Q&A Teil 6: Das wollen Hausärztinnen und Hausärzte zum Thema Impfen wissen
Beim jährlich stattfindenden Expertensymposium Impfen des Deutschen Ärzteverlags können die Zuschauerinnen und Zuschauer im Vorfeld der Veranstaltung und während des Livestreams eigene Fragen aus ihrem Praxisalltag stellen. In unserer nach 2023 zweiten Auflage des Questions & Answers-Formats beantworten die Expertinnen und Experten die Fragen, die im Livestream nicht beantwortet werden konnten. Teil 6 dreht sich um die Fragen aus dem Bereich Allgemeinmedizin.

Der Experte antwortet: Interview mit Prof. Dr. med. Jörg Schelling, Facharzt für Allgemeinmedizin in Martinsried, Vorstandsmitglied der Deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin
Wesentliche Aufklärungsgrundlage sind die Informationen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI [1, 2].
Digitale Aufklärungsbögen gibt es z.B. hier und hier.
Wann es einen offiziellen elektronischen Impfausweis geben wird, ist noch nicht absehbar, weil ein allgemein gültiger, anerkannter, elektronischer Impfausweis eine flächendeckend funktionierende elektronische Patientenakte (ePA) voraussetzen würde [3].
In Impfsoftwares wie z.B. ImpfDocNE® gibt es bereits einen eImpfpass, der dann auch in die ePA konvertiert bzw. übertragen werden kann.
Die STIKO rät generell von einer Aspiration ab [4]. Nur bei der Impfung gegen COVID-19 kann eine Aspiration durchgeführt werden. Die STIKO spricht hier von einer eventuell erhöhten Impfstoffsicherheit bei i.m.-Applikation [5].
Siehe hierzu das folgende Zitat aus dem Bundesgesundheitsblatt [6]: „Neben Verbesserungen der allgemeinen Hygiene, Ernährung und Therapiemöglichkeiten haben Schutzimpfungen in wesentlichem Maße zum Rückgang von Morbidität und Mortalität zahlreicher Infektionskrankheiten beigetragen. […] Als notwendige Voraussetzung für das Verständnis der unveränderten Notwendigkeit von Standardimpfungen sollen im Folgenden die wesentlichen Risiken der entsprechenden Krankheiten in Erinnerung gerufen werden [...]“.
Auch in der Schwangerschaft sind – abgesehen von Lebendimpfungen – alle Impfungen als sicher anzusehen. Die Empfehlung, Impfungen nicht im ersten Trimester durchzuführen, beruht nur auf der Erwägung, dass im ersten Trimester spontane Aborte sehr häufig sind – Fachleute sprechen von bis zu 40% aller begonnenen Schwangerschaften. Diese spontanen Aborte sollen nicht in falscher Kausalität mit einer zuvor durchgeführten Impfung in Verbindung gebracht werden.
Wenn Patientinnen und Patienten aus unterschiedlichen Gründen nicht geimpft werden wollen, dann muss man das akzeptieren und in den Unterlagen dokumentieren. Denn sollten diese Patientinnen und Patienten später doch schwer und folgenreich an einer impfpräventablen Erkrankung erkranken, dann ist es aus juristischer Sicht hilfreich, wenn man die Ablehnung der Impfung in den eigenen Unterlagen juristisch sicher dokumentiert hat.
1. Nicht öfter als bei anderen Impfungen.
2. Ja, die STIKO hat ab einem Alter von 60 Jahren oder bei Vorliegen von Vorerkrankungen die jährliche Impfung empfohlen und wird diese Empfehlung vermutlich aufrechterhalten.
3. Titerbestimmungen außerhalb von universitären Studien sind nicht sinnvoll, weil sie nur die humorale Immunität messen können. Die zelluläre Immunität ist mit Titerbestimmungen nicht erfassbar.
1. Alle Patientinnen und Patienten mit einer relevanten Immunsuppression sollten gegen Hepatitis B geimpft sein. Dazu zählen auch Patientinnen und Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen und auch mit einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus. Ein solcher führt zu einer erhöhten Infektanfälligkeit und zu komplikationsreicheren Verläufen. Allerdings gibt es hier keinen Laborparameter wie etwa einen HbA1c-Grenzwert, ab dem man von einer immunsupprimierten Situation sprechen könnte [8].
2. Für Dialysepatientinnen und -patienten empfiehlt die STIKO ein modifiziertes Verfahren.
Die Impfstoffe, die zum Aufbau einer Hepatitis-B-Immunität bei Dialysepatienten verwendet werden, haben keine erhöhte Antigen-Konzentration, sondern sie sind adjuvantiert, so dass bei gleicher applizierter Antigen-Menge eine intensivere Immunantwort ausgelöst werden kann. Eine Zulassung zur Verwendung bei Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr, die an einer Niereninsuffizienz leiden (einschließlich Prähämodialyse- und Hämodialysepatienten) hat nach aktueller Liste des Paul-Ehrlich-Instituts nur Fendrix®.
Das ist ein Missverständnis. Wenn eine Impfung gegen Herpes zoster indiziert ist, dann KANN sie am gleichen Termin wie die Influenza-Impfung verabreicht werden. Es besteht dazu aber keine Verpflichtung. Wenn die Patientin oder der Patient lieber jede Impfung an verschiedenen Tagen haben möchte, dann steht diesem Vorgehen nichts im Weg. Außerdem ist die Grundimmunisierung gegen Herpes zoster nach einer zweimaligen Impfung abgeschlossen und muss nach aktuellem Kenntnisstand nicht aufgefrischt werden. Die Influenza-Impfung sollte ab einem Alter von 60 Jahren, in jeder Schwangerschaft und bei Vorerkrankungen jährlich wiederholt werden.
