Q&A Teil 2: Welche Einschränkungen gibt es beim Impfen von onkologischen Patientinnen und Patienten?
Beim jährlich stattfindenden Expertensymposium Impfen des Deutschen Ärzteverlags können die Zuschauerinnen und Zuschauer im Vorfeld der Veranstaltung und während des Livestreams eigene Fragen aus ihrem Praxisalltag stellen. In unserer nach 2023 zweiten Auflage des Questions & Answers-Formats beantworten die Expertinnen und Experten die Fragen, die im Livestream nicht beantwortet werden konnten. Teil 2 dreht sich um die Fragen aus dem Bereich Onkologie.

Der Experte antwortet: Prof. Dr. med. Oliver Cornely, Klinik I für Innere Medizin, Universitätsklinikum Köln, Vorsitzender der AG Infektionen der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie
Grundsätzlich ist die Datenlage zu dieser Situation limitiert und nicht eindeutig. Ein Abstand ist – sofern möglich – zu bevorzugen. Jedoch scheint der Impferfolg nur bei einem Teil der Patientinnen und Patienten eingeschränkt zu sein und betrifft primär die Antikörperantwort und weniger die zelluläre Immunantwort.
Neben der Therapie ist weiterhin der Einfluss der unbehandelten Grunderkrankung nicht zu unterschätzen. Falls der MTX-Therapiebeginn hinausgezögert werden kann – was häufig nicht der Fall ist –, wäre ein Intervall von bis zu 2 Wochen zwischen Impfungen und Therapiebeginn hilfreich.
Viel besser wäre es, frühzeitig einen vollständigen Impfschutz anzustreben, spätestens also während der diagnostischen Phase, auch ohne definitive Diagnose. Oft wird das jedoch nicht gelingen, da vor Therapiebeginn keine 2 Wochen Zeit sind.
Die Auffrischung vor der Rituximab-Therapie ist sinnvoll, ebenso die Auffrischung anderer Impfungen, falls die Zeitplanung das ermöglicht. Im Vordergrund stünden die Impfungen gegen respiratorische Infektionen und gegen Herpes zoster. Unabhängig von vorherigen Impfungen wäre PCV20 die richtige Wahl. Lebendimpfungen sollten nicht gegeben werden.
Die Immunglobulin-Substitution ist nach Stammzelltherapie nicht allgemein erforderlich. Es sollte ein Antikörpermangelsyndrom nachgewiesen werden, meist definiert als Gesamt-IgG-Antikörper <4 g/l, das liegt nach autologer SZT meist nicht vor, so dass kein Nutzen der passiven Immunisierung erwartet werden kann.
Zum optimalen Zeitpunkt ist wenig bekannt. Fest steht, es gibt keinen Zeitpunkt, zu dem nicht geimpft werden kann. Während einer Neutropenie <500/µl wird der Impferfolg schlechter sein. Ein häufig gewählter Abstand zur letzten Therapie sind 6 Wochen für Impfungen gegen respiratorische Viren, 3 Monate für Pneumokokken. Lebendimpfstoffe, z.B. MMR, erst nach Ablauf von 2 Jahren. Die Impfungen gegen Influenza, COVID-19 und RSV-Infektionen können durchaus früher gegeben werden, wenn die Infektionssaison naht.
Eine durchgemachte COVID-19-Infektion sehen wir im Antikörperprofil durch den Nachweis von anti-Nukleocapsid-IgG.
Impfnebenwirkungen ohne Impfantwort gehen bei einer lege artis durchgeführten Impfung über den eventuellen Schmerz beim Stich nicht hinaus.
Der Grenzwert, der mit einem Schutz vor schwerer Infektion korreliert, ist weiterhin nicht definiert. Für den Zweck der Studie, die die schwere Infektion nicht als Hauptzielkriterium hat, nutzen wir einen vorläufigen Grenzwert der trimeric spike IgG von ≥847 BAU/ml.
Die Kollegin sollte gemäß der genannten STIKO-Empfehlung geimpft werden, die Reihenfolge sollte sich nach dem Infektionsrisiko richten, also respiratorische Erreger prioritär, einschließlich PCV20, letzteres unabhängig von vorherigen Pneumokokken-Impfungen. Die Krankenkassen tragen die Kosten. Später wird sich die Frage stellen, ob man Jahre nach PCV20 erneut auffrischen sollte, das ist im Moment noch unklar.
Die Impfempfehlungen unterscheiden sich grundlegend. Der Unterschied liegt in der verbliebenen Immunität nach der autologen Stammzelltransplantation gegenüber der vollständigen Eradikation der Immunität nach der allogenen SZT. Es sind nach der autologen SZT lediglich Auffrischimpfungen erforderlich. Nach der allogenen SZT muss eine vollständige Grundimmunisierung durchgeführt werden. Für Pneumokokken gilt damit nach autologer SZT 1x PCV20, nach allogener SZT PCV20 nach 6, 7, 8 und 18 Monaten.