EU-Leitlinie: Sacubitril statt Aliskiren bei Herzinsuffizienz

Florenz – Die European Society of Cardiology hat den Neprilysin-Inhibitor Sacubitril (in fixer Kombination mit Valsartan) in seine aktualisierte Leitlinie zur Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz aufgenommen und damit rasch auf die Ergebnisse der PARADIGM-HF-Studie reagiert. Für den Renin-Antagonisten Aliskiren sehen die Kardiologen nach den enttäuschenden Ergebnissen der ATMOSPHERE-Studie keine Indikation, obwohl sich bei Diabetikern ein Vorteil abgezeichnet hat. Die Leitlinie wurde auf einer Fachtagung in Florenz vorgestellt und im Europan Heart Journal (2016; doi: 10.1093/eurheartj/ehw128) publiziert.
Im nächsten Jahr ist es 30 Jahre her, dass in der CONSENSUS-Studie erstmals der Nutzen eines Medikaments bei der Herzinsuffizienz belegt wurde (NEJM 1987; 316: 1429–1435). Seither hat sich die Herzinsuffizienz zu einer „vermeidbaren und behandelbaren“ Erkrankung entwickelt, wie das Team um Piotr Ponikowski von der Universität Wroclaw (dem früheren Breslau) und Adriaan Voors von der Universität Groningen in der 85-seitigen Leitlinie scheibt, die die letzten Empfehlungen aus dem Jahr 2012 aktualisiert.
Die ACE-Hemmer, die in der CONSENSUS-Studie getestet wurden, sind heute zusammen mit den Beta-Blockern der unbestrittene Standard in der Behandlung von Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz bei Abfall der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF). Sollten diese Medikamente die LVEF nicht auf über 35 Prozent verbessern, können Mineralokortikoid-Antagonisten wie Spironolacton oder Eplerenon erwogen werden. Führt auch dies nicht zum Ziel, sieht die neue Leitlinie drei Optionen vor.
Erstens: Bei einer Herzfrequenz über 70/min könne Ivabradin eingesetzt werden, das über eine Inhibition des „Funny“-Kanals im Sinusknoten die Herzfrequenz senkt.
Zweitens: Die Implantation eines Herzschrittmachers zur kardialen Resynchronisationstherapie. Diese sollte allerdings nur bei Patienten mit einem QRS-Komplex von mehr als 130 msec erwogen werden. Die Kardiologen ziehen hier die Konsequenz aus den enttäuschenden Ergebnissen der EchoCRT-Studie (NEJM 2013; 369: 1395-1405), in der es bei kürzerer QRS-Dauer zu einem Anstieg der Mortalität gekommen war. Die Indikationen für die Resynchronisationstherapie hängt auch von der Anwesenheit oder Abwesenheit eines Linksschenkelblocks und der QRS-Dauer ab.
Drittens: Neu in der Leitlinie ist die Option zum Einsatz von Sacubitril, das in fixer Kombination mit dem AT1-Antagonisten Valsartan in der PARADIGM-HF-Studie (MEJM 2014; 371: 993-1004) die Überlebenszeiten von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz um ein bis zwei Jahre verlängert hat.
Erst wenn diese drei Optionen nicht greifen, wird in therapieresistenten Fällen die Verordnung von Digoxin empfohlen, das vor der CONSENSUS-Studie das einzige verfügbare Medikament war (neben Diuretika, die heute bei allen Patienten zur Symptomkontrolle eingesetzt werden).
Nicht in die Leitlinie aufgenommen wurden der Renin-Antagonist Aliskiren, der kürzlich in der ATMOSPHERE-Studie (NEJM 2016; 374: 1521-1532) die Prognose der Patienten nicht sicher verbesserte, das Komplikationsrisiko jedoch erhöhte. Die Leitlinie zählt Aliskiren zu den Wirkstoffen, die wie Thiazolidinedione, NSAID und die Kalziumantagonisten Diltiazem und Verapamil Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz bei verminderter LVEF eher schaden und deshalb vermieden werden sollten.
