Q&A Teil 3: Impfungen bei Patientinnen und Patienten mit rheumatologischen und immunologischen Erkrankungen
Beim jährlich stattfindenden Expertensymposium Impfen des Deutschen Ärzteverlags können die Zuschauerinnen und Zuschauer im Vorfeld der Veranstaltung und während des Livestreams eigene Fragen aus ihrem Praxisalltag stellen. In unserer nach 2023 zweiten Auflage des Questions & Answers-Formats beantworten die Expertinnen und Experten die Fragen, die im Livestream nicht beantwortet werden konnten. Teil 3 dreht sich um die Fragen aus den Bereichen Rheumatologie und Immunologie.

Der Experte antwortet: Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim
Kurzantwort: Mindestens 3 Monate.
Empfehlung DGRH (Auszug): Bestehende spezifische Antikörperspiegel (z.B. gegen Tetanus) bleiben unter Rituximab-Therapie unbeeinflusst, wie Daten der Phase-II-Studie nahelegen (DANCER) [1].
Im Gegensatz dazu zeigte sich in einer Studie bei Patientinnen und Patienten mit aktiver RA trotz MTX43 für die Kombination Rituximab plus MTX im Vergleich zu MTX allein eine deutliche Reduktion der Impfantwort auf Pneumokokken sowie auf Tetanustoxoid. Die zelluläre Immunantwort, gemessen im Delayed-type-hypersensitivity(DTH)-Hauttest auf Candidaantigen, war unbeeinflusst. Es muss somit von einer verminderten oder sogar fehlenden humoralen Impfantwort ausgegangen werden [1].
Hinsichtlich ihrer Sicherheit sind Impfungen mit Totimpfstoffen unter Rituximab-Therapie unbedenklich. Patientinnen und Patienten sollten somit hinsichtlich ihrer Grundimmunisierung (Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Polio) befragt und ggf. eine Wiederauffrischung vor Beginn der Rituximab-Therapie (nach den Robert Koch-Institut-Empfehlungen) durchgeführt werden. Dies gilt auch für die generell bei Immunsupprimierten empfohlene Pneumokokken- und Influenza-Impfung.
In den Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR) wird auch empfohlen, nach Impfung die Rituximab-Therapie erst nach 2–4 Wochen zu beginnen.
Studien zeigen, dass eine – wenn auch eingeschränkte – Immunität gegen impfpräventable Erkrankungen auch unter Rituximab aufgebaut werden kann. Mit einer vollständigen Immunisierung durch eine Impfung kann 4 Monate nach dem Absetzen von Rituximab gerechnet werden.
Kurzantwort: Ja. Am selben Tag sollten nicht Methotrexat und der Impfstoff injiziert werden, um eventuelle allergische Reaktionen differenzieren zu können.
Keine wesentliche Immunsuppression ist laut Expertenkonsens und internationaler Guidelines bei niedrigdosierter Methotrexat(MTX)-Therapie zu erwarten. Dies bedeutet, dass bereits wenige Tage nach einer Impfung mit einer MTX-Therapie begonnen werden kann [2].
Kurzantwort: Nein, keine, die sich von anderen Impfungen unterscheiden würde.
Eine Meningokokken-ACWY-Konjugat- und Meningokokken-B-Impfung sollten entsprechend den STIKO-Empfehlungen durchgeführt werden, wobei die/der Patientin/Patient über die möglicherweise eingeschränkte Impfantwort aufzuklären ist. Für einen optimalen Impferfolg sollte die Immunisierung mindestens 2 Wochen vor Therapiebeginn abgeschlossen sein. Gegebenenfalls sollte eine Auffrischimpfung nach 5 Jahren in Betracht gezogen werden. Die jeweiligen Fachinformationen sind dabei zu beachten [2].
Kurzantwort: Alle, sofern keine Kontraindikationen bestehen.
Zudem können impfpräventable Infektionen, wie z.B. Influenza, Varizellen/Herpes zoster, Pneumokokken-Erkrankungen, Masern oder Hepatitis B bei manifester Autoimmunerkrankung oder unter immunsuppressiver Therapie schwerere Verläufe aufweisen bzw. mit einem erhöhteren Risiko für Komplikationen einhergehen als bei sonst gesunden und immunkompetenten Personen [2].
Die Hepatitis-B-Impfung sollte entsprechend den STIKO-Empfehlungen durchgeführt werden. Die STIKO empfiehlt 4–8 Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung eine Antikörperkontrolle. Eine weitere Dosis bzw. höhere Antigendosen können dann abhängig vom serologischen Erfolg in Erwägung gezogen werden [2].
1. Kurzantwort: Siehe RKI-Empfehlungen.
2. Kurzantwort: Neben allgemeinen Markern wie B-Zell-Mangel/zu niedrige IgG-Spiegel ist die wahrscheinlichste Erklärung eine zelluläre (B/T-Zellen/dendritische Zellen) Fehlfunktion auf Antigenerkennung oder auf Produktionsebene.
Der Erfolg einer Hepatitis-B-Impfung ist abhängig von Alter, Geschlecht, bestehenden Erkrankungen und anderen Faktoren. Wenn 4–8 Wochen nach erfolgter Grundimmunisierung im Rahmen der Indikationsimpfung kein ausreichender Impfschutz besteht (Anti-HBs-Konzentration <100 IE/L), ist folgendes Vorgehen zu empfehlen:
Bei „Low-Respondern“ (Anti-HBs 10–99 IE/L) wird eine sofortige weitere Impfstoffdosis mit erneuter Anti-HBs-Kontrolle nach weiteren 4–8 Wochen empfohlen. Falls der Anti-HBs-Spiegel dann immer noch <100 IE/L ist, sollten bis zu 2 weitere Impfstoffdosen jeweils mit anschließender Anti-HBs-Kontrolle nach 4–8 Wochen verabreicht werden. Das weitere Vorgehen, falls nach insgesamt 6 Impfstoffdosen der Anti-HBs-Spiegel stets <100 IE/L ist, wird kontrovers diskutiert [3].
Bei einer akuten Exposition ist für diese Personen eine passive Immunisierung notwendig (siehe Empfehlung der STIKO zur Hepatitis-B-Postexpositionsprophylaxe) [3].
Bei „Non-Respondern“ (Anti-HBs <10 IE/L) sollten zum Ausschluss einer bestehenden chronischen HBV-Infektion HBsAg und Anti-HBc bestimmt werden. Falls beide Parameter negativ sind, wird ein weiteres Vorgehen wie bei „Low-Respondern“ (s. o.) empfohlen [3].
Kurzantwort: Siehe STIKO Empfehlung.
Eine Auffrischung der Pertussis-Impfung einmalig im Erwachsenenalter, zusätzlich bei Kontakt mit Säuglingen und bei Schwangeren im letzten Trimester in jeder (!) Schwangerschaft wird aktuell von der STIKO empfohlen. Wenn jede und jeder Erwachsene diesen Empfehlungen Folge leistet, ist von einer ausreichenden Pertussis-Immunisierung zum Beispiel auch vor dem Beginn einer immunsuppressiven Therapie auszugehen.
Kurzantwort: Es gibt keine großen Studien, das Risiko einer Enterobakterieninfektion überwiegt aber den möglichen positiven Effekt, also nein.
Bei StroVac handelt es sich nicht um eine von der STIKO bewerteten Impfung gegen eine impfpräventable Erkrankung, sondern um inaktivierte Enterobakterien, die i.m. verabreicht werden mit der Absicht, die Häufigkeit rezidivierender Harnwegsinfekte bakterieller Herkunft zu reduzieren. Laut Fachinformation ist StroVac kontraindiziert unter anderem bei schweren Herz- und Nierenerkrankungen und bei Autoimmunerkrankungen und immunproliferativen Erkrankungen.
Kurzantwort: Wie bei Gesunden, Details s.u.
Methotrexat in niedriger Dosierung (20 mg/Woche oder darunter) beeinträchtigt den Impferfolg nicht [2].
Bei Adalimumab-Therapie Immunisierung im Idealfall mindestens 2, besser 4 Wochen vor Therapiebeginn abschließen. Bei laufender Behandlung: Impfung in der Mitte des Behandlungsintervalls [2].
Kurzantwort: Nein, in Einzelfällen kann aber die zusätzliche Immunstimulation der letzte Trigger für den Start einer Autoimmunerkrankung sein. Denselben Effekt hätte dann aber jeder nächste (banale) Infekt auch.
Für keinen der derzeit in Deutschland zugelassenen Tot- oder Lebendimpfstoffe existieren Studien, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und einer neu aufgetretenen Autoimmunkrankheit bzw. chronisch-entzündlichen Erkrankung oder einem Schub einer solchen bereits bestehenden Erkrankung belegen [2].
Dies gilt auch für Multiple Sklerose. Umgekehrt können Schübe von Autoimmunerkrankungen durch schwere Infektionskrankheiten wie Influenza ausgelöst werden [2].
Kurzantwort: Siehe Fachinformation.
Laut Fachinformation von Alemtuzumab (T- und B-Zell-depletierender Anti-CD52-Antikörper) und Ocrelizumab (B-Zell-depletierender Anti-CD20-Antikörper) sollten alle Immunisierungen 6 Wochen, bei Rituximab (B-Zell depletierender anti-CD20-Antikörper) mindestens 4 Wochen vor Therapiebeginn abgeschlossen sein. Für einen maximalen Impferfolg sollten diese Zeitabstände nach Möglichkeit eingehalten werden. Während einer immunsuppressiven Therapie sollte dann geimpft werden, wenn die Erkrankung stabil ist und die Therapie, sofern planbar, so wenig immunsuppressiv wie möglich ist [2].
Kurzantwort: So früh wie möglich impfen.
Immunsupprimierte Patientinnen und Patienten tragen ein hohes Risiko, an Herpes zoster zu erkranken, und zudem mit einem schweren Verlauf. Eine Impfung mit dem Herpes-zoster-Totimpfstoff zum nächstmöglichen Termin ist dringend anzuraten.
Kurzantwort: Nein, mit kleinen (theoretischen) Einschränkungen.
Die aktuelle Datenlage lässt den Schluss zu, dass NSAR eventuell über eine Hemmung des Prostaglandintiters die Immunantwort beeinträchtigen könnten.
Gleiches könnte auch für Paracetamol gelten [4].
Es wird deshalb empfohlen, schmerzreduzierende und fiebersenkende Mittel nicht prophylaktisch vor einer Impfung einzunehmen und auch erst 6 Stunden nach erfolgter Impfung. Die Datenlage ist aktuell aber nicht überzeugend.
Kurzantwort: Therapie vor Impfung, Details s.u.
Es müssen vor dem Beginn einer immunsupprimierenden Therapie nur diejenigen Impfungen aufgefrischt und durchgeführt werden, für die kein ausreichender Impfschutz mehr vorhanden ist oder gegen die noch nie geimpft wurde. Deshalb ist es wichtig, dass jeder Erwachsene immer alle für seine Altersgruppe empfohlenen Impfungen in den empfohlenen Intervallen durchführt. Es müssen dann vor einem Therapiebeginn nur wenige Impfungen durchgeführt werden.
Die Impfungen stellen einen Schutz vor schweren Erkrankungen dar. Ungeimpft könnte sich vor allem unter Immunsuppression – ab hier eine kasuistische Beschreibung – auf eine Influenza eine Pneumokokken-Pneumonie aufsetzen, und die Schwächung des Organismus könnte zu einem Aufblühen eines Herpes zoster führen. Impfungen belasten den Organismus erheblich weniger, auch wenn sie in kurzer Zeit durchgeführt werden. Alle impfpräventablen Erkrankungen wie Infektionen mit FSME, Meningokokken, Hepatitis etc. können unter Immunsuppression schwerer und hartnäckiger verlaufen.
Wenn eine Autoimmunerkrankung einen eiligen Therapiebeginn wünschenswert macht, wird man die Boosterung im Allgemeinen nicht abwarten.
Kurzantwort: Siehe Fachinformationen.
Vor einer Impfung mit Lebendviren oder lebenden Bakterien muss die Behandlung mit Ustekinumab nach der letzten Dosis für mindestens 15 Wochen unterbrochen gewesen sein und kann frühestens 2 Wochen nach der Impfung wieder aufgenommen werden [5].
Es liegen keine Daten zum Ansprechen auf Impfungen mit Lebendimpfstoffen bei Patientinnen und Patienten unter Upadacitinib-Behandlung vor. Die Anwendung von attenuierten Lebendimpfstoffen während oder unmittelbar vor einer Behandlung mit Upadacitinib wird nicht empfohlen. Vor Einleitung der Therapie mit Upadacitinib wird empfohlen, den Impfstatus der Patientinnen und Patienten entsprechend den aktuellen Impfleitlinien zu überprüfen und alle erforderlichen Impfungen nachzuholen; dazu zählt auch die prophylaktische Impfung gegen Herpes zoster [6].
Kurzantwort: Siehe STIKO.
Die STIKO empfiehlt eine FSME-Auffrischung alle 3–5 Jahre. Dies sollte auch bei Immunsuppression oder einem Alter ab 60 Jahren ausreichen.
Kurzantwort: Masern sollten kein Problem mit 5 mg MTX sein.
Laut Expertenkonsens und im Einklang mit den Guidelines der Europäischen Rheumaliga (EULAR) können MMR-, MMR-V- bzw. Varizellen-Impfungen mit Priorix®, PriorixTetra® bzw. Varilrix® nach individueller Nutzen-Risikoabschätzung erwogen werden (Off-Label-Gebrauch wegen besonderer Warnhinweise in der FI-A) [2].
Kurzantwort: Von Reise abraten, wenn nicht zwingend notwendig, ansonsten s.u.
Vor einer Impfung mit Lebendimpfstoff muss die Adalimumab-Therapie 2 Monate ausgesetzt werden und darf erst einen Monat nach der Impfung wieder aufgenommen werden.
Sollte die Reise unumgänglich sein, muss die Patientin darüber aufgeklärt werden, dass sie unter Adalimumab generell ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionsverläufe hat und dass deshalb von einer Reise abgeraten werden sollte, in der sie neben Gelbfieber auch den Kontakt zu zahlreichen anderen für ihr Immunsystem bisher unbekannten Erregern haben würde.
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie: Empfehlungen zum Einsatz von Rituximab bei Patienten mit rheumatoider Arthritis. https://dgrh.de/dam/jcr:09f2adf9-3b7b-4059-9cf2-3318b46afdcc/rituximab_2013_final.pdf, letzter Zugriff: 05. Juli 2024
Bundesgesundheitsbl 2019 62: 494–515, https://doi.org/10.1007/s00103-019-02905-1, letzter Zugriff: 05. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Welche Vorgehensweise wird bei Low- und Non-Respondern empfohlen? https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/HepatitisB/FAQ09.html, letzter Zugriff: 05. Juli 2024
Deutsches Ärzteblatt: COVID-19: Paracetamol & Co gegen Impfnebenwirkungen nicht zu früh einnehmen. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/121976/COVID-19-Paracetamol-Co-gegen-Impfnebenwirkungen-nicht-zu-frueh-einnehmen, letzter Zugriff: 05. Juli 2024
Fachinformation Ustekinumab, aktueller Stand. https://static.janssen-emea.com/sites/default/files/Germany/SMPC/DE-PL-0026.pdf, letzter Zugriff: 05. Juli 2024
Fachinformation Upadacitinib, aktueller Stand.