Q&A Teil 2: Impfungen gegen Herpes zoster und Guillan-Barré-Syndrom nach Impfungen
Beim jährlich stattfindenden Expertensymposium Impfen des Deutschen Ärzteverlags können die Zuschauerinnen und Zuschauer im Vorfeld der Veranstaltung und während des Livestreams eigene Fragen aus ihrem Praxisalltag stellen. In unserem Questions & Answers-Format beantworten die Expertinnen und Experten die Fragen, die im Livestream nicht beantwortet werden konnten. Teil 2 dreht sich um die Fragen zu Herpes zoster und Guillan-Barré-Syndrom nach Impfungen.

Der Experte antwortet: Interview mit Dr. med. Mirko Steinmüller, Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Infektiologie, Burbach
Herpes Zoster
Die Inzidenz für eine Herpes-zoster-Erkrankung liegt im Alter zwischen 50 und 60 Jahren bei 6-7/1000, sie steigt mit zunehmenden Lebensjahren kontinuierlich an. Eine bereits im Ausbruch befindliche Zoster-Episode kann durch eine Impfung, zumal durch die erste von zwei Impfungen, nicht verhindert werden. Umso wichtiger ist es, entsprechend den STIKO-Empfehlungen so früh wie möglich zu impfen und den Impfabstand zwischen der 1. und 2. Impfung kurz zu halten, weil der Impfschutz nach zwei regelrechten Impfungen deutlich über 90 % liegt und auch bei älteren Menschen über viele Jahre anhält.
Nach einer Impfung gegen Herpes zoster können in Einzelfällen zoster-ähnliche Effloreszenzen auftreten, die aber schnell wieder abheilen. Es handelt sich in diesen Fällen nicht um eine Zoster-Erkrankung. Das Paul-Ehrlich-Institut hat mehrere dieser Berichte gründlich untersucht und einen entsprechenden Bericht verfasst.
Ja, auf jeden Fall.
Etwa 5 % aller an Herpes zoster erkrankten Menschen erleiden in den Folgejahren ein Rezidiv. Eine Impfung ist deshalb gerade in dieser Gruppe sehr empfehlenswert. Die Erkrankung muss zum Zeitpunkt der 1. Impfung vollständig abgeklungen sein – als Faustregel (Meinung des Verfassers) gilt ca. 6 Monate nach der Zoster-Erkrankung impfen – bei häufigen Rezidiven (u.a. bei schwerer Immundefizienz möglich) auch früher.
Solange die hochinfektiösen Bläschen offen sind, sollte ein Zoster-Patient isoliert werden, um seine Umgebung nicht anzustecken.
Ein Herpes zoster kann als eine lokal begrenzte Erkrankung betrachtet werden: Die Viren verbleiben über Jahrzehnte in den Ganglien, wo sie vom ortsansässigen Immunsystem in Schach gehalten werden. Sie proliferieren nur dann entlang der zugehörenden Neuronen, wenn dieser lokale Immunschutz erheblich nachlässt. In der Latenzphase ist der IgG-Titer häufig sehr niedrig. Das Immunsystem reagiert sehr schwach und verzögert auf eine Reaktivierung des Herpes zoster. Auch die früher übliche Lebendimpfung zeigte keinen zuverlässigen Impferfolg. Erst der moderne, stark adjuvantierte Impfstoff löst eine Immunantwort aus, die das Immunsystem so aktiviert, als handele es sich um eine systemische Erkrankung. Dies führt zu hohen IgG-Titern. Die über viele Jahre bestehen bleiben. Erkauft wird diese sehr gute Immunität durch eine höhere Reaktivität der Impfung. Die Impflinge sollten rechtzeitig vor der Impfung darüber aufgeklärt werden, dass wenige Tage nach der Impfung ein Krankheitsgefühl bestehen kann. Berufliche und Freizeitaktivitäten sollten für diese Tage nicht geplant werden.
Nicht nur in den USA, sondern auch in der deutschsprachigen Fachinformation zum Herpes-zoster-Totimpfstoff gibt es einen Hinweis darauf, dass unter 1 Million geimpften Personen bei 3 Personen ein Guillain-Barré-Syndrom auftreten kann. Mit Immunglobulinen oder Plasmapherese kann laut Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKDÄ) eine gute Besserung erreicht werden.
Guillain-Barré-Syndrom nach Impfungen
Nicht im Normalfall. Nur im Einzelfall kann bei schwer immunsupprimierten Patientinnen und Patienten eine Titerbestimmung indiziert sein, um zum Beispiel nach der 2. Impfung zu entscheiden, ob ggf. noch eine 3. Impfung für einen sicheren Impfschutz angeschlossen werden sollte. Bei schwerer Immunsuppression kann die 2. Impfung auch schon 1-2 Monate nach der 1. Impfung durchgeführt werden.
Ja, hier halte ich eine Impfung für möglich. Aciclovir beeinträchtigt den Impferfolg nicht. Ob und wie die Impfung die PZN beeinflussen kann, kann man nicht vorhersagen. Von einer Verschlechterung ist nicht auszugehen. Ich würde die Impfung durchführen, um den Patienten weitere Episoden eines Zosters – und möglicher Folgeerscheinungen – zu ersparen.
Guillian-Barré-Syndrom nach Impfungen
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat sich zu Risiko des Guillan-Barré-Syndroms (GBS) nach Herpes-zoster-Impfung und nach FSME-Impfung geäußert, siehe hier Guillain-Barré-Syndrom nach Impfungen - Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft .
Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass das Risiko für (therapierbare) GBS-Perioden angesichts der jährlich Millionen durchgeführten Impfungen in Europa außerordentlich gering ist.
Die Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Herpes zoster weist darauf hin, dass bei 60 % der Zoster-Erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich pathologische Liquorbefunde auftreten und dass in 0,25 % aller Zoster-Infektionen eine Enzephalitis oder Meningoenzephalitis entsteht.
In einem Aufklärungsgespräch sollte diese Zahl ebenfalls erwähnt werden, insbesondere wenn auf das Risiko eines (therapierbaren) GBS-Symptoms hingewiesen wird, das laut europäischer Datenbank über den gesamten Beobachtungszeitraum in 206 Fällen bei vielen Millionen Impfungen europaweit aufgetreten ist.
Eine FSME-Erkrankung geht, wenn sie ausbricht, immer mit einer Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) einher. Schwere Erkrankungen und Todesfälle treten jedes Jahr auch in Deutschland auf, in erster Linie bei Immungeschwächten und Personen über 70 Jahre.
Wer bei der Impfaufklärung über das Risiko für GBS-Perioden informiert, sollte denselben Maßstab auch bei der Aufklärung über den Nutzen der Impfung anlegen. Dabei ist es wichtig, den Patientinnen und Patienten zu erklären, wie viele Enzephalitiden, Meningoenzephalitiden und andere schwere Krankheitssymptome durch die Impfung verhindert werden können.
Interessenskonflikte Dr. med. Mirko Steinmüller:
Herr Dr. Steinmüller hat von folgenden Unternehmen Vortragshonorare und Reisekostenunterstützungen erhalten:
AbbVie, Amgen, Berlin-Chemie, BMS, Celgene, Celltrion, derCampus, Esanum, Galapagos, Gilead, GSK, Janssen, Lilly, Medac, MSD, Mylan, Novartis, Pfizer, Streamed-Up, ViiV