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Impfpolioviren im Abwasser: Überprüfung des eigenen Polio-Impfschutzes dringend empfohlen

  • Donnerstag, 5. Dezember 2024
  • Quelle: Science Media Center

Im aktuellen Epidemiologischen Bulletin hat das Robert Koch-Institut (RKI) erneut über den Nachweis von Impfpolioviren in Abwasserproben in Deutschland berichtet. Allen Menschen in Deutschland wird geraten, ihren Polio-Impfschutz zu überprüfen.

/TuMeggy, stock.adobe.com
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Diese im Abwasser festgestellten, sogenannten impfstoffabgeleiteten Polioviren können unter bestimmten Umständen zirkulieren und in sehr seltenen Fällen die Krankheit bei Ungeimpften auslösen. Betroffen sind Abwasserproben aus Kläranlagen in Dresden, Düsseldorf und Mainz, die in den Kalenderwochen 46 und 47 untersucht wurden. Bereits zuvor waren genetisch ähnliche Viren in Proben aus München, Bonn, Köln und Hamburg festgestellt worden.

„Das Abwasser-Surveillance ermöglicht die Detektion vieler Infektionserreger, die bisher nicht systematisch erhoben worden sind. Aktuelle Daten aus dem Abwasser in zumindest drei EU-Ländern zeigen, dass ein propagierender Polio-Impfstamm, der so bei uns eigentlich nicht mehr Verwendung findet, mancherorts ins Abwasser ausgeschieden wird. Solche Abwasser-Überwachungsprogramme helfen, einen besseren Überblick über in der Bevölkerung zirkulierende Viren zu gewinnen", erklärt Prof. Dr. Andreas Bergthaler, Leiter des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie, Medizinische Universität Wien, Österreich.

Die gefundenen Erreger sind keine Wildtyp-Polioviren, sondern gehen auf Schluckimpfungen zurück. In Deutschland wird seit 1998 kein Schluckimpfstoff mit einem abgeschwächten, lebenden Virus mehr verwendet, sondern ein inaktivierter Impfstoff. Daher wird vermutet, dass die nun im Abwasser entdeckten Viren von Personen, die eine Schluckimpfung erhalten hatten, importiert wurden. Derlei Impfpolioviren können ähnlich wie Wildpolioviren bei Ungeimpften in seltenen Fällen Lähmungen verursachen („Kinderlähmung“). Diese entstehen vor allem, wenn das abgeschwächte Impfvirus über einen längeren Zeitraum in Gemeinschaften mit niedrigen Impfraten zirkuliert und dort mutiert. Die Nachweise in mehreren deutschen Städten deuten auf eine Zirkulation dieser eingeschleppten Impfviren hin. Ähnliche Nachweise gab es kürzlich auch in anderen europäischen Ländern wie Spanien (Barcelona) und Polen (Warschau).

Impfschutz dringend überprüfen

„Es ist wichtig, dass alle Menschen in Deutschland ihren Polio-Impfschutz prüfen. Man sollte in seinem Leben mindestens vier Mal sicher gegen Polio geimpft worden sein, egal ob mit OPV- oder IPV-Impfstoff. In bestimmten Fällen wird eine Auffrischung nach zehn Jahren empfohlen. Mit einem ausreichenden Impfschutz ist man gut gegen die Kinderlähmung geschützt, egal, ob man mit ,wilden‘ Polioviren oder mutierte OPV-Impfviren in Kontakt kommt“, sagt Prof. Dr. Roman Wölfel, Oberstarzt und Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr, München.

Der aktuelle Fall zeige laut Bergthaler die Wichtigkeit der Impfung für Polio bei Kindern als auch bei Reisenden beziehungsweise Personen aus Hochrisikogebieten, die eventuell keinen vollständigen Impfschutz besitzen. „Insgesamt wäre ich etwas vorsichtig mit der Interpretation der Abwassersignale, da vielerorts systematische jahrelange Messungen und die entsprechende genomische Epidemiologie fehlen.“

Quellen: Science Media Center, Weitere Impfpolioviren in Abwasser entdeckt, www.sciencemediacenter.de, 04.12.2024 und Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 49/2024, 05.12.2024

mr

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