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West-Nil-Fieber: schwere Verläufe selten, aber möglich

  • Freitag, 23. August 2024
  • Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control

Lange, warme Sommer und frostfreie Winter verbessern die Überlebens- und Replikationsbedingungen für heimische Mücken und für virale Erreger, mit denen die Mücken infiziert sind. Das führt dazu, dass das durch Zugvögel und auch durch Reisende importierte West-Nil-Virus (WNV) in Mitteleuropa endemisch wird.

/nataba, stock.adobe.com
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Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) meldet derzeit einen üblichen saisonalen Anstieg von WNV. Bis zum 31. Juli 2024 wurden dieses Jahr insgesamt 69 lokal übertragene Infektionsfälle in neun europäischen Ländern gemeldet. Neben Österreich ist das Virus demnach auch in Frankreich, Kroatien, Griechenland, Ungarn, Italien, Serbien, Rumänien und Spanien dauerhaft angesiedelt.

Nur die Spitze des Eisbergs?

Am 6. September 2019 wurde die erste innerhalb von Deutschland durch Mücken übertragene West-Nil-Virus-Erkrankung beim Menschen gemeldet, insgesamt waren es im Spätsommer 2019 fünf Infektionen. Auch in den darauffolgenden Jahren, so berichtet das Robert Koch-Institut, wurden in den Sommer- und Herbstmonaten Infektionen in Ostdeutschland (Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen) berichtet (2020: 22 Infektionen; 2021: 4 Infektionen; 2022: 17 Infektionen, 2023: 7 Infektionen). Doch sie könnten nur die Spitze des Eisbergs sein, da nur die wenigsten Infizierten symptomatisch werden. Das RKI geht von weiteren nicht diagnostizierten Infektionen aus. Da nur ein kleiner Teil der Infizierten Symptome zeigt und nur etwa einer von 100 Infizierten schwer erkrankt, ist davon auszugehen, dass es weitere nichtdiagnostizierte Infektionen gibt.

Überwintern in Deutschland

Das Vorkommen von regional zusammenhängenden WNV-Erkrankungsfällen über mehrere Jahre gilt als Indiz dafür, dass WNV inzwischen auch in Deutschland in infizierten Mücken, Vögeln oder seltener auch Säugetieren überwintert und im Sommer ausreichend günstige klimatische Bedingungen für eine schnelle Replikation in der Mücke als übertragendem Wirt vorfindet. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass sich WNV in Deutschland weiter etabliert und es in den kommenden Jahren insbesondere in den schon bestehenden Risikogebieten, vielleicht aber auch in weiteren Gebieten zu einem saisonalen Vorkommen von WNV-Erkrankungsfällen kommen wird.

Risiko Enzephalitis

Der Verlauf einer WNV-Infektion kann erheblich variieren. Dabei verläuft sie bei 80 % der Betroffenen eher unauffällig mit einem grippeähnlichen Verlauf über mehrere Tage bei einer Inkubationszeit von 2-14 Tagen. Der Verlauf ist meist unproblematisch und die Infektion heilt komplikationslos aus. Nur bei weniger als 1 % aller Betroffenen – in der Regel bei Älteren mit Vorerkrankungen – entwickeln sich Meningitiden, seltener Enzephalitiden mit tödlichem Ausgang bei bis zu 10 % der Fälle. Schwerere Verläufe zeichnen sich durch Schüttelfrost und Fieber aus, begleitet von einer Lymphknotenschwellung und, bei etwa der Hälfte der Patienten, einem makulopapulösen Exanthem. Myokarditiden und Hepatitiden sind sehr selten. Bei Patienten, die unter der Infektion mit WNV eine Enzephalitis entwickeln, sterben 5-10 % mit einer neuroinvasiven WNV-Erkrankung, vor allem Patientinnen und Patienten mit kardiovaskulärer Vorerkrankung oder einer Immunsuppression. Antivirale Wirkstoffe für eine medikamentöse Therapie sowie Impfungen stehen nicht zur Verfügung.

Auf Prävention setzen

Eine WNV-Infektion kann nur symptomatisch behandelt werden. Es ist aber möglich, der Infektion früh auf die Spur zu kommen. Reiserückkehrer mit entsprechender Symptomatik, können etwa bei ätiologisch unklaren Enzephalitiden auf WNV untersucht werden. Das gilt auch bei gehäuften Fieberepisoden und Hautauschlägen. Zu beachten sind Kreuzreaktionen mit anderen Flavivirus-Infektionen. Infektionen mit WNV sind meldepflichtig. Seit 2018 empfiehlt das RKI den Ärzten in betroffenen Regionen, ihre Patienten mit Enzephalitiden unklarer Herkunft auf WNV untersuchen zu lassen. Auch bei vermehrtem Auftreten von Fiebererkrankungen mit und ohne Hautausschläge muss das Virus als Auslöser in Betracht gezogen werden. Die Labordiagnostik sollte dann möglichst ein Speziallabor übernehmen.

Vor Mückenstichen schützen, vor allem bei Immunoseneszenz

Als Schutz vor einer WNV-Infektion ist individuelle Prävention die wesentliche Strategie, denn Infektionen lassen sich durch persönlichen Mückenschutz verhindern. Besonders Personen, die aufgrund hohen Alters oder Immunschwäche ein erhöhtes Risiko haben, durch eine WNV-Infektion schwer zu erkranken, können das Risiko durch Schutz vor Mückenstichen reduzieren. Dazu gehört an Orten mit bekannter Mückenbelastung das Tragen von langärmeligen Oberteilen und langen Hosen, am Abend der Aufenthalt in geschlossenen oder klimatisierten Räumen, die Anwendung von Repellents und Insektiziden, der Gebrauch von Moskitonetzen und Fenstergittern. Im Wohnumfeld sollten Mückenbrutplätze möglichst beseitigt werden.

Als Hauptträger und Überträger gelten Vögel, speziell Zugvögel. Auch Pferde werden – wie der Mensch – gelegentlich durch Mückenstiche als Fehlwirte infiziert. Gerade im Lebensbereich von Vögeln und Pferden kann deswegen ein Augenmerk auf saubere Tränken mit regelmäßig gewechseltem Tränkewasser und auf die Vermeidung von stehendem Wasser gerichtet werden, z.B. im Umfeld von Waschplätzen und Bewässerungsanlagen, um Mücken die Brutstätten zu entziehen.

WVN ist nicht allein

WVN ist nicht das einzige Virus, das sich hier langfristig heimisch fühlen könnte. Eingeschleppt durch einen Reiserückkehrer sorgte das tropische Chikungunya-Virus 2007 erstmals für einen Ausbruch in Norditalien. Die Etablierung der Asiatischen Tigermücke sorgt regelmäßig für lokale Übertragungen des Dengue-Fiebers in Italien und in Frankreich, das war bis 2010 nur bei Reisenden aus den Tropen bekannt. Mittlerweile wurden wiederholt Übertragungen in Südfrankreich und Spanien beobachtet. Auch in Deutschland hat sich die Asiatische Tigermücke inzwischen etabliert.

Quellen: Aktuelle Surveillance des ECDC zum West Nil Virus Weekly updates: 2024 West Nile virus transmission season (europa.eu), entnommen 18.8.2024; Steckbrief des Robert Koch-Instituts zum West-Nil-Fieber RKI - West-Nil-Fieber - West-Nil-Fieber im Überblick, entnommen 22.8.2024

Dr. Beate Fessler

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