Aliskiren wird in der Leitlinie auch nicht für Diabetiker empfohlen, obwohl eine von Lars Kober von Rigshospitalet in Kopenhagen auf der Tagung vorgestellte Subgruppen-Analyse der ATMOSPHERE-Studie auf einen möglichen Vorteil in dieser Gruppe hinweist. Der primäre Endpunkt (Herzkreislauftod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz) war in der Studie unter einer Monotherapie mit Aliskiren bei 172 Diabetikern (27,4 Prozent) aufgetreten gegenüber den 216 Patienten (33,1 Prozent) im Enalapril-Arm. Kober errechnet eine Hazard Ratio von 0,82, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,67 bis 1,00 das Signifikanzniveau knapp verfehlt.
Kober kritisierte, dass die ATMOSPHERE-Studie bei den Diabetikern vorzeitig abgebrochen wurde. Dies war nach Betreiben der europäischen Arzneimittelbehörde geschehen, nachdem es in anderen Studien zu einem Anstieg von Komplikationen gekommen war. In der ATMOSPHERE-Studie war dies nicht der Fall. Dort kam es unter der Aliskiren-Monotherapie sogar seltener zu symptomatischen Blutdruckabfällen (6,7 versus 10,0 Prozent). Der vorzeitige Abbruch der Behandlung bei den Diabetikern hat laut Kober möglicherweise dazu geführt, dass die Vorteile der Monotherapie mit Aliskiren nicht sicher bewiesen werden konnte. Ohne diesen Beweis kann aber aus Sicht der European Society of Cardiology keine Empfehlung abgegeben werden.
Die neue Leitlinie rät bei bestimmten Patienten auch von der adaptiven Servoventilation ab. Eine US-Firma hatte ein Spezialgerät entwickelt, das bei Patienten mit zentraler Schlafapnoe, eine häufige Begleiterscheinung der fortgeschrittenen Herzinsuffizienz, die Sauerstoffversorgung verbessern sollte. In der SERVE-HF-Studie, die den Nutzen belegen sollte, war es dann jedoch zu einem Anstieg der Sterbefälle gekommen (NEJM 2015; 373:1095-1105).
Trotz der verbesserten medikamentösen Therapiemöglichkeiten bleibt die Herzinsuffizienz für die meisten Patienten eine tödliche Erkrankung. Laut der European Society of Cardiology sterben innerhalb eines Jahres 7 Prozent aller Patienten nach der Diagnose. Nach einer Hospitalisierung seien es sogar 28 Prozent.
Nach wie vor schwierig ist die Situation bei Patienten, bei denen es trotz erhaltener LVEF zu Symptomen einer Herzinsuffizienz gekommen ist. In diese Kategorie entfielen Patienten mit einer LEVF von über 50 Prozent. Die neue Leitlinie definiert eine weitere Kategorie mit mittlerem Abfall (mid-range) der LVEF auf 40 bis 49 Prozent. Für diese Patienten gibt es derzeit keine effektive Therapie. Die neue Kategorie soll jedoch die klinische Forschung in diesem Bereich motivieren, heißt es von Seiten der European Society of Cardiology.
Ein weiterer neuer Ansatz in der Behandlung der Herzinsuffienz, der bislang nicht von der Leitlinie aufgenommen wurde, ist eine sportliche Aktivität. Bislang wird Patienten mit Herzinsuffizienz zur körperlichen Schonung geraten. Dabei haben zahlreiche Studien gezeigt, dass eine gewisse sportliche Aktivität Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz durchaus nutzen kann. Rod Taylor von der Exeter Medical School in Exeter hat für die Exercise Training Meta-Analysis of Trials in Heart Failure (ExTraMATCH II) die Ergebnisse aus 20 randomisierten klinischen Studien mit 4.043 Patienten zusammengefasst. Ergebnis: Sportliche Aktivität war mit einem um 11 Prozent verminderten Risiko auf eine Hospitalisierung und mit einem um 18 Prozent verminderten Risiko auf einen Tod assoziiert.
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