Was gegen das Impfen sprechen könnte
Können wissenschaftliche Studien zu Entscheidungen rund um das Impfen und die Impfbereitschaft, die vor der Pandemie durchgeführt wurden, heute noch Gültigkeit haben? Die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Cornelia Betsch von der Universität Erfurt forscht seit vielen Jahren zum Impfverhalten und zu Einstellungen zum Impfen und nahm deswegen auch in den Jahren 2017 bis 2020 an den jährlichen Impfsymposien des Deutschen Ärzteverlages teil.

Kürzlich publiziert wurde eine Teilauswertung der COSMO-Studie, die sich primär mit dem Impfmonitoring zu COVID-19 befasst [1]. In dieser Publikation mit Daten aus den COSMO-Untersuchungen ging es um die Einstellung zur Grippeimpfung in der Grippesaison 2021/2022, also mitten in der Pandemie. Diese Studie zeigt ein erstaunliches Ergebnis.
Es handelte sich um eine probabilistische Quotenstichprobe von n = 967 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Bundesland Thüringen (Versicherte der AOK Plus), die im August 2021 befragt wurden. Nur ein Drittel der Befragten erwog nach dieser Einschätzung im Sommer 2021, sich im Herbst des gleichen Jahres gegen Influenza impfen zu lassen. Der Anteil der Impfwilligen unter den Beschäftigten im Gesundheitswesen war dabei genauso gering. Bei den über 60-Jährigen war die Impfbereitschaft mit etwa 50 % etwas höher. Die Impfbereitschaft war bei Männern fast doppelt so hoch wie bei Frauen, sie war in ländlichen Gebieten und Kleinstädten geringer, in Großstädten höher. Außerdem gab es eine positive Korrelation zur persönlichen Risikoeinschätzung von COVID-19: Wer diese Infektion für gefährlich hielt, war auch eher bereit, sich gegen Influenza impfen zu lassen.
In der Gruppe, die eine Influenzaimpfung in der auf die Befragung folgenden Saison nicht einplante und auch nicht erwog (29,5 % der Befragten), wurden als Gründe, sich nicht impfen zu lassen, angegeben „Ich gehöre zu keiner Risikogruppe“ (29,5 %), „Ich vertraue nicht auf die Wirkung der Impfung“ (22,0 %), „Ich sehe die Grippe nicht als schwere Krankheit an“ (19,1 %) und „Ich habe keinen Hinweis darauf bekommen, dass die Impfung notwendig ist“ (16,6 %). Diese Verteilungen waren bei Angehörigen der gesunden Normalbevölkerung unter 60 Jahren fast identisch mit denen bei Angehörigen der Gesundheitsberufe und bei über 60-jährigen Personen.
Diese Zahlen sind denen aus früheren Befragungen der Erfurter Arbeitsgruppe vor der Pandemie überraschend ähnlich. Sie legen den Schluss nahe, dass die Pandemie wahrscheinlich langfristig für die individuelle Einstellung zum Impfen generell zumindest in Thüringen kaum Folgen hatte.
Literatur
[1] Hajek A, De Bock F, Merkel C, Eitze S, Betsch C, Bosnjak M, Wieler LH, König HH. Einstellung zur Grippeimpfung im Herbst/Winter 2021: Ergebnisse der COSMO-Studie [Attitudes Toward Influenza Vaccination in Fall/Winter 2021: Results of the COSMO Study]. Gesundheitswesen. 2023 Jan;85(1):36-38. German. doi: 10.1055/a-1791-0985. Epub 2022 May 13. PMID: 35562062.