Ein Herzmedikament zum Einatmen
Mimetische Peptide sind die neue Hoffnung für die Behandlung von kardiovaskulären Krankheiten. Ein Forschungsteam hat nun Daten zu einem inhalierbaren L-Typ-Kalziumkanal-Modulator vorgelegt: Das Medikament zum Einatmen kann die Herzfunktion stärken.

Kalzium hält das Herz im Rhythmus: Das Mineral (Ca2+) wird in Reaktion auf Kalziumionen in das Sarkosplasma der Herzmuskelzellen freigesetzt und führt so zur Kontraktion. Eingeschleust werden die Kalziumionen über L-Typ-Kalziumkanäle (LTCC) – ein Mechanismus, der jedoch bei Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz gestört ist, so PD Dr. Alessio Alogna vom Deutschen Herzzentrum der Charité (DHDC). Der Kardiologe hat es sich zur Aufgabe gemacht, Therapeutika zu erforschen, die eine HFrEF modifizieren – statt sie lediglich symptomatisch zu adressieren.
Hoffnung setzt er dabei auf mimetische Peptide, die es erlauben, Krankheiten, und so auch kardiale Störungen, zielgerichtet zu behandeln. Die Idee ist nicht neu: Sein Wissenschaftskollege Dr. Daniele Catalucci vom Institute of Genetic and Biomedical Research (IRGB), National Research Council of Italy, forscht schon länger zur Wirkweise von mimetischen Peptiden auf veränderte LTCC-Funktion und Ca2+-Homöostase und hält ein Patent dazu.
Das Problem jedoch ist die Applikation: Bislang ließen sich therapeutische Peptide lediglich invasiv zum Herzmuskel transportieren. Nun kam den Wissenschaftlern ein beobachteter, wenn auch unerfreulicher Effekt der Luftverschmutzung zugute: Atmen Menschen sehr feine Rußpartikel ein, können sich diese, so fand man heraus, im Herzgewebe ansammeln. Analog zu dieser Beobachtung entwickelten Alogna und Catalucci gemeinsam mit drei Dutzend weiterer KollegInnen einen Therapieansatz („LungToHeartNiM-Technologie“), der Nanopartikel als inhalierbare Wirkstoffträger nutzt: Die Partikel werden mit mimetischen Peptiden bestückt, die Mischung gelangt über Inhalation in den Blutkreislauf bis hin zum Herzmuskelgewebe – und kann hier die Kontraktilität verbessern.
Daten am Schweinemodell zeigen: LVEF bedeutend gesteigert
Unter Alognas Leitung und im Rahmen des EU-Förderungsprogramms CORDIS hat das Forschungsteam nun seine Studie dazu abgeschlossen: Minischweinen, denen zuvor per Tachypacing eine Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF, 30% ± 8%) induziert worden war, erhielten per Inhalation ein trockenes Puder aus mannitol-basierten Mikropartikeln mit biokompatiblen Kalziumphosphat-Nanopartikeln (DpCaP-MP) verabreicht. Anschließend ermittelten die WissenschaftlerInnen um Alogna per Echokardiographie die systolische Funktion der tierischen Herzen.
Ergebnis: Die Inhalation von DpCaP-MP führte zu einer absoluten Steigerung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) von 17% ± 6%. Hervorzuheben sei, so Alogna, dass diese Effekte nicht mit einer erhöhten Herzfrequenz einhergingen und die Anwendung der Inhalationstherapie weder die Lungenfunktion noch die histologische Struktur negativ beeinträchtigt habe. Hämodynamische Tests zeigten zudem eine gesteigerte LV-Kontraktilität und ein verbessertes ventrikulo-atriales Coupling. Die Behandlung wurde ferner gut vertragen, es traten keine unerwünschten Ereignisse auf.
Klinische Studien sollen folgen
Dr. Alessio Alogna zeigt sich nach Beendigung der Studie, die im Januar 2024 im Journal of the American College of Cardiology (JACC) veröffentlicht wurde, zuversichtlich: „Die allgemeine Verträglichkeit und die positiven Auswirkungen könnten die Behandlung von Patient:innen mit Herzinsuffizienz grundlegend verändern“, sagt der DHDC-Wissenschaftler, der 2022 den Young Investigator Award der European Society of Cardiology erhalten hat. Natürlich müsse das Prinzip als nächstes klinisch getestet werden. Doch die Hoffnung ist groß, dass langfristig selbst PatientInnen mit schwerer Herzinsuffizienz durch das Inhalieren des Medikamenten-Sprays länger mit ihrer Krankheit leben können.
Literatur
Journal of the American College of Cardiology (J Am Coll Cardiol), Volume 83, Issue 1, 2–9 January 2024, Pages 47-59 / Link: https://www.jacc.org/doi/10.1016/j.jacc.2023.10.029