"Der HPV-Impfstoff kann seinen vollen Nutzen nur entfalten, wenn es vor Impfung nicht zu einer persistierenden HPV-Infektion mit einem im Impfstoff enthaltenen Typen gekommen ist, da es sich nicht um einen therapeutischen Impfstoff handelt. Nach Aufnahme von sexuellen Kontakten kommt es sehr schnell zu HPV-Infektionen. Studien bei Frauen zeigen, dass sich etwa 40% der Frauen in den ersten 1-2 Jahren infizieren. Aus diesem Grund liegt der optimale Zeitpunkt für eine HPV-Impfung vor dem Beginn der sexuellen Aktivität" [9].
Frauen und Männer älter als 17 Jahre können im Einzelfall jedoch je nach individueller Lebensführung von einer HPV-Impfung profitieren. Abhängig von der Anzahl der Sexualpartner kann das individuelle Risiko für das Vorliegen einer HPV-Infektion auch nach dem Beginn der sexuellen Aktivität sehr unterschiedlich sein. Persistierende HPV-Infektionen sind eher Einzelinfektionen, sodass eine Impfung ggf. Schutz vor den anderen im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen bieten kann. Für frühere, ausgeheilte HPV-Infektionen von im Impfstoff enthaltenen Typen ist mit einer Erhöhung oder überhaupt erstmaligen Bildung von Antikörpern gegen diesen HPV-Typ durch die Impfung zu rechnen – denn dies geschieht bei etwa 70-80% der Männer und 20-30% der Frauen aufgrund der innerzellulären Infektion ohne Virämie bei der natürlichen Infektion nicht. Ein Antikörperspiegel, der ein Korrelat für einen Schutz darstellt, ist für HPV aber bisher nicht bekannt.
Auch ohne vorliegende Empfehlung der STIKO kann der Arzt/die Ärztin im Rahmen der Zulassung Frauen und Männer gegen HPV impfen, die älter als 17 Jahre sind. Alle verfügbaren HPV-Impfstoffe sind ohne Altersbegrenzung ab einem Alter von 9 Jahren zugelassen. Es sollte vorab geklärt werden, ob die Krankenkasse die Kosten der Impfung übernimmt.
Dazu gibt es keine Studiendaten bei Erwachsenen. Bei Kindern empfiehlt die STIKO am selben Tag die 6-fach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Polio, Pertussis, Haemophilus influenzae Typ b (Hib) und Hepatitis B sowie zusätzlich die Impfungen gegen Pneumokokken (PCV 13 oder PCV 15) und Meningokokken B (MenB).
Um Säuglinge frühzeitig zu schützen, soll die MenB-Impfung möglichst an einem Termin zusammen mit den anderen von der STIKO für diesen Zeitpunkt empfohlenen Impfungen erfolgen. Die gleichzeitige Gabe der verschiedenen Impfungen ist sicher und beeinträchtigt nicht die Wirksamkeit der einzelnen Impfstoffe [10].
1. Ja, nach 6 Jahren.
2. 6-12 Monate, bei schwerer Immunsuppression/Indikation mindestens 8 Wochen.
3. Ja.
4. Nur PCV20, keine anderen Impfstoffe mehr.
5. Derzeit ist nach der Grundimmunisierung mit 2 Impfterminen keine weitere Nachimpfung empfohlen. Die STIKO prüft die Studienlage und wird ggf. später weitere Empfehlungen formulieren.
Siehe auch [11].
Für die RSV-Impfung bei Erwachsenen gibt es derzeit (Juni 2024) noch keine Empfehlungen der STIKO. Diese müssten abgewartet werden.
Gegen Polio wird nach Impfschema 4x im Kindes- und Jugendalter immunisiert. Das reicht aus für eine lebenslange Immunität. Der Polio-Impfschutz muss später nicht noch einmal aufgefrischt werden.
Literatur
Robert Koch-Institut: Impfungen A-Z, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/ImpfungenAZ_node.html, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Impfthemen A-Z, Stichwortliste: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Stichwortliste/Stichwortliste_node.html, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Bundesministerium für Gesundheit: Elektronischer Impfpass: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/e/elektronischer-impfpass, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Warum hat die STIKO empfohlen, auf eine Aspiration bei der Injektion von Impfstoffen zu verzichten?, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Stichwortliste/A/Aspiration.html, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Durchführung der COVID-19-Impfung (Stand 26.1.2024), https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Durchfuehrung_Impfung.html?nn=2391120#FAQId16726212, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2004, 47:1129–1135, DOI 10.1007/s00103-004-0951-z, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Sicherheit von Impfungen, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Nebenwirkungen/nebenwirkungen_node.html, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Schutzimpfung gegen Hepatitis B: Häufig gestellte Fragen und Antworten, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/HepatitisB/FAQ-Liste_HepB_Impfen.html, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Erreger und Impfung, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/HPV/FAQ-Liste_HPV_Impfen.html?nn=2375548, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Pressemitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur neuen Meningokokken-B-Impfempfehlung für Säuglinge, https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2024-01-18.html, letzter Zugriff: 12. Juli 2024
Robert Koch-Institut: Schutzimpfung gegen Pneumokokken: Häufig gestellte Fragen und Antworten, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Pneumokokken/FAQ-Liste_Pneumokokken_Impfen.html?nn=2375548, letzter Zugriff: 12. Juli 2024