Q&A Teil 7: Impforganisation in der Praxis und digitales Impfmanagement
Beim jährlich stattfindenden Expertensymposium Impfen des Deutschen Ärzteverlags können die Zuschauerinnen und Zuschauer im Vorfeld der Veranstaltung und während des Livestreams eigene Fragen aus ihrem Praxisalltag stellen. In unserem Questions & Answers-Format beantworten die Expertinnen und Experten die Fragen, die im Livestream nicht beantwortet werden konnten. Teil 7 dreht sich um die Fragen zur Impforganisation in der Praxis und zum digitalem Impfmanagement.

Der Experte antwortet: Interview mit Dr. med. Markus Frühwein, Facharzt für Allgemeinmedizin, Reise- und Tropenmedizin, München
Impforganisation in der Praxis
Im epidemiologischen Bulletin 04/2025 der STIKO, also den jährlichen Impfempfehlungen, finden sich weiter hinten Tabellen für die einzelnen Altersgruppen mit den empfohlenen Impfschemata bei nicht Vorgeimpften.
Laut STIKO können alle Totimpfstoffe koadministriert werden, auch gleichzeitig mit Lebendimpfstoffen. Lebendimpfstoffe müssen entweder gleichzeitig oder mit 4 Wochen Abstand gegeben werden. Ausnahme: Zu Impfungen mit Lebendimpfstoffen soll ein Mindestabstand von 14 Tagen vor und nach jeder COVID-19-Impfung eingehalten werden.
Die STIKO am Robert Koch-Institut schreibt in ihrer Impf-App:
„Für Abstände zwischen unterschiedlichen Impfungen gilt:
Lebendimpfstoffe (attenuierte, vermehrungsfähige Viren) können simultan verabreicht werden. Werden sie nicht simultan verabreicht, ist in der Regel ein Mindestabstand von 4 Wochen einzuhalten.
Bei Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen (inaktivierte Krankheitserreger, deren Antigen-Bestandteile, Toxoide) ist die Einhaltung von Mindestabständen zu anderen Impfungen, auch zu solchen mit Lebendimpfstoffen, nicht erforderlich. Ausnahme: Zu Impfungen mit Lebendimpfstoffen soll ein Mindestabstand von 14 Tagen vor und nach jeder COVID-19-Impfung eingehalten werden. Impfreaktionen vorausgegangener Impfungen sollten vor erneuter Impfung vollständig abgeklungen sein.
Zu den zeitlichen Mindestabständen zwischen zwei Impfstoffdosen sowie zur Möglichkeit der Koadministration von Impfstoffdosen sind die Fachinformationen des jeweiligen Impfstoffs zu beachten.“
Eine Tabelle zu dieser Frage gibt die STIKO nicht heraus.
Zwischen MMR-Impfung und anderen Lebendimpfungen sollte ein Abstand von 4 Wochen eingehalten werden, oder sie werden gleichzeitig verabreicht. Ein zeitlicher Abstand zu Totimpfstoffen wird vom Robert Koch-Institut nicht empfohlen.
Die Tetanus-Impfempfehlungen in der Schweiz unterscheiden sich nur graduell von denen in Deutschland. Bei vorhandener, vollständiger Grundimmunisierung beträgt nach dem 20. bis zum 65. Lebensjahr der Abstand nicht 10 Jahre wie in Deutschland, sondern 20 Jahre, ab dem 65. Lebensjahr allerdings wieder 10 Jahre.
Da eine Infektion der Atemwege mit Influenza, Pneumokokken oder COVID-19 das Risiko für Herzinfarkte in der Periode nach der Infektion erhöht, ist ein erhöhter Blutdruck, der mit Arzneimitteln nicht auf Normwerte eingestellt werden kann, als Indikation für eine Impfung gegen Influenza, COVID-19 und Pneumokokken bereits vor dem 60. Lebensjahr anzusehen.
Die STIKO führt Herz-Kreislauf-Erkrankungen in ihren Empfehlungen explizit als Impfindikation an.
Jüngere Daten mit Corona-Impfstoffen zeigen, dass der Impferfolg besser sein könnte, wenn man immer in denselben Arm impft. Offensichtlich sind die lokalen, axillären Impfknoten stärker an der Ausbildung der Immunantwort beteiligt, als man das bisher angenommen hat (10.1016/j.ebiom.2023.104743)
Nicht für subkutane Injektion zugelassene Impfstoffe dürfen nicht subkutan gegeben werden. Es handelt sich um einen Off-Label-Use, der auch zu vermehrten Nebenwirkungen, ggf. auch zu schlechterer Wirksamkeit führen kann.
Manche Ärztinnen und Ärzte scheuen tiefe intramuskuläre Injektionen vor allem bei sehr schlanken Patientinnen und Patienten, weil sie fürchten, auf Knochen zu treffen und eine schmerzhafte Läsion in der Knochenhaut zu setzen.
Bei adsorbat-haltigen Impfstoffen, die das Antigen länger am injizierten Ort halten sollen – also bei fast allen modernen Impfstoffen –, kann es bei s.c.-Applikation zu erheblichen und vermeidbaren schmerzhaften lokalen Reaktionen bis hin zu Abszessen und Granulomen kommen. Gerade beim adjuvantierten Herpes-zoster-Impfstoff besteht eine erhöhte Gefahr heftiger und länger anhaltender lokaler Symptome.
Bei Patientinnen und Patienten, die Gerinnungshemmer nehmen und deshalb eine erhöhte Blutungsgefahr aufweisen, sollten subkutane Impfungen bevorzugt werden, soweit die Impfstoffe dafür zugelassen sind.
Das Robert Koch-Institut schreibt hierzu (RKI - Impfen - Kontraindikationen zur Durchführung von Impfungen: Häufig gestellte Fragen und Antworten, entnommen 21.7.2025):
„Patienten mit Gerinnungsstörung oder Blutungsneigung können fast immer subkutan (s.c.) geimpft werden. Die s.c.-Applikation ist bei den meisten Impfstoffen durch die Zulassung abgedeckt bzw. es findet sich ein anderer Impfstoff gegen den entsprechenden Erreger mit s.c.-Zulassung. Sollte keine Zulassung für eine s.c.-Gabe vorliegen, kann die Impfung ggf. auch intramuskulär (i.m.) mit einer sehr feinen Injektionskanüle und der anschließenden festen Komprimierung der Einstichstelle über mindestens 2 Minuten erfolgen, wenn eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung zugunsten einer Impfung ausfällt.“
Nein.
Nein, eine grundsätzliche s.c.-Impfung statt i.m.-Impfung ist nicht vorgesehen. S.c.-Impfungen können indiziert sein bei Blutungsneigung. Eine subkutane Injektion kann zu einer stärkeren lokalen Impfreaktion führen als eine intramuskuläre Reaktion. Vor allem Adsorbatimpfstoffe können bei s.c.-Applikation zu Knötchen, Zysten und Abszessen führen.
Nicht für subkutane Injektion zugelassene Impfstoffe dürfen nicht subkutan gegeben werden. Es handelt sich um einen Off-Label-Use der auch zu vermehrten Nebenwirkungen, ggf. auch schlechterer Wirksamkeit führen kann.
Ich würde raten, die empfohlenen Impfungen durchzuführen und ggf. auf eine Impfung mit dem damals verabreichten Mehrfachimpfstoff zu verzichten. Die Impfstoffe gegen Influenza, COVID-19, Pneumokokken, Zoster und RSV, die für Ihre Altersgruppe empfohlen sind, weisen hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe, wenn überhaupt, nur eine geringfügige Überschneidung auf.
Das wird wahrscheinlich schwierig sein, da die Impfstoffe über den Sprechstundenbedarf verordnet werden müssen.
Impfungen und die Herstellung einer ausreichenden Immunität vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie werden von der STIKO empfohlen:
„Um einen optimalen Impferfolg zu erzielen, sollten die Impfungen im Allgemeinen möglichst 2, besser 4 Wochen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie abgeschlossen sein. Sollte dies aus praktischen Gründen nicht möglich sein, wird der Abschluss der Immunisierung vor Beginn der Therapie empfohlen, auch wenn dies mit kürzeren Abständen zwischen der Impfung und der immunsuppressiven Therapie einher geht [Expertenkonsens].“ Aus: Wagner N, Assmus F, et al.: Impfen bei Immundefizienz, Bundesgesundheitsbl 2019 62: 494–515 _DOI: 10.1007/ s00103-019-02905-1, Impfen bei Immundefizienz .
Alle Impfungen, die von der STIKO vor geplanter Immunsuppression empfohlen werden, müssen von der Kasse übernommen werden. Wichtig ist es hier, die D90-Immunsuppression zu verschlüsseln. Wir haben dann bei den empfohlenen Impfungen bisher keine Probleme gehabt.
Sie können die Impfstoffe entweder im Auftrag der Patientin/des Patienten mit einem roten Rezept in der Apotheke besorgen und die Rezeptgebühr von der Patientin/vom Patienten kassieren oder ihm einfach ein rotes Rezept ausstellen.
Mit dem digitalen Rezept geht das relativ einfach und schnell. Die Patientin/der Patient bringt den Impfstoff dann mit.
Eine Impfung ohne ausdrückliches Einverständnis – bzw. Einverständnis des Sorgeberechtigten oder gesetzlichen Betreuers – wird juristisch als Körperverletzung eingestuft.
Digitales Impfmanagement
Das digitale Impfmanagement wird direkt mit den Patientendaten verbunden und übernimmt von dort Diagnosen und Medikationen.
Nein, das System erkennt keine Immunsuppression allein anhand der Diagnosen, z.B. D90.
Interessenskonflikt Dr. med. Markus Frühwein:
Beratungstätigkeit für Impfdoc NE