Q&A Teil 1: Das wollen Ärztinnen und Ärzte über das Impfen wissen
Beim jährlich stattfindenden, virtuellen Impfsymposium des Deutschen Ärzteverlags kommen auch die Zuschauerinnen und Zuschauer zu Wort und können ihre Fragen an die Expertinnen und Experten stellen. Nicht alle Fragen können während der Live-Veranstaltung beantwortet werden. In diesem ersten Teil der Questions & Answers-Reihe finden Sie Fragen und Antworten aus vielen verschiedenen Bereichen des Themas Impfen, die während des 2023er-Symposiums "Jede Impfung zählt" gestellt wurden.

FRAGEN | ANTWORTEN |
Frischt man nach 4 erhaltenen Polio-Impfungen im Leben im Alter noch einmal auf? | Nein, nur bei Verlust des Immunsystems zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Stammzell- oder Organtransplantation oder in der Reisemedizin als Selbstzahlerleistung |
Welche klinischen Studien (prospektiv-randomisiert, placebo-kontrolliert - nicht nur retrospektiv) gibt es zur Koadministration von Impfstoffen im Rahmen der Zulassung oder auch nach der Zulassung? | Die STIKO stellt dar, dass alle Totimpfstoffe im Prinzip am gleichen Impftermin verimpft werden können. Man kann dann verschiedene Injektionsstellen verwenden und beide Oberarme für die Injektionen nutzen. Zwei Impfungen am gleichen Tag, also eine Impfung plus ein anderer Totimpfstoff, ist immer möglich. Es steht auch in den jeweiligen Zulassungsdaten und in der Fachinformation, ob es Sicherheitsdaten gibt, wie zum Beispiel bei einer Impfung gegen Influenza plus Impfung gegen Pneumokokken oder Herpes zoster. Zu den einzelnen Impfstoffen finden sich die Daten zur Koadministration in den Fachinformationen. |
Warum soll die FSME-Auffrischung in Deutschland alle 5 Jahre erfolgen? In der Schweiz wird ein 10-jähriger Abstand empfohlen. | Bei einer guten Immunreaktion kann das 10-jährige Intervall für die Auffrischung genügen, bei einer beeinträchtigten Immunreaktion aber nicht. Da man das im Einzelfall nicht weiß, ist es sinnvoll, alle 5 Jahre nachzuimpfen. Zudem entspricht dieses Vorgehen den Fachinformationen, von denen man grundsätzlich nicht abweichen sollte. |
Wenn eine FSME-Impfserie begonnen, aber nach der 2. Impfung unterbrochen wurde und die Patientin oder der Patient erst nach 10 Jahren wiederkommt, reicht dann eine 3. Impfung oder muss von vorne begonnen werden? | Vermutlich reicht eine Auffrischungsimpfung auch nach über 10 Jahren. Es gibt hier aber noch keine ausreichenden Daten. Der Grundsatz „jede Impfung zählt“ ist vermutlich eine gute Basis. |
Kann man Schmerzen an der Einstichstelle mit der Immunantwort korrelieren? Ohne Schmerzen keine gute Immunantwort - stimmt das? | Man kann auf jeden Fall einer Patientin oder einem Patienten die Botschaft mitgeben, dass eine spürbare Impfreaktion bedeutet, dass das Immunsystem mit dem verimpften Erreger reagiert. Eine ausbleibende Impfreaktion kann ein Zeichen für eine ausbleibende immunologische Auseinandersetzung sein, so wie unter Immunsuppressiva Impfreaktionen auch geringer ausfallen als in der Normalbevölkerung. Eine eindeutige Korrelation lässt sich allerdings nicht herstellen. |
Manche Eltern fürchten Krampfanfälle nach einer Pertussis-Impfung. Gibt es einen Tetanus-Impfstoff für Kinder unter 5 Jahre OHNE Pertussis? | Es gibt einen Td-Impfstoff ohne Pertussis-Komponente für Kinder ab 5 Jahren und für Erwachsene, aber nicht für jüngere Kinder. Krampfanfälle nach einer Impfung können auftreten im Zusammenhang mit einem reaktiven Temperaturanstieg. Es ist dann sinnvoll, Fiebersenker zur Hand zu haben. Die Impfung auszulassen, ist wegen der großen Gefährlichkeit von Pertussis-Erkrankungen nicht sinnvoll. |
Sollte die Pneumokokken-Impfung bei Patientinnen und Patienten über 60 Jahre alle 5 Jahre aufgefrischt werden? | Die STIKO-Empfehlung lautet, dass nach 6 Jahren bei weiter bestehender Indikation/erhöhtem Risiko aufgefrischt wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich diese Empfehlung noch ändern könnte, abhängig von der Studienlage. |
Wie sind die aktuellen Empfehlungen bei Covid-19 ? | Eine Grundimmunisierung mit mindestens 2, besser 3 Impfungen nach bekanntem Schema sollte vorhanden sein. Danach erfolgt eine jährliche Impfung wie bei Influenza, für alle Menschen ab 60 Jahre, darüber hinaus für alle Menschen mit Risiken für schwere Krankheitsverläufe und Komplikationen. |
Die WHO empfiehlt ein zweimaliges Impfschema gegen Tollwut für Reisende an Tag 0 und 7. Die USA und die Schweiz schließen sich dem an (in der Schweiz wird ein längerer Abstand empfohlen mit Booster nach frühestens 1 Jahr). In Deutschland gilt das dreimalige Schema. Was soll/kann man den Patientinnen und Patienten empfehlen unter Berücksichtigung des Formblattes der Deutschen Tropenmedizinischen Gesellschaft (DTG)? | Die Tollwut ist eine mit fast 100%iger Wahrscheinlichkeit tödliche und einer Therapie nicht zugängliche Erkrankung. Ein sicherer Impfschutz ist für exponierte Personen lebensrettend. Die Empfehlungen der WHO richten sich nicht nach dem optimalen Standard, sondern nach dem Machbaren in allen WHO-Mitgliedsländern. Deshalb orientieren sich viele medizinische Empfehlungen der WHO nicht am oberen, sondern am mittleren oder unteren Rand der medizinischen Möglichkeiten; gleiches gilt für die Empfehlungen zur Tollwut-Impfung. Das Formblatt der Deutschen Tropenmedizinischen Gesellschaft erlaubt beide Impfschemata, das deutsche und das internationale. |
Wie soll man impfen, wenn der erste Impfausweis verloren gegangen ist? | Das Vorgehen ist abhängig von der Beschreibung der Patientin oder des Patienten. Sind die Kinderimpfungen vorhanden oder nicht? Wenn die Angaben unzuverlässig sind, sollte so vorgegangen werden, als wenn kein Impfpass vorhanden wäre. Man kann nicht „überimpfen“. |
Wie soll vorgegangen werden bei unklarem Impfstatus, zum Beispiel bei Flüchtlingen? Kann ich davon ausgehen, dass alle wichtigen Impfungen in der Kindheit erfolgt sind? | Impfschemata und Impfzuverlässigkeit der Herkunftsländer müssten geprüft werden. Bei Flüchtlingen aus der Ukraine ist der Impfschutz meist sehr gut, bei Flüchtlingen aus anderen Regionen nicht. Dann sollte in möglichst kurzer Zeit möglichst viel auf einmal geimpft werden, auch mit Koadministration (siehe dort). Es gibt hier eine gute Vorgabe der STIKO mit einem klaren Plan, siehe hier |
Was genau ist der Unterschied zwischen Repevax® und Boostrix®? Wann impfe ich mit welchem Impfstoff? | Repevax® und Boostrix Polio® sind Tdap-IPV-Impfstoffe mit einer Poliomyelitis-Komponente, Boostrix® ist ein Tdap-Impfstoff ohne Polio. Man verwendet sie, je nachdem ob man Polio auch braucht oder nicht. Im Regelfall reicht Tdap. |
Die Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) ist besonders auch für Kinder im Kita- und Kindergartenalter eine große Gefahr, da Kinder kaum in der Lage sind, den Biss einer Zecke richtig einzuschätzen und dementsprechend Hilfe aufzusuchen. Ich schlage deshalb vor, die Impfung gegen FSME in den Impfplan von Kleinkindern aufzunehmen. Seit Jahrzehnten hat sich diese Impfung als gut verträglich und sicher erwiesen. Andererseits hat sich das Verbreitungsgebiet der Zecken mittlerweile auf fast Deutschland ausgedehnt. Kommentar? | Wenn kein allgemeines Infektionsrisiko gegeben ist, kann die STIKO auch keine allgemeine Impfempfehlung aussprechen. Allerdings kann es ja in allen Risikogebieten geimpft werden (praktisch ganz Süddeutschland). Auch wenn ein Risiko besteht, wie auch durch Reisen oder Familienbesuche, kann gegen FSME geimpft werden. |
Reduzieren NSAR die Impfantwort? | Es gibt Hinweise darauf, dass NSAR nicht nur die Symptome einer Impfreaktion wie lokale Schmerzen oder Temperaturerhöhung überdecken, sondern auch den Aufbau einer wirkungsvollen Immunantwort behindern können, vor allem wenn sie prophylaktisch oder frühzeitig nach der Impfung eingesetzt werden. Deshalb lautet die Empfehlung, mit dem Einsatz von Schmerzmitteln nach einer Impfung etwa einen Tag abzuwarten. |
Soll die Pertussis-Impfung in jeder Schwangerschaft aufgefrischt werden, auch wenn kurz vorher bereits geimpft wurde? | Ja, auf jeden Fall gegen Ende jeder Schwangerschaft. Denn die Impfung soll in erster Linie das Neugeborene schützen, das noch nicht geimpft werden kann, und bei dem die Gefahr von Atemstillständen bei einer Pertussis-Infektion hoch ist. |
Was ist von der Impfung gegen Harnwegsinfekte mit inaktiven E. coli zu halten? | Es ist nicht nachgewiesen, ob oder dass eine orale Einnahme inaktivierter E. coli die lokale Keimabwehr in der Harnblase so weit ertüchtigt, dass Harnwegsinfekte durch diese Keime seltener auftreten. Es handelt sich nicht um eine Impfung im Sinn der STIKO. Sie ist keine gesetzliche Leistung. Im Einzelfall kann sie bei hohem Leidensdruck als Selbstzahlerleistung sinnvoll sein und angeboten werden. |
Tetanus-Impfschutz nach einer Verletzung bei unklarem Impfstatus – wie ist vorzugehen? | Wenn der Impfausweis nicht vorliegt und systematische Auffrischimpfungen nicht erinnerlich sind, ist im Interesse des Patienten von einem fehlenden Impfschutz auszugehen. Es erfolgt dann die Gabe von Immunglobulin plus die erste von insgesamt 3 Tetanus-Impfungen und die dringende Aufforderung, die zwei Folgeimpfungen nicht ausfallen zu lassen. Bei einer stark verschmutzten Wunde sollte ein Antibiotikum prophylaktisch verabreicht werden. |
Was muss im Impfausweis stehen, reicht der Stempel mit Namen und Adresse des impfenden Arztes oder muss zwingend die Telefonnummer mit auf dem Stempel stehen? | Bei Vertragsärztinnen und -ärzten ist die Telefonnummer auf dem Arztstempel Pflicht, auch um eine schnelle Erreichbarkeit zu gewährleisten. Fehlt die Telefonnummer, etwa weil es sich um ein privatärztliches Umfeld handelt, so wird die Impfung deswegen nicht unwirksam oder ungültig. Wichtig ist neben dem Stempel, dass der Aufkleber zum Impfstoff mit der Chargennummer im Impfpass klebt. |
Kann man einen Patienten oder eine Patientin nach einer Herpes-Zoster-Infektion auf Kosten der GKV impfen? | Eine durchgemachte Zoster-Infektion ist eine Indikation zur Herpes-Zoster-Impfung bereits vor dem 60. Lebensjahr, aber nicht vor dem 50. Lebensjahr. Nach dem 60. Lebensjahr kann nach einer Gürtelrose auch auf Kosten der GKV geimpft werden. |
Wenn die erste Herpes-Zoster-Impfung mehr als ein Jahr her ist, kann dann noch eine Auffrischimpfung verabreicht werden oder muss mit der Immunisierung von vorn angefangen werden? | Es muss in dieser Situation von vorn angefangen werden. Es gibt Daten bis zu 12 Monaten nach der ersten Impfung, aber nicht darüber hinaus. Um einen sicheren Schutz zu gewährleisten, sollte man eine zusätzlich Impfung anbieten. Auch für dieses Vorgehen gibt es aber keine Langzeitdaten. |
Sollte ich bei Zustand nach Splenektomie den Titer der Hepatitis-B-Antikörper bestimmen? | Wenn eine Indikation für eine Hepatitis-B-Impfung besteht, so kann und sollte ohne vorherige Titerbestimmung geimpft werden. 4-8 Wochen nach beendeter Grundimmunisierung kann eine Titerbestimmung durchgeführt werden. Gegebenenfalls ist bei ausgebliebener Immunantwort eine zusätzliche Impfung indiziert. Eine vorhergehende Titerbestimmung auf Wunsch der Patientin/des Patienten als Selbstzahlerleistung ist eine Alternative, erscheint aber medizinisch nicht sinnvoll. |
Zur Empfehlung aus der Diskussion, Titerbestimmungen wegzulassen: Vor und nach einer Therapie mit einem C5-Inhibitor (Eculizumab) und bei überlappender Hochdosis-Steroidtherapie (100 mg SDH/d) wird eine Antibiotika-Prophylaxe vorgenommen beziehungsweise eine Impfung (Pneumokokken/Meningokokken). Soll zum Ausschluss von Non-Respondern hier die Antikörpertiter bestimmt werden? | Es handelt sich um eine sehr komplexe Frage (siehe auch Impfungen bei immunologischen Fragestellungen). Grundsätzlich kann man den Titer in diesem Spezialfall bestimmen, wenn es der Absicherung dient und dem Schutz der Patientin/des Patienten. |
Welche Influenza-Impfstoffe empfehlen Sie für Personen unter 60 Jahren? | Die STIKO-Empfehlung empfiehlt den verstärkten Influenza-Impfstoff nur für Personen über 60 Jahre (Stand Juli 2023). Eine Verwendung von Efluelda® ist laut STIKO bei Personen unter 60 Jahren nicht vorgesehen, auch dann nicht, wenn sie aufgrund einer Erkrankung oder einer medizinischen Behandlung eine Immunsuppression oder Immunschwäche aufweisen. Im Alter von 18-60 Jahren kann damit mit jedem QIV_SD (Standarddosis Vierfach) oder dem Zellkulturimpfstoff geimpft werden. |
Frage zur Hepatitis-B-Impfung: Wenn eine Patientin oder ein Patient als Kind grundimmunisiert wurde, ist dann eine erneute Grundimmunisierung im Erwachsenenalter bei Indikation erforderlich? | Der Impfschutz im Kindes- und Jugendalter hält mindestens 10 Jahre. Ein längerer Schutz ist möglich, kann aber nicht vorausgesetzt werden. Falls eine Hepatitis-B-Impfung im Erwachsenenalter indiziert ist, sollte dann eine Auffrischung erfolgen und die Kontrolle je nach Indikation stattfinden (z. B. bei beruflicher Indikation). Für die Reisemedizin sollte eine Auffrischung genügen. |
Was ist von einer gleichzeitigen Impfung gegen Gelbfieber und Dengue zu halten, wenn der Patient zu kurzfristig kommt, um mehrere Impftermine wahrzunehmen? | Die Impfung gegen Dengue ist erst seit Dezember 2022 in Deutschland zugelassen. Für eine eventuelle gleichzeitige Impfung der beiden Lebendimpfstoffe gibt es von der STIKO derzeit (Juli 2023) noch keine Empfehlung. Es gibt jedoch Zulassungsdaten für die Ko-Administration und diese ist möglich. Eine gleichzeitige Gabe ist damit in der Reisemedizin möglich und wird so auch bereits umgesetzt. |
Bei welchen Konstellationen ist der neue Hepatitis-B-Impfstoff Heplisav® erstattungsfähig? | Heplisav® ist genau wie alle anderen für Erwachsene zugelassenen Hepatitis-B-Impfstoffe erstattungsfähig, wenn eine Indikation zur Impfung besteht. |
Welches Impfschema sollte angewendet werden zur Grundimmunisierung von Erwachsenen gegen Meningokokken? Nimerix®-1x oder 2x und Bexero® 2x? Auffrischung einmalig nach 5 Jahren oder alle 5 Jahre? | Falls bei Erwachsenen eine Meningokokken-Impfung notwendig ist: Nimenrix® 1x und Bexero® 2x. Die Auffrischung erfolgt bei weiterhin bestehender Indikation nach Fachinformation. |
Die Empfehlung lautet, Tetanus, Diphtherie, Pertussis alle 10 Jahre aufzufrischen. Gibt es Besonderheiten, bei denen die Auffrischung früher stattfinden sollte? | Nein, außer bei Zustand nach allogener Stammzelltransplantation, wenn das gesamte Immungedächtnis verlorengegangen ist und der Impfschutz ab der Grundimmunisierung komplett neu aufgebaut werden muss und wegen der Pertussis-Komponente natürlich in jeder Schwangerschaft. |
Beratung: Prof. Dr. med. Jörg Schelling, Martinsried