Immuntherapie: Vom Neuling zum Standard in wenigen Jahren

Mainz – Die Immuntherapie gegen Krebs zählt mittlerweile nicht mehr zu den experimentellen Behandlungen. Beim malignen Melanom sei sie bereits eine der Standardtherapien und der Chemotherapie von den Effekten und der Verträglichkeit her weit überlegen, sagt Stephan Grabbe, Kongresspräsident des Deutschen Hautkrebskongresses, der morgen in Mainz beginnt. Er hält die Immuntherapie für einen der „Megatrends“ in der Onkologie.
Auch bei Lungenkrebs und anderen Hautkrebsarten sei die Forschung vielversprechend, etwa bei hellem Hautkrebs und dem Merkelzellkarzinom, ergänzt der Direktor der Hautklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Beim malignen Melanom ist der Erfolg der Immuntherapie aber besonders groß. Die Ursache dafür erklärt Jochen Utikal, Leiter der klinischen Kooperationseinheit Dermato-Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und an der Universitätsmedizin Mannheim: „Das Melanom ist die Tumorart mit den meisten Mutationen in den Tumorzellen.“ Das Immunsystem erkennt einen Tumor mit vielen Mutationen besser als einen mit wenigen.
Im Vergleich zu Zytostatika konnten Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren (Beispiel: Nivolumab oder Pembrolizumabdas) das mediane Überleben erhöhen, wie bereits auf dem American Society of Clinical Oncology (ASCO) berichtet wurde.
Checkpoint-Inhibitoren gehören zu den Immuntherapien, die bisher am weitesten entwickelt wurden. Ihre Wirkung basiert darauf, dass T-Zellen Tumore gewöhnlich nur kurzzeitig angreifen, bevor sie von einem immunhemmenden Signalweg ausgebremst werden. Diese Checkpoints sollen eigentlich eine überbordende Immunreaktion verhindern, kommen aber auch den Tumoren zugute (Immune-escape-Mechanismen). Checkpoint-Inhibitoren blockieren diese Brems- und Kontrollproteine auf den T-Zellen und verhindern die Immunsuppression.
Immuntherapie wirkt noch nicht bei jedem Patienten
Trotz des Fortschritts mittels Immuntherapien spricht ein erheblicher Teil der Krebspatienten auf die Infusion mit den Antikörpern nicht oder nicht dauerhaft an. „Eine langfristige Tumorkontrolle kann bei etwa der Hälfte der Patienten erreicht werden“, sagt Grabbe. Und das Verfahren ist keineswegs frei von Risiken. Denn ist die körpereigene Abwehr entfesselt, kann sie sich auch gegen gesundes Gewebe und Organe richten. „Das ist momentan ein großes Problem bei der Immuntherapie“, meint Grabbe. Ziel müsse es nun sein, nur noch den Teil des Immunsystems zu stimulieren, der den Tumor erkenne.
Mainzer Wissenschaftler untersuchen derzeit die personalisierte Immuntherapie. Hierbei wird für jeden Patienten ein individuelles Mittel hergestellt, das auf die jeweiligen Mutationen im Erbgut des Tumors passt. Der Arbeitsgruppe von Ugur Sahin ist es gelungen, den Impfstoff-Herstellungsprozess so zu automatisieren, dass hierfür im Durchschnitt weniger als drei Monate benötigt werden. Bei 13 Patienten konnten sie ermutigende erste Ergebnisse präsentieren, die in Nature publiziert wurden. Alles deutet darauf hin, dass der Impfstoff die gewünschte Wirkung haben könnte und Nebenwirkungen einer Immuntherapie ausbleiben. Zuvor sei lediglich auf bestimmte, bereits bekannte Marker gesetzt worden, erklärt Grabbe.
Wirksamkeit der Immuntherapie verbessern
Ein weiteres Problem in der Entwicklung von Krebs-Impfstoffen war bisher die geringe Wirksamkeit der Impfstoffe, die oft nur unzureichend in der Lage waren, schützende Immunantworten gegen die Krebszellen des Patienten zu erzeugen. Auch hier haben die Mainzer Forscher einen Lösungsansatz entwickelt. Es hat sich herausgestellt, dass Impfstoffe besser wirken, wenn sie nach der Injektion verpackt in Nanopartikel (Lipoplexen) von dendritischen Zellen aufgenommen werden. Das zeigt eine in Nature publizierte Pilotstudie. Die Wirksamkeit dieser Therapie wird aktuell in einer klinischen Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem schwarzen Hautkrebs an der Hautklinik der Mainzer Universitätsmedizin getestet.
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