspruchsverfahren waren am 21.04.2025 noch offen. Dem Bericht zufolge sind mehr als 14.000 Anträge auf Anerkennung von Impfschäden eingegangen. Die Anerkennungsquote liegt bei 6,2 Prozent.
Die Forschung zum Post-Vac-Syndrom ist noch sehr jung. Das Universitätsklinikum Gießen-Marburg hat im Jahr 2023 eine Spezialsprechstunde eingerichtet für Menschen mit lange anhaltenden Beschwerden, die in zeitlichem Zusammenhang nach einer Infektion und/oder nach einer Impfung gegen SARSCoV2 aufgetreten sind. Generell ist die Datenlage zum Post-Vac-Syndrom deutlich schwächer als für das Post-COVID-Syndrom.
Nein.
Interessenskonflikte Prof. Dr. med. Mathias Pletz:
Forschungsunterstützung: DFG, BMBF, Pfizer, Correvio, Infectopharm
Vortragshonorare: Janssen, MSD, Pfizer, Bayer, Chiemsi, GSK, Thermofisher, Infectopharm
Beratertätigkeit: MSD, Basilea, Pfizer, Curetis, Bayer, Roche, Novartis, GSK, Thermofisher, Angelini, Janssen
Gesellschaften und Verbünde: Vorstand DSG, CAPNETZ, PEG, Forschungscampus Infectognostics e.V.; Beirat: RKI (wissenschaftlicher Beirat und Beirat Pandemische Atemwegsinfektionen), WHO (Covid-19 Infection Prevention Control Guidance Development Group), Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